Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

21. Januar 2005
 

Wie misst man die Spekulationsneigung?

 

Spekulation (lat. Speculari; spähen, beobachten) bezeichnet nach www.wikipedia.de

die „planvolle Handlung einer wirtschaftenden Person, die nach lukrativen, zumeist kurzfristigen Investitionsmöglichkeiten Ausschau hält“.

Die Spekulationsneigung bezeichnet hingegen den Grad der Bereitschaft, sich an der Spekulation zu beteiligen.

Zur Messung der Spekulationsneigung exisitieren unterschiedliche Verfahren. Cognitrend und Sentix in Deutschland; Investors Intelligence, Market Vane und AAII in den USA sind Institutionen, die durch Marktumfragen die Anlegerstimmung erforschen. Sind die Investoren sehr bullisch gestimmt, so lässt dies indirekt auf eine hohe Spekulationsneigung schließen.

Weitere Stimmungsindikatoren sind die Put/Call-Ratio, die Zahl der Insiderverkäufe- und –käufe, die Mittelzu- und -abflüsse der Investmentfonds sowie das „Open Interest“ an den Futures-Märkten. Den zuletzt genannten Aspekt wollen wir betrachten und ihn später mit einem weiteren, (zu Unrecht) wenig genutzten Instrument ergänzen.

An den Futures-Märkten lässt sich die Spekulationsneigung durch das so genannte „Open Interest“ ablesen. Das Open Interest bezeichnet die Gesamtzahl aller gehandelten (offenen) Futures-Kontrakte. Nimmt die Zahl der gehandelten Kontrakte zu, so steigt die Spekulationsneigung der Investoren. Am Beispiel des Goldmarktes (nächster Chart) lässt sich erkennen, dass eine abnehmende Spekulationsneigung bei anziehenden Preisen in der Regel bullisch ist. Als Beispiel dient der Zeitraum zwischen Mai und September 2004 im Goldfuture.


Interessanterweise funktioniert diese Divergenz auch bei einem weiteren Stimmungsindikator. Es ist das Verhältnis zwischen den Handelsvolumina an der Nasdaq- und an der New York Stock Exchange (Nasdaq/NYSE-Volumen-Ratio).

Erläuterung: Man geht davon aus, dass – bezogen auf die USA - die spekulativen Werte überwiegend an der Nasdaq und die konservativen Werte überwiegend an der NYSE zu finden sind. Ist das Handelsvolumen an der Nasdaq im Verhältnis zur NYSE besonders hoch, bedeutet dies eine erhöhte Spekulationsneigung. Ein Übergewicht der NYSE deutet hingegen auf ein vorsichtiges und konservatives Engagement hin.

Im folgenden Chart ist die Nasdaq/NYSE-Volumen-Ratio seit Januar 1985 dargestellt. Deutlich erkennbar ist die erhöhte Spekulationsneigung im Sommer 1996 (es kam zu einem kurzzeitigen Einbruch an den Märkten).
 


 

Im Herbst 1998 (Asienkrise) war die Angst groß und die Spekulationsneigung gering. Ihren absoluten Höhepunkt erreichte die Ratio zur Jahreswende 2000/ 2001. Wer kann sich nicht an die „Suche nach dem Boden“ im Jahr 2000 erinnern, welche die Anleger davon abhielt, bärisch zu werden? Und als Alan Greenspan zu Beginn des Jahres 2001 die Zinsen massiv senkte, konnte ja nichts mehr schief gehen, oder? Erst der Einbruch der Aktienmärkte im März 2001 nahm den Anlegern die Lust auf Spekulation, die im Herbst 2002 sowie im Frühjahr 2003 einen weiteren Tiefpunkt erreichte.

Zoomen wir in den Chart hinein und fügen der Ratio den Verlauf des Nasdaq zwischen 1999 und 2005 hinzu. Man erkennt eine bullische und eine bärische Divergenz.
 

 

Die bärische Divergenz betraf das Jahr 2000 (gerade erläutert); die bullische den Zeitraum zwischen dem Herbst 2002 und dem Frühjahr 2003. Ähnlich wie im weiter oben gezeigten Gold-Future-Chart erwies sich die geringere Spekulationsneigung im Frühjahr 2003 als bullisch für den Markt.

Das Jahr 2004 war bis zum Herbst von einer abnehmenden Spekulationsneigung geprägt, doch diese drehte im November 2004 fast vertikal nach oben, wo sie momentan verharrt. Man darf gespannt sein, ob sich an dieser Stelle wiederum Divergenzen herausbilden.

Fazit: Die Spekulationsneigung lässt sich auf vielfache Art und Weise messen. An den Futures-Märkten ist in diesem Zusammenhang das Open Interest von besonderer Bedeutung; die einfach zu bildende Nasdaq/ NYSE-Volumen-Ratio ergänzt die an den Aktienmärkten üblichen Stimmungsindikatoren.


Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest


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Robert Rethfeld
 

 

 

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