Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

01. Oktober 2004
 

Frachtraten auf Höhenflug

 

Die „Baltic Exchange“ ist eine Börse mit Sitz in London. Schiffsbroker vermitteln den See-Transport von „Bulk Cargo“ wie Erdöl, Kohle, Weizen und Eisen zwischen Schiffs- und Frachtinhabern. Für jeden Transport wird eine Frachtrate vereinbart, die je nach Angebot und Nachfrage schwankt.

Ein täglich aktualisierter Index – der Baltic Dry Index (BDI) – repräsentiert den Durchschnitt aller See-Frachtraten. Dieser Index weist gegenüber vielen anderen Indizes eine Besonderheit auf: Spekulation ist ausgeschlossen. Ein Erdölproduzent bestellt nicht mal eben auf Verdacht einen Supertanker.

Der selten erwähnte Index – 244 Treffer bei Google bei „Seiten auf Deutsch“ sind nicht gerade viel – lässt sich durchaus als Gradmesser ökonomischer Aktivität zu Rate ziehen. Und das sowohl fundamental als auch charttechnisch. Fundamental bedeuten steigende Frachtraten steigenden Nachfrage nach Frachtschiffen und damit steigende ökonomische Aktivität. Fallende Frachtraten stehen hingegen für wirtschaftliche Abkühlung.

Auch charttechnisch sind solche Zusammenhänge darstellbar. Zunächst ist festzustellen, dass zwischen Frachtrate und Rohstoffpreisen ohne Zweifel ein Zusammenhang besteht. Der folgende Chart zeigt eine parallele Bodenbildung von BDI und CRB-Rohstoff-Index in den Jahren 1999 und 2001.



 

Bei näherer Betrachtung des Charts fällt der extreme Anstieg des BDI zwischen dem November 2001 und Februar 2004 auf: Der Index verfünffachte sich, während der CRB-Index „nur“ um 50 Prozent zulegen konnte.

Da der CRB-Index energielastig ist, überrascht es nicht, dass zwischen Frachtrate und Erdölpreis ebenfalls ein Zusammenhang besteht.
 

 

Schnell kommt man auf den Gedanken, dass die Höhe der Frachtrate etwas mit dem Thema Inflation zu tun haben könnte. Steigende Rohstoffpreis plus steigende Frachtraten sind schließlich ein doppelter Kostenfaktor, der Herstellung und Vertrieb eines Produktes verteuert und Eingang in die Endverbraucherpreise finden sollte.

 


Mit Hilfe des oberen Charts lässt sich tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Fracht- und – in diesem Fall - der US-Inflationsrate (CPI) nachweisen. Der CPI bildete ebenfalls 1998 und Ende 2001/Anfang 2002 ein Tief. Doch der anschließende rasante Anstieg des BDI wurde vom CPI in dieser Form nicht reflektiert; der CPI stieg vergleichsweise bescheiden.

Nun könnte man argumentieren, dass Veränderungen der Transportkosten nicht entscheidend für den Endverbraucherpreis sind, da sie nur einen Bruchteil der Gesamtkosten repräsentieren. Die untere Grafik zeigt die Transportkostenanteile pro Branche. Sie betragen zwischen 2 und 8 Prozent.

Transportkostenanteile in Prozent
 

 

Quelle: US-Department of Transportation, 1999

Die Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 1999, die Frachtraten befanden sich damals auf niedrigem Niveau. Über neueren Zahlen verfüge ich nicht. Man darf aber durchaus annehmen, das der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten um einige Prozentpunkte gestiegen sein dürfte. Hinzu kommt, dass die Rohstoffpreise seitdem ebenfalls stark gestiegen sind.

Diese Zusammenhänge stützen die Ansicht einiger Marktteilnehmer, dass der mehr und mehr hedonistisch geprägte CPI die Inflation sehr viel niedriger wiedergibt, als sie tatsächlich ist. Bill Gross weist in seinem Monatskommentar eindrucksvoll auf diesen Effekt hin.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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Robert Rethfeld
 

 

 

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