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Wellenreiter-Kolumne vom 12. März 2011
Naturkatastrophen und Staatsbankrotte

Im April 1783 brach der 150 km von Tokio entfernte Vulkan Asama aus. Etwa 1.300 unmittelbare Todesopfer waren zu beklagen. Die mittelfristigen Folgen dieses Ausbruchs waren gravierender: Die Verseuchung der Erdböden durch die Eruptionen und die monatelange Verdunkelung des Himmels haben in den Folgejahren Missernten und Hungersnöte zur Folge gehabt, denen über eine Million Japaner (bei einer damaligen Bevölkerungszahl von 25 Millionen) zum Opfer gefallen sein sollen. Es kam zu Bauernaufständen; Häuser der privilegierten Bürger und Wucherer wurden zerstört.

Parallel zur Eruption des Asama in Japan fand der Ausbruch der Laki-Krater auf Island statt. Dieser begann am 8. Juni 1783 und dauerte acht Monate. Dieser Ausbruch hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das globale Klima. 100 Millionen Tonnen Schwefeldioxid wurden in die Atmosphäre geschleudert. Der Naturforscher Benjamin Franklin sprach 1784 davon, dass sich „ein konstanter Nebel über ganz Europa und große Teile Nordamerikas gelegt habe“. Die gesamte nördliche Hemisphäre kühlte sich im Durchschnitt um 1,5 Grad Celsius ab. Es kam verbreitet zu Missernten und Hungersnöten, die Getreidepreise stiegen stark an. Die Eruptionen der Laki-Krater gehörten zu den Schwerwiegendsten der letzten 2000 Jahre, heißt es bei Wikipedia. http://tinyurl.com/n22ol

Wolfgang Behringer vermutet in seinem im Jahr 2007 erschienenen und sehr lesenwerten Buch „Kulturgeschichte des Klimas“ einen Zusammenhang zwischen den klimatischen Bedingungen Europas der 1780er Jahre und dem Ausbruch der französischen Revolution im Jahr 1789. Er schreibt, dass die Getreidepreise in Frankreich just am Tag des Sturms auf die Bastille am 14. Juli 1989 einen Hochpunkt erreichten.

Die damalige Gemengelage war nicht allein durch Hunger und Teuerung, sondern durch eine praktische Insolvenz des französischen Staatshaushaltes gekennzeichnet. Die Ausgaben übertrafen die Einnahmen um 20 Prozent. 50 Prozent der Ausgaben entfielen auf Zins- und Tilgung für die enorme Staatsverschuldung. 7 Prozent des Budgets verschlang der königliche Hof (incl. Pensionszahlungen). http://tinyurl.com/8dgfx

Die Steuereintreiber waren in jener Zeit besonders aktiv. Die Bevölkerung geriet in eine Zwangslage: Einerseits hungerte man, anderseits sollte man durch Steuerzahlungen dazu beitragen, dass Gläubiger ihre regelmäßigen Zinszahlungen erhielten und der Hof weiter seine Feste feiern konnte. Es kam zu einer Explosion des Hasses gegen die damaligen Herrscher.

In unserem Ende 2009 erschienenen Ausblick auf die laufende Dekade (2010 – 2020) postulierten wir eine sich aus den Umständen zwangsläufig ergebende Neuordnung des Weltfinanzsytems, ohne dass Ereignisse wie die Aufstände im arabischen Raum oder die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan damals vorhersehbar waren.

Wir schrieben: „Die zweite Dekade eines Jahrhunderts ist häufig eine Dekade, in der eine „neue Ordnung“ entsteht: Man denke nur an den im Jahr 1714 beendeten spanischen Erbfolgekrieg, an den Wiener Kongress von 1814/15 im Gefolge der napoleonischen Kriege oder an den ersten Weltkrieg 1914 bis 1918. Diese Ereignisse zogen in vielen Belangen eine Neuordnung incl. Neuanfang nach sich. Eine solche erscheint – mit Blick auf unser Finanzsystem – dringlicher denn je. Ein Neuanfang kommt nicht allein: Er wird durch Ereignisse erzwungen. Das muss nicht notwendigerweise Krieg bedeuten. Wirtschaftliche Negativereignisse können stark genug sein, um die Staatengemeinschaft dazu zu zwingen, die Finanzwelt neu zu ordnen.“

Auch wenn viele Analysten das Wort von einem Kollaps oder Zusammenbruch des Weltfinanzsytems vorziehen, dürfte das Wort „Neuordnung“ der bessere Ausdruck sein. Neuordnung besagt, dass es Politikern gelingt, nach einer chaotischen Periode der Unruhe zu Standards und Regeln zurückzufinden. Im Übergang von der chaotischen zur stabilen Periode werden sich große Chancen auftun.

