Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

26. September 2009
Klimawandel beeinflusst Inflation

Eine kurze Klimageschichte der Erde: Die Erde existiert seit etwa 4,7 Milliarden Jahren. Im Zeitraum von vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren sank die Oberflächentemperatur der Erde auf unter 100 Grad Celsius ab. Vor etwa einer Milliarde Jahren begann das Wechselspiel zwischen Warm- und Kaltzeiten. Die Vereisung beider Polkappen bedeutet, dass sich unsere Erde klimatisch derzeit in einem Eiszeitalter befindet. Das letzte Eiszeitalter begann vor 2,6 Millionen Jahren und hält bis heute an. In diesen Zeitraum fällt die Entwicklungsgeschichte des Menschen. Das bis heute andauernde Zeitalter des Holozän, das etwa 9620 v. Chr. begann, ist ein so genanntes „Interglazial“ (eine etwas wärmere Phase in einem Eiszeitalter). http://de.wikipedia.org/wiki/Klimageschichte

 

Die folgende Grafik zeigt die zyklische Entwicklung der Temperaturabweichung in der Antarktis der letzten 450.000 Jahre anhand des Vostok-Bohrkerns (jüngste Daten links).

 

 

Die zyklischen Temperaturschwankungen sind gut zu erkennen. Die Abweichung beträgt minus acht bis fünf Grad von der heutigen Durchschnittstemperatur.

 

Zum Vergleich: Der aktuelle Anstieg der Temperatur im Vergleich zur Periode von 1960 bis 1990 beträgt etwa 0,5 Grad (folgender Chart; Monatsdaten).

 

Quelle: Hadley Data

 

Soweit der Blick in die Klimageschichte der Erde. Doch was hat eine solche Betrachtung in einer Kolumne zu suchen, die das Verhalten der Finanzmärkte zum Thema hat?

Die einfache und auch naheliegende Frage lautet: Existiert ein Zusammenhang zwischen Veränderungen des Klimas und der Entwicklung von Rohstoffpreisen? Der Menschenver-stand besagt, dass die Nachfrage nach Erdöl dann anziehen müsste, wenn sich das Klima abkühlt. Umgekehrt müsste Die Öl-Nachfrage bei einer Erwärmung abnehmen.

 

Der obige Chart zeigt, dass ein solcher Zusammenhang tatsächlich existiert. Der Fall des Ölpreises von den 1920er und 1980er Hochpunkten geht jeweils mit Phasen steigender Temperaturen einher. Hingegen steigt der Ölpreis in Phasen, in denen die globalen Temperaturen stagnieren oder zurückgehen.

 

Das jüngste Beispiel ist besonders interessant: Zwischen Februar und August 1998 traten die größten bisher gemessenen positiven Temperaturabweichungen der jüngeren Geschichte auf. Sie gelten als Folge eines in den Jahren 1997/98 eingetretenen El Nino-Ereignisses. Nur wenige Monate später – im November 1998 – markierte der Ölpreis mit etwa 10 US-Dollar ein Mehr-Dekaden-Tief. Während die globale Temperaturentwicklung seitdem seitwärts verläuft, stieg der Ölpreis kontinuierlich an.

 

Die Kritik an diesem Zusammenhang ist klar: Erdöl wird nicht vordergründig zum Heizen, sondern für den Transport und in der Industrie verwendet. Warum soll der Ölpreis bei steigenden Temperaturen fallen, zumal in den vergangenen Jahrzehnten Länder wie China und Indien die Ölnachfrage zusätzlich befeuern? Wir glauben, dass die negative Korrelation zwischen Temperatur- und Ölpreisentwicklung etwas anderes besagt: Fallende Temperaturen „heizen“ die ökonomische Entwicklung an; sie bedingen Phasen steigender Inflationsraten. Steigende Temperaturen hingegen lähmen den Wirtschaftskreislauf; sie wirken deflationär. Sowohl die Inflationsspitze von 1920 als auch diejenige von 1980 entstand nach einer längeren Seitwärtsphase in der Temperaturentwicklung. Mitte/Ende der 70er Jahre wurde in Fachartikeln ernsthaft über die Entstehung einer neuen Eiszeit diskutiert. Diese Artikel schafften es sogar in den „Spiegel“. Das wäre heute undenkbar.

 

Fallende Temperaturen bedeuten, dass die Gefahr von Missernten in nördlichen Breiten zunimmt. Dies führt zu einer Angebotsverknappung von Agarrohstoffen wie Weizen und Mais. Dies wiederum lässt die Preise solange steigen, bis alternative Anbauflächen (möglicherweise in bisher unfruchtbaren Regionen in der Sahara) zur Verfügung stehen. Genauso würde die Nachfrage nach Erdgas steigen. Erdgas ist heute in den Industrie-ländern der Primärrohstoff zur Deckung des Heizbedarfs. Zudem gilt: Ein kälteres Klima führt zu einem erhöhten Kalorienbedarf, was sich positiv auf die Fleischnachfrage auswirken sollte. Steigende Temperaturen bedeuten hingegen reichliche Weizenernten, geringeren Erdgasverbrauch und insgesamt eine Tendenz zu fallenden Preisen.

 

Fazit: Wer den „wissenschaftlichen Konsensus“ des IPCC unterstützt und für die kommenden Jahrzehnte an eine kontinuierliche Klimaerwärmung glaubt, müsste sich gemäß diesen Zusammenhängen auf der Seite derer wiederfinden, die mittelfristig sinkende Rohstoffpreise, eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung und damit tendenziell einen Hang zur Deflation prognostizieren. Hingegen sollten diejenigen, die eine Seitwärts- oder gar Abwärtsbewegung der globalen Temperaturen erwarten, auf eine mittelfristig stärkere Erholung der Wirtschaft setzen, die allerdings mit der Gefahr der Entwicklung von Inflationsspitzen - wie 1920 und 1980 - einherginge.

Das Sentiment der öffentlichen Meinung ist stark auf einen weiteren Temperaturanstieg ausgerichtet, während sich die Temperaturen in der Realität seit mehr als 10 Jahren seitwärts bewegen. Das arktische Polareis verzeichnete bis 2007 einen Rückgang, in 2008 und 2009 konnte es wieder zulegen. Diese jüngste Entwicklung wird vom „wissenschaftlichen Konsens“ milde belächelt.

Wir sind Zykliker und wissen eins: Kein Trend dauert ewig, und selbst Aufwärtstrends leiden unter längeren Seitwärts- oder Korrekturphasen. Das ist beim Klima nicht anders als an der Börse. Andere Faktoren – wie z.B. der Aktivitätszyklus der Sonne – werden unserer Meinung nach im Bezug auf den klimatischen und wirtschaftlichen Einfluss nicht ausreichend gewürdigt (siehe http://tinyurl.com/ycbkwso). Richtig ist, dass das Klima nur einen Aspekt der globalen Wirtschaftsentwicklung darstellt. Andere Entwicklungen – wie z.B. die Bevölkerungsentwicklung und die Verteilung globaler Finanzströme – mögen eine größere Bedeutung besitzen. Dennoch: Wir halten die Klimaentwicklung für einen der am stärksten unterschätzten Einflussfaktoren auf die Weltwirtschaft. Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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Robert Rethfeld
 

 

 

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