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Dow 40.000 mit Absturzgarantie
Auf der Börsenbühne zählt Harry S. Dent zu den
interessanteren Charakteren. Dent wird gemeinhin als „größter Bulle der Wall
Street“ bezeichnet. 1993 prognostizierte der Analyst und Börsenbriefschreiber in
seinem Buch „The Great Boom Ahead" einen Dow von 8.500 Punkten spätestens im
Jahr 2007. Das war für damalige Verhältnisse schlicht und einfach frech. Doch
der Erfolg gab Ihm Recht; mittlerweile fordert und erhält Dent 50.000 Dollar pro
Auftritt.
Auch für das laufende Jahrzehnt ist er ausnehmend bullisch.
Was macht Dent anders?
Er entdeckte in den 80er Jahren, dass die Geburtenrate der USA mit dem Verlauf
des Dow Jones Index bzw. S&P500 übereinstimmt, wenn man die beiden Datenreihen
um 47 Jahre zueinander verschiebt. Man beachte, dass der Verlauf des Dow Jones
Index inflationsbereinigt dargestellt ist.
Ohne Zweifel ist hier ein Zusammenhang erkennbar. Im Jahre 1982 erreichte der Dow
Jones Index das inflationsbereinigte Tief eines 16 Jahre andauernden, quälenden
Bärenmarktes. Und tatsächlich befanden sich zu jenem Zeitpunkt gerade diejenigen
US-Amerikaner in der Altergruppe um 47 Jahre, die in der großen Depression Mitte
der 30er Jahre geboren wurden. Bei der während der Depression herrschenden
Zukunftsangst hatte damals kaum jemand den Mut, Kinder in die Welt zu setzen.
Dementsprechend bezeichnete die US-Geburtenzahl von 1935 einen
Verlaufstiefpunkt.
Aktuell befindet sich die „US-Baby-Boomer-Generation“ in der Altersgruppe um 47
Jahre. Das Jahr 1957 ist in den USA das Jahr mit der höchsten jemals erreichten
Geburtenrate. Die Geburtenrate blieb weitere 4 Jahre auf diesem Niveau, bevor
sie mit dem „Pillenknick“ in Verlaufe der 60er Jahre stark absackte. In
Deutschland wurde die absolut höchste Nachkriegsgeburtenzahl im Jahre 1962
notiert, nicht zufälligerweise mein Geburtsjahrgang.
Warum sind ausgerechnet die 47-jährigen so wichtig für Dents Projektionen? Der
Analyst in einem seiner früheren Newsletter: „Die spendierfreudigsten US-Bürger
in 2001 sind nach der 2000er Volkszählung diejenigen, die im letzten Jahr 46
Jahre alt waren und somit in diesem Jahr 47 werden.“
Die Erklärung für Dents Ansatz findet sich demnach in der Intensität des
Konsums. Die 47jährigen und die Jahrgänge um ihn herum sind die Großkonsumenten.
Gibt es besonders viele von Ihnen, geht es der Wirtschaft gut; sind diese
Jahrgänge zahlenmäßig schwach bestückt, stützt die Wirtschaft in ihr Verderben,
so die Theorie von Dent. 80 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts werden durch
den privaten Konsum bestimmt.
Auf dem Prüfstand
Wie gut funktioniert dieses Erklärungsmodell, das im Laufe der Zeit weiter
verfeinert wurde? Nachfolgend liste ich Dents Prognosen aus seinem Buch „The
Great Boom Ahead" - geschrieben im Jahr 1993 – auf. Der Dow stand damals bei
etwa 3.500, der Nikkei bei ca. 20.000 Punkten.
„- Der Dow wird bis zum Jahr 2007 mindestens 7.000, wahrscheinlich sogar 8.500
Punkte erreichen. 1996 wird es eine 10 bis 20prozentige Korrektur geben,
ansonsten werden die Aktien steigen, speziell nach 1998.
- Die Inflation bleibt während des Booms niedrig, meist unterhalb von 3 Prozent.
- Der Zinssatz der 30jährigen US-Anleihen fällt bis auf 5 oder 6 Prozent.
- Der Ölpreis bleibt in einer Handelsspanne zwischen 15 und 22 Dollar.
- Der Goldpreis sieht nur geringe Gewinne in diesem Boom. Er kann allerdings bis
1995 bzw. Anfang 1996 steigen. Ein nochmaliger Anstieg zwischen 1998 und 2002
ist möglich.
- Der japanische Aktienmarkt wird stark hinter dem US-Markt zurückbleiben.
Zwischen 1996 und 1998 könnten wir neue Tiefststände zwischen 10.000 und 14.000
Punkten sehen.
- Ein spektakulärer Boom wird sich in den Schwellenländern des Fernen Ostens, in
Lateinamerika und Osteuropa entwickeln. Stärkste Länder: China und Mexiko.