Momentan befinden sich die alten Industrienationen in einer unstabiler werdenden Situation. Die Spannungen in Europa werden durch unterschiedliche Verschuldungsgrade und entsprechend unterschiedliche Bewertungen der Länder an den Finanzmärkten hervorgerufen.

In den USA drohen nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Spannungen (man denke an das Geschehen im US-Bundesstaat Wisconsin). Die im Schafspelz der Republikaner daherkommende Tea Party-Bewegung führt zu einer Gegenbewegung, die sich in Wisconsin bereits etabliert hat. Die Spannungen zwischen diesen Bevölkerungsgruppen dürften sich weiter verschärfen.

Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Verschuldungssituation auf kommunaler und Landesebene weiter zuspitzt. Zuletzt haben die US-Länder und –Gemeinden so wenige Anleihen emittiert wie seit Jahren nicht mehr. Man hat Angst vor dem Urteil der Kapitalmärkte. Stattdessen werden an Schulen und in kommunalen Verwaltungen 4-Tage-Wochen eingeführt, um die finanzielle Not zu lindern.

In Krisenphasen der USA war stets auf die Ausweitung der Beschäftigung im öffentlichen Sektor Verlass. Diesmal geschieht das Gegenteil. Lediglich im privaten Sektor kommt es derzeit zur Schaffung von Stellen. Insgesamt dürfte das Sparen der öffentlichen Hand die Spaltung der US-Bevölkerung weiter vertiefen. Staatsbedienstete und Pensionsempfänger bilden die eine Seite, die Tea Party-Bewegung die andere. Wenn man in einigen US-Blogs liest, wie derzeit über Lehrer (=Staatsbedienstete) hergezogen wird, kann einem angst und bange um die Erziehung der amerikanischen Kinder werden. Da wächst eine Generation heran, die - teilweise in 4-Tage-Wochen – von unmotivierten Lehrern unterrichtet wird. Der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der USA dürfte dies kaum gut tun.

Üblicherweise führt eine Naturkatastrophe zu einem Rückgang des BIP und zu fallenden Aktienkursen. Jedoch beeinflusst die Wiederaufbauleistung das BIP nach einiger Zeit positiv, so dass auch die Aktienkurse wieder steigen. Man nehme als Beispiel das Erdbeben von San Francisco aus dem Jahr 1906, das in den USA einen Kurssturz mit anschließender V-förmiger Erholung zur Folge hatte.

Angesichts der Katastrophe in Japan wird sowohl die japanische Notenbank als auch die japanische Regierung Finanzmittel zur Verfügung stellen. Ob der bereits jetzt hohen Staatsverschuldung ist zu hinterfragen, ob sich das gezeigte Muster wiederholen kann.

Der japanische Staat hat die vergangene Dekade nur deshalb ohne Insolvenz überlebt, weil die Renditen extrem niedrig waren. Das aktuelle Ereignis könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Ohne Zweifel wächst die Gefahr eines Renditeanstiegs für japanische Staatsanleihen. Die 10jährigen japanischen Staatsanleihen notierten am Freitag bei 1,27 Prozent. Ein Anstieg auf 2,5 Prozent oder mehr würde unweigerlich zu einer japanischen Staatsinsolvenz führen.

Fazit: Die Kombination von Naturkatastrophen, hohen Lebensmittelpreisen und einer hohen Staatsverschuldung war schon immer dazu angetan, größere Umbrüche im Weltgeschehen zu provozieren. Genauso wenig wie Japan auf die Kombination von Erdbeben und Tsunami vorbereitet war, ist das Weltfinanzsytem in der Lage, eine mögliche Insolvenz Japans abzufedern. Japan ist - nach den USA und China - die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die USA und Europa haben mit eigenen Problemen zu kämpfen. Mehr und mehr werden Politiker von den Märkten dazu gezwungen werden, den Schritt in eine Neuordnung des Weltfinanzsystems zu gehen. Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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