Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

27. Januar 2007
Blickpunkt Zürich

Am vergangenen Dienstag und Mittwoch fand in Zürich die 22. Kapitalanlegertagung statt. Jedes Jahr ist diese Veranstaltung ein Highlight in unserem Kalender. Das Eintauchen in die Gedanken der Analysten, Fondsmanager und Finanzstrategen ist dort besonders gut möglich. Zudem sind die Gespräche am Rande aufschlussreich. Technische Analyse ist in Zürich ein Nebenthema. Vielmehr geht es um „Anlagepolitische Großwetterlagen“, um „Weltwirtschaft und US-Ökonomie“ oder um „Islamismus und globale Energiepreise.“ Am Ende hat man ein recht klares Bild über die Themen und Thesen, die die Planungen der Finanzwelt für das laufende Jahr beeinflussen. 

Schon mal an Skandinavien als Investment-Thema gedacht? Tagungsleiter Philipp Vorndran, Investment Stratege der Credit Suisse, sieht viele Anleger aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum momentan im Global-Warming-Fieber“. Das heißt, dass diese aktiv nach Investment-Chancen suchen, dies sich aus der Klimaerwärmung ergeben. Während die Klimaerwärmung für den südeuropäischen Raum Probleme mit sich bringt, profitieren aller Voraussicht nach insbesondere Skandinavien von einer Erhöhung der Temperaturen. Unter diesen Umständen muss der aktuelle Immobilienboom in Spanien als besonders kritisch betrachtet werden.

Die Rohstoff verarbeitende Industrie fürchtet bereits jetzt juristische Komplikationen, so Vorndran. Sie dürfte sich bald fühlen wie die Tabakindustrie vor 10 Jahren: Genauso wie die Tabakindustrie von eine Klagewelle vorher ungeahnten Ausmaßes überrollt wurde, könnten Verbraucher in absehbarer Zukunft die Industrieunternehmen für den ver-schwenderischen CO2-Ausstoß vor den Kadi zerren. Deshalb werden diese Unternehmen verstärkt alternative Investments in ihr Portfolio aufnehmen. Für die BRIC-Staaten sieht Vorndran die Risiken insgesamt steigen. Die Bewertungen seien bereits zu hoch.

Der Schweizer Fondsmanager Felix Zulauf gab einen seltenen Einblick in seine berufliche Zusammenarbeit mit Alan Greenspan. Er sagte, dass er in den 80er Jahren etwa alle drei Monate mit Alan Greenspan zusammen saß (Greenspan beriet damals die UBS). Greenspan kannte jedes Detail aus der Depressionszeit der 30er Jahre und hatte fürchterliche Angst, dass die USA aufgrund der fallenden Preise in der damals beginnenden Globalisierung in eine längere Deflationsphase geraten könnten. In seiner Zeit als Gralshüter der US-Fed-Politik verfuhr er deshalb nach der Devise „Im Zweifel lieber Inflation als Deflation“ und handhabte die Geldpolitik recht locker („Easy Al“). Hingegen sei Ben Bernanke ein Zahlenmensch. Zahlen basieren naturgemäß auf der Vergangenheit und so könnte es sein, dass Bernanke in dem einen oder anderen Fall zu spät erkennt, was Sache ist. Das Risiko besteht, dass Bernanke zu lange restriktiv bleiben könnte (also die Zinsen nicht senkt). Mich hat diese Aussage sehr beeindruckt. Bernanke hat bisher noch keine einzige schlimme Markphase durchleben müssen. Einmal ist immer das erste Mal…

Überhaupt war Felix Zulauf in seiner Analyse recht konkret: Den japanischen Aktienmarkt sah er wenig positiv, bei den Rohstoffen sieht er Korrekturen, bevor es im zweiten Halbjahr weiter aufwärts geht. Der Anstieg dürfte sich bis 2010 fortsetzen. Der Dollar dürfte sich im zweiten Halbjahr abschwächen. Steigen die bisherigen Schwachwährungen Yen und Schweizer Franken, so könnte dies eine Einschränkung der Yen- oder CHF-Carry-Trades bedeuten. Zudem dürften die Zinssenkungserwartungen im Bezug auf die US-Fed verfrüht sein. Er sieht zwei Aktienmarktkorrekturen in diesem Jahr. Sein bevorzugtes Szenario sieht eine kleine Korrektur im Frühjahr und eine größere im Sommer/ Herbst vor. Der Anstieg der bisherigen Schwachwährungen könnte die Herbst-Korrektur auslösen. Und Bernanke hätte ein erstes ernsthaftes Problem, auf das er wahrscheinlich zu spät reagieren wird. Auf der Talsohle der zweiten Korrektur sollte man Emerging Markets long gehen.

Prof. Norbert Walter sieht die US-Wirtschaft mit acht Monaten Vorsprung vor der europäische Wirtschaft voraus laufen. Er wies auf das Superwahljahr 2007 hin (Wichtige Wahlen in Frankreich, Großbritannien und Russland). Die Serie würde mit den Präsidentschaftswahlen in den USA in 2008 fortgesetzt. Walter sah rückläufige Inflationsraten, steigenden Protektionismus und wahrscheinlich noch zwei Zinserhöhungen der EZB in diesem Jahr. Im Gegensatz zu Felix Zulauf sah er keine Gefährdung des Carry-Trades. Die Finanzwelt wird weiterhin mit Liquidität überspült werden. Walter war für die weltweiten Aktienmärkte insgesamt optimistisch.

Bezüglich des Vortrags von AIG-Hedge Fonds-Manager Robert Discolo zum Thema „Hedge Fonds“ lohnen zwei Aussagen, sich vor Augen zu führen: Ja, es besteht ein systematisches Risiko bei Hedge Fonds. Amaranth kann sich jederzeit wiederholen. Andererseits war er der Meinung, dass „Private Equity die Short-Positionen der Hedge Fonds killt“. Erklärung: Immer dann, wenn ein Hedge Fonds ein Unternehmen entdeckt hat, in deren Aktien es aufgrund des maroden Zustands des Unternehmens lohnenswert erscheint, short zu gehen, kommen die „Heuschrecken“ und bringen das Unternehmen auf Vordermann, sodass die Aktien steigen.

Was sind die Dinge, die in Zürich niemand auf der Rechnung hatte? Für mich sind das im Wesentlichen zwei Punkte. Erstens waren fast alle davon überzeugt, dass die Anleihen in 2007 nicht viel „reißen“ werden, weder nach oben noch nach unten. Hingegen haben wir in unserem Jahresausblick für 2007 bereits vor gut einem Monat einen kräftigen Zinsanstieg am langen Ende prognostiziert.

Die zweite Sache hat mich überrascht: Niemand – auch nicht der größte Pessimist unter den Konferenzteilnehmern – sah oder sieht eine Rezession in den USA für 2007 voraus. Die Aktienmärkte wurden in Zürich unisono positiv gesehen. Hohe Volatilität ja, aber ein Plus am Ende 2007 wird trotzdem herausspringen.

Weiter steigende Zinsen dürften die Erfüllung dieser Prognosen schwieriger machen.

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Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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