- Die nächste große Depression findet von 2008 bis 2023 statt.“
Urteilen Sie selbst. Für mich gibt nichts daran zu deuteln, dass dieses
Prognosepaket aus dem Jahr 1993 herausragend war. Eine Verdoppelung des Dow
wollte damals beim besten Willen niemand sehen, und auch die anderen Aspekte
wurden weitestgehend erfüllt. Den Faktor, den Dent nicht erkannt hat, war die
Rohstoffhausse ab 2001. Aber für die ersten 9 Jahre stimmte auch dieses Merkmal.
Seine Aussage zur nächsten großen Depression lässt sich noch nicht rückwirkend
betrachten; doch ich meine, darin einiges an Plausibilität entdecken zu können.
Später noch einige Worte dazu.
Rosa Farben für die kommenden Jahre
Die nächsten Jahre malt Dent in rosigen Farben. Seine ursprüngliche Prognose
eines Bullenmarkt-Topps bis 2007 hat er um zwei Jahre nach hinten verschoben. Er
sieht Technologieaktien zwischen 2004 und 2008 eine zweite Blase bilden. Den Dow
sieht er im Jahr 2008 oder 2009 bei 33.000 bis 40.000 Punkten.
Wie plausibel ist das Modell?
Mir scheint hierbei die Betrachtung des Faktors Timing wichtiger als die
Verifizierung von Preiszielen. Dazu einige fundamentale und einige
charttechnische Anmerkungen. Zunächst einmal glaube ich, dass man sich damit
schwer tun würde, die Grundthese dieses Modells grundsätzlich in Frage zu
stellen. Bei allen umgebenen Faktoren erscheint es einleuchtend und logisch,
dass eine Generation geburtenstarker Jahrgänge in der Lage ist, den Konsum auf
hohem Niveau aufrecht zu erhalten.
Das Jahr 1957 bezeichnet den geburtenstärksten Jahrgang der USA. 1957 plus 47
Jahre ergibt das Jahr 2004. Die Tatsache, dass der US-Markt dennoch weitere 5
Jahre steigen soll, begründet Dent mit der Immigration und damit, dass die
Jahrgänge bis 1961 geburtenstark blieben. Allein der Umstand, dass die
Konsumentengruppe um 47 Jahre nicht mehr wesentlich ansteigt, ist für mich ein
Grund, die Vorhersage von Dent in Zweifel zu ziehen.
Vielmehr finde ich die Klarheit und Deutlichkeit frappierend, mit der sich eine
Depression in den USA – und nicht nur dort - aus dieser Sichtweise heraus
abzeichnet. Wenn man bedenkt, dass in Japan die geburtenstärksten Jahrgänge
1948/49 gezählt wurden, lässt sich leicht erklären, warum der Nikkei-Index schon
im Jahr 1990 den Rückwärtsgang einlegte.
Die Parallelen zwischen Japan und den USA sind offensichtlich: Das Jahr 1948 zu
1990 ergibt eine Differenz von 42 Jahren; das Jahr 1957 zu 2000 ergibt eine
Differenz von 43 Jahren. Offensichtlich hat sich der Ausgabenzyklus um 4 bis 5
Jahre verschoben, oder die Aktienmärkte sahen in diesem Fall schon ein wenig
nach vorn.
Dennoch lässt sich meinerseits Harry Dents Prognose – was den zeitlichen
Horizont angeht – nicht ganz ausschließen. Historisch betrachtet haben sich im
vergangenen Jahrhundert zwischen dem Ende des vierten und dem Beginn des
sechsten Jahres eines Jahrzehnts die besten Gewinne ergeben. Mehrjahreshochs
wurden meist im sechsten oder im siebten Jahr eines Jahrzehnts erzielt.
Das Platzen einer Aktienmarktblase folgt einem typischen Verlaufsmuster (siehe
folgenden Chart). Deshalb erscheint eine Schwächephase in den Indizes im
Frühjahr 2005 wahrscheinlich. Halten sich die Indizes in dieser Zeit relativ
gut, könnte sich - speziell im Nasdaq - eine Echo-Blase entwickeln, welche die
Anleger durchaus glücklich machen sollte.
Danach jedoch droht ein
Abschwung, wie ihn unsere Generation noch nicht erlebt hat. Dent spricht von
einer 15jährigen Depression von 2008 bis 2023. In unserem Buch
„Weltsichten-Weitsichten“
beschreiben wir den Verlauf dieser Depression in zwei Szenarien.
Gleichzeitig ist dies eine gute Nachricht für meine Kinder: Sie werden um das
Jahr 2020 herum volljährig. Sie nutzen die Zeit der Depression zur Ausbildung
und phasen sich rechtzeitig zum Aufschwung in das Arbeitsleben ein.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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