Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

14. Januar 2005
 

Branchen-Saisonalität

„Sell in May and go away“ ist eine der bekanntesten Markt-Timing-Floskeln. Der Merkspruch beruht auf der Tatsache, dass ein Großteil der Jahresgewinne im S&P500 üblicherweise in der Zeit zwischen Oktober und April eingefahren wird.

Die Agrarmärkte sind für Saisonalitäts-Phänomene das älteste Beispiel: Die Ernte lässt sich nur in einer eng begrenzten Periode einfahren. Während und kurz nach der Erntezeit ist das Angebot reichlich, im Winter hingegen spärlich. Da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, stieg der Weizenpreis umso stärker an, je weniger Vorräte vorhanden waren. Missernten verschärften das Bild in unregelmäßigen Abständen. Die als Reaktion entstehenden Futures-Märkte gleichen die Schwankungen teilweise aus, weil dem Landwirt von der Abnehmerseite ein bestimmter Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt garantiert wird. Dennoch verschwand die Saisonalität nicht ganz.

Nehmen wir als Beispiel den Verkauf von Ein- bzw. Mehrfamilienhäusern. Der verkaufsstärkste Monat ist der März, gefolgt vom April und Mai. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits sind Besichtigungen im Bau befindlicher Häuser im Winter unangenehm. Anderseits kann man damit rechnen, bei einem Kauf im März oder April noch vor dem Beginn des Winters einziehen zu können. Kauft man hingegen im Winter, so kann sich der Einzugstermin aufgrund des Frostes hinziehen. Als weitere Komponente gilt, dass die Entscheidungen für größere Anschaffungen meist im Frühjahr fallen, dies gilt auch für die Autobranche.

Die Frage ist, ob sich diese Überlegungen auch in den saisonalen Charts von Immobilienaktien widerspiegeln. Die Firma Centex Corp. mit Sitz in Dallas ist eines der großen Unternehmen der Branche. Im nachfolgenden Chart ist der Durchschnitts-Jahresverlauf von Centex zwischen 1986 und 2004 dargestellt.




Deutlich erkennbar sich lassen sich zwei bullische Perioden eingrenzen: Die erste Aufwärtsperiode des Jahres dauert drei Monate; sie beginnt Anfang April und endet Anfang Juli. Eine zweite Rallye-Periode lässt sich für die letzten beiden Monate eines Jahres ausmachen.

Gemäß unserer fundamentalen Überlegungen wissen wir, dass der März, April und Mai die „Make or Break“-Periode für die Häuserbauer darstellen. Läuft das Geschäft in diesem Zeitraum, dann ist ihnen ein gutes Jahr kaum noch zu nehmen. Aus diesem Grund ist die zögerliche Haltung der Anleger zwischen Mitte Februar und Ende März erklärbar, denn erste Verkaufszahlen für den März werden erst im April bekannt. Die Rallye zwischen April und Juli ist demnach die Belohnung für erfüllte oder übertroffene Erwartungen.

Zwischen 1986 und 2004 hatte Centex lediglich vier Minusjahre zu beklagen. Diese fielen mit – 39% (1987), - 44% (1994), - 45% (1999) und – 12% (2002) durchschnittlich recht heftig aus. Auf dem folgenden Chart mit den zusammengefassten Minus-Jahren ist zu erkennen, dass die abwartende Februar/ März-Haltung in eine Abwärtsphase übergeht, wenn sich die Frühjahrserwartungen offensichtlich nicht erfüllen.
 


 

Ein Lichtblick zeigt sich lediglich – wie auch im Durchschnitt aller Jahre – im November und Dezember.

Interessant auch, dass sich der Aktienkurs von Centex in den Jahren, in denen sich der saisonale Verkaufshöhepunkt nicht in der März/April-Periode, sondern erst im Sommer befand (1989, 1992, 1995, 1996, 1998, 2003), besonders gut entwickelte. Solche Jahre endeten ausschließlich im Plus mit einem durchschnittlichen Gewinn von knapp 50 Prozent. (siehe folgenden Chart).
 

 

Fazit: Nimmt man Centex als Barometer für die Baubranche in den USA, so gilt, dass Investoren sich im Februar und März eher abwartend verhalten, bis die Frühjahrszahlen auf dem Tisch liegen. Sind sie gut, steigen die Kurse der Immobilienwerte, fallen sie hingegen mager aus, setzt sich die Schwächeperiode bis in den November hinein fort. Und man sollte darauf achten, ob die unbereinigten Verkaufszahlen vom März bzw. April zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr noch einmal übertroffen werden. In einem solchen Fall ist mit einem sehr bullischen Jahr zu rechnen.

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Nicht nur die Baubranche, sondern alle Industrie- und Dienstleistungszweige verfügen über saisonale Muster. Analysen weiterer Branchen führen wir auf Anfrage durch. Mehr über saisonale Aspekte auch in unserem „Jahresausblick 2005“. Weitere Informationen zum Ausblick unter http://www.wellenreiter-invest.de/ausblick2005.html

 


Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest


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Robert Rethfeld
 

 

 

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