Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

25. März 2005
 

Ein Auge auf Japan

Das lange Oster-Wochenende ist ein guter Zeitpunkt, sich Gedanken über die Zukunft technologischer Innovationen zu machen. Dieser Wochenend-Wellenreiter knüpft an denjenigen vom 11. Februar dieses Jahres mit dem Titel „Innovationen" an. Damals stellten wir fest, dass die durch eine Börsen-Manie ausgelöste Innovationskraft ihren Schatten bis weit in den Kondratieff-Winter hinein erstreckt.

Doch was genau sind diese Technologien, die sich uns jetzt erschließen? In einem Interview mit dem Japan-Experten Professor Dr. Helmut Becker (Smart Investor Magazin 4/2005) ist von der "zweiten digitalen Revolution“ die Rede. Becker fügte hinzu, dass "Japan auf diesem Feld keinerlei Konkurrenz hätte". „Interessant“, dachte ich, „ausgerechnet das angeblich jahrelang in wirtschaftlicher Depression dahinsiechende Japan mit seiner überalterten Bevölkerung soll konkurrenzloser Technologieführer sein?“ Das galt es näher zu untersuchen.

Wenn man an Japan denkt, kommen einem als erstes Computerspiele und Roboter in den Sinn. In letzter Zeit hat man den Eindruck, dass in Japan versucht wird, diese beiden Technologien miteinander zu verschmelzen. In einem Interview mit „Spiegel Online“ wurde ein japanischer Forscher auf einem in Deutschland stattfindenden VR-Kongress gefragt, was das Ziel seiner Arbeit sei. Er antwortete, dass zukünftig nicht er persönlich, sondern sein persönlicher Roboter an diesem Kongress teilnehmen sollte. Er selbst würde in Japan sitzen und alles so mitbekommen, als ob er selber anwesend wäre.
http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,346895,00.html

Japan ist mit weitem Abstand führend in der Robotertechnologie. Keine Gewerkschaften hindern den Automatisierungsprozess. Zudem ist die Bevölkerung solchen Veränderungen gegenüber positiv eingestellt. Japan ist ein Inselstaat und setzt nicht wie Deutschland oder die USA auf Einwanderung, um beispielsweise Arbeiten im Niedriglohn-Sektor durch ausländische Arbeitskräfte ausführen zu lassen. Zudem leidet Japan unter der Überalterung der Bevölkerung; beispielsweise könnte der Bedarf nach Pflege-Robotern enorm sein.

Schaut man sich im Computerspiele-Bereich um, so geht der Trend ebenfalls in Richtung virtuelle Realität. Ein führender Entwickler wird mit den Worten zitiert: "Ich habe gerade den Prototyp einer Kamera gesehen, die den Spieler und seine Bewegungen im Detail dreidimensional erfassen und dem Computer übermitteln kann. Dann wird es Spiele geben, bei denen der Spieler wirklich kriechen muss, wenn er kriechen will, und wirklich klettern, wenn er klettern will. Dann erst wird virtuelle Realität wirklich spannend - wenn man da auch seinen Körper einsetzen kann." (Der Spiegel 10/2005).

Im Jahr 1990 schrieb Ray Kurzweil seinen Klassiker „The Age of Spiritual Machines“. Darin prognostiziert er ultimativ eine Verschmelzung von Mensch und Maschine. In der industriellen Revolution hätten uns die Maschinen geholfen, unsere physische Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die jetzige Revolution hilft dagegen unseren mentalen Fähigkeiten auf die Sprünge. Im Nachhinein muss man Kurzweils Werk zwar als provokativ, aber doch als vorausschauend bezeichnen.

Zum Thema "digitale Revolution" ist noch zu ergänzen, das uns heute WLAN und bald auch UMTS normal erscheinen; fast unbemerkt wurden bzw. werden diese Technologien zu einem integralen Bestandteil unserer Kommunikation. Und eine Technologie, die erst vor wenigen Jahren den Fotomarkt revolutionierte -  die Digitalkameras – ist in Japan bereits dem Untergang geweiht, wie die scharfsinnige Beobachterin Molly Wood von Cnet.com berichtet.

