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Bargeldverbot rückt näher

Wellenreiter-Kolumne vom 29. November 2014

Restriktionen in der Bezahlung mit Bargeld liegen in vielen Ländern vor. Innerhalb des Euroraums gelten enge Obergrenzen zwischen 1.500 und 3.000 Euro in Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Zypern. In Deutschland werden etwas mehr als 50 Prozent der Kauftransaktionen mit Bargeld erledigt. Deutschland ist ein Bargeldland.

 

Die „Financial Action Task Force (FATF)“ ist ein zwischenstaatliches Organ, das Standards gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus erarbeitet. Viele der Empfehlungen wurden von den Mitgliedsländern bereits umgesetzt. Dazu zählen die Bargeld-Deklarationspflichten im grenzüberschreitenden Verkehr.

 

In absoluten Zahlen nimmt der Euro-Bargeldbestand noch zu. Er betrug Mitte 2014 knapp eine Billion Euro. Allerdings verlangsamt sich die Wachstumsrate seit Jahren.

 

 


Gut zu erkennen ist der sprunghafte Anstieg des Bargeldbestandes im Gefolge des Lehman-Zusammenbruchs Ende des Jahres 2008 (roter Kreis obiger Chart).

 

Es erscheint plausibel anzunehmen, dass ein Bargeldverbot in den Ländern, die sowieso kaum noch mit Bargeld bezahlen (die mediterranen Anrainerstaaten),  auf keine große Gegenwehr stoßen würde.

 

Schweden kommt einem Bargeldverbot bisher am Nächsten. Betrachtet man jedoch die drei großen Währungsräume Euro, Dollar und Yen, so hat keiner dieser Räume bisher Erfahrung mit einem Komplettverbot. In den USA wird Bargeld in kleineren Einheiten akzeptiert. In größeren Einheiten eher nicht. Im Euroraum sind die Gewohnheiten – wie oben beschrieben - unterschiedlich. Das deflationsgeplagte Japan ist bis heute ein Bargeldland geblieben.

 

Das Thema „Negativzins“ beherrscht die mediale Debatte. Dieser Betrachtung fehlt eine wichtige Komponente. Wenn die Preise an den Tankstellen fallen – so wie jetzt -, dann kann man für das gleiche Geld mehr kaufen. Fallende Preise erhöhen die Kaufkraft des Geldes. Sie wirken dem „Entsparen“ entgegen.

 

Es reicht also nicht, nur den Zins zu betrachten. Wenn man Zinsen und Inflation im Kontext betrachtet, gelangt man ohne Umwege zum „Realzins“. Dieser ergibt sich aus dem Zinssatz minus der Inflationsrate.

 

Was treibt die Zentralbanker an? Sie wollen, dass Banken mehr Kredite vergeben. Sie wollen, dass die Pferde nicht nur zur Tränke gehen, sondern auch saufen. Steigt der Realzins – meist aufgrund fallender Inflationsraten -, verteuern sich die Kredite real. Die Geldpolitik erfährt eine Straffung. In der Folge lässt die wirtschaftliche Dynamik nach. Deshalb fürchtet ein Zentralbanker nichts mehr als einen steigenden Realzins. Mario Draghi betonte diesen Aspekt jüngst auf dem Bankenkongress in Frankfurt.  

 

Die Wirkung eines steigenden Realzinses lässt sich historisch belegen. Einem Anstieg des Realzinses folgte in der Vergangenheit sehr häufig eine US-Rezession (folgender Chart).

 

 

Im Gegensatz zu EZB verfügt die US-Zentralbank - im Umfeld einer Inflationsrate von 1,7 Prozent – weiterhin über Manövriermasse. Sie kann im Fall der Fälle versuchen, die Rendite am langen Ende (derzeit etwa 2,2 Prozent) unter die Inflationsrate zu zwingen. Damit würde sie einen negativen Realzins generieren – mit positiven Effekten auf die Wirtschaft.

 

Die EZB kann das nicht. Sie ist in einem Umfeld sehr niedriger oder negativer Inflationsraten weitgehend machtlos. Würde sie weiterhin eine Geldpolitik der normalen Art betreiben wollen, müsste sie den Zinssatz unter die Nulllinie senken. Dies nicht nur – wie bisher - für bei der EZB geparkte Einlagen der Banken, sondern auf breiter Front.

 

Die Gründe für eine Abschaffung des Bargeldes liegen - aus Sicht der EZB - auf der Hand. Im Herbst 2011 betrug die Euroraum-Inflationsrate 3,3 Prozent. Für den November 2014 werden offiziell 0,3 Prozent ausgewiesen. Angesichts des sich beschleunigenden Falls der Rohstoffpreise lässt sich ein Rutsch in die Deflation für den Euroraum kaum noch vermeiden. Damit verliert die EZB ein geldpolitisches Instrument. Der sogenannte „Zero-Bound“ bildet die Grenze.

 

Solange Bargeld existiert, kann der Zero Bound (die Null-Prozent-Grenze) nicht nennenswert unterschritten werden. Wäre das Bargeld abgeschafft, könnte die EZB mit einer Zinssenkung auf minus 2 Prozent eine Inflationsrate von minus 1 Prozent geldpolitisch bekämpfen. Eine solche Zinssenkung würde den Realzins fallen lassen und so eine Lockerung der Geldpolitik mit sich bringen.

 

Doch selbst wenn weiterhin Euro-Bargeld existieren würde, gäbe es Möglichkeiten, den Verkehr so zu beschränken, dass die Bürger daran gehindert werden würden, ihre Konten zu leeren.

 

Man würde die Bargeldauszahlung am Schalter beschränken oder abschaffen. Die Tageslimits an Geldautomaten liegen bei 1.000 bis 2.000 Euro. Zusätzlich sehen einige Banken schon jetzt Wochenlimits vor. Eine geplante Einführung von Negativzinsen könnte von der EZB vorbereitet werden, indem man die Wochen- und Tageslimits soweit heruntersetzen lässt, dass nur noch kleinere Auszahlungen möglich sind. Man könnte die Gebühren an Geldautomaten so regeln, dass eine häufige Nutzung bestraft wird. Die Bürger würden merken, dass ein zu häufiges Abheben ihr Konto mehr belastet als die Inkaufnahme eines Negativzinses in Höhe von - sagen wir - einem Prozent pro Jahr. Der Raum unter der Matratze bliebe leer.

 

Kapitalverkehrskontrollen könnten ergänzend wirksam werden, da das Ersparte stets den höheren Zins sucht. Und der findet sich vorwiegend im Dollar-Raum. Das große Kapital dürfte – trotz Kapitalverkehrskontrollen - weiterhin Wege finden, das Verschieben von Beständen in den Dollar-Raum durchzuführen. Der Euro würde unter Druck bleiben.

 

Die Frage stellt sich, wer das Mandat zur Abschaffung des Bargeldes hat. Selbst wenn die EZB formal darüber entscheiden könnte, würde die tatsächliche Entscheidung von der Politik getroffen werden. Das funktioniert in der EU nicht ohne intensive Diskussionen.

 

Die Durchsetzung eines Bargeldverbots, wie es auch die Ökonomen Larry Summers und Kenneth Rogoff fordern, erscheint entweder im Konsens mit der Bevölkerung (siehe Schweden als Beispiel) oder aber im Rahmen einer erneut stärker aufflammenden wirtschaftlichen Krisensituation vorstellbar.

 

Klar ist: Die EZB dürfte derzeit sämtliche denkbaren Optionen prüfen. Darunter auch Maßnahmen, die es erlauben würden, den Negativzins im Euroraum auf breiter Front durchzusetzen.

 

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

 


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