Doch die Themen digitale Revolution und virtuelle Realität sind nicht die einzigen Bereiche, in denen sich Neues tut.

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Einer der besten Nebeneffekte eines durch Angebot und Nachfrage diktierten Wirtschaftssystems ist die Erzeugung von Preisdruck. Nimmt das Angebot eines bestimmten Produktes ab oder erhöht sich die Nachfrage oder geschieht gar beides, entsteht Preisdruck. Der Mensch versucht sich diesem Preisdruck zu entziehen, indem er alternative Produkte entwickelt oder auf bereits entwickelte Produkte ausweicht. Man sieht dies ganz deutlich im Falle des steigenden Ölpreises. Aus dem Nichts schießen Solar-Aktien in die Höhe und werden zu Superstars. Und diese Aktien steigen nicht einfach so, sondern können tatsächlich höhere Gewinnerwartungen erfüllen.

Ein weiteres Feld mit guten Zukunftsaussichten ist die bereits von Toyota eingesetzte Hybridtechnologie in Kraftfahrzeugen. Dabei wird der Benzinmotor mit einem starken Elektromotor verknüpft. Letzterer entlastet den Benzinmotor und sorgt so für geringen Kraftstoffverbrauch. Neuerdings wird auch der Dieselmotor in der Hybridtechnologie getestet. Laut Wired Magazine soll diese Technologie zuerst in Europa Verbreitung finden, da der Dieselmotor in Europa breit akzeptiert ist.

Man möge mir verzeihen, dass ich auf Technologien wie WLAN, WiMAX, Media Center, portable Spiele-Konsolen und HDTV nicht näher eingegangen bin. Dies alles und noch viel mehr wird die Lebensgewohnheiten in den Industrieländern sukzessive verändern.

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Doch zurück zum Thema Japan. Ich unterstütze mit Nachdruck den eingangs erwähnten Prof. Dr. Becker in seiner Meinung, dass das ostasiatische Inselreich auf dem Feld der digitalen IT-Revolution gegenüber anderen Industrieländern in Führung liegt. Doch es ist mehr; es ist nicht nur die digitale Revolution. Während sich die Augen auf China, Taiwan, Thailand und Indien richteten und richten, hat sich Japan – für viele unbemerkt – nach einer langen Zeit wirtschaftlicher Depression Führungspositionen auch in anderen Technologiebereichen erarbeitet. Die oben erwähnte Hybidtechnologie wurde von Toyota erfunden, in der Solartechnik führt Japan vor Deutschland (das japanische Unternehmen Sharp ist der weltweit größte Hersteller von Photovoltaik-Zellen); und in der Robotertechnologie kann kein Land Japan auch nur annähernd das Wasser reichen. Übrigens: Die drei letztgenannten Technologien sind Schlüsseltechnologien und keine Gimmicks.

Die technologische Revolution setzt sich fort, als ob es einen Börsencrash nicht gegeben hätte, und das wird sie – trotz Kondratieff-Winter - auch weiterhin tun. Und haben Sie ein Auge auf Japan.

Weitere Klicktips:

Intels Vision zum Thema Wi-fi und WiMax
http://www.intel.com/pressroom/archive/speeches/otellini20040225.htm 

Top-Themen der Cebit
http://www.cebit.de/8045?x=1

Offizielle Website der Expo 2005 in Japan
http://www-2.expo2005.or.jp/en/index.html 

Interessant ist der Einblick in den Entwicklungsstand japanischer Roboter; das ist ein echtes Aha-Erlebnis
http://www-2.expo2005.or.jp/en/robot/index.html


Robert Rethfel
d
Wellenreiter-Invest


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