Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

29. Oktober 2004
 

Hinein in die Rezession

 

Sieben der zehn Rezessionen in den USA seit 1948 wurden durch einen Anstieg des Ölpreises ausgelöst. Das ist keine neue Wahrheit. Mir geht es vielmehr darum zu zeigen, welche Größenordung Preisimpulse haben müssen, um sich als Abkühlungstrigger betätigen zu können. Damit soll letztendlich die Frage geklärt werden, ob der gegenwärtige Ölpreisanstieg ebenfalls geradewegs in eine Rezession führt.

Die Wirkung des Ölpreises auf die wirtschaftliche Situation der USA lässt sich dem folgenden Chart entnehmen. Den sieben blau markierten Rezessionen ging jeweils ein Anstieg des Ölpreises (grüne Linie) voraus, den drei grau markierten nicht. Andererseits kann man der grau markierten Rezession von 1982 durchaus unterstellen, dass auch diese durch den vorhergehenden sechsjährigen Ölpreisanstieg hervorgerufen wurde.

Die Ölpreis-induzierten Rezessionen wurden zusätzlich mit einem Pfeil versehen.


Quelle: www.nber.org; eigene Recherchen

Die folgende Tabelle setzt die Grafik in Daten um. Lesebeispiel: Im Mai 1953 stieg der Ölpreis abrupt um 10%, was seinen Teil dazu beitrug, dass im Juli 1953 eine Rezession in den USA begann. Die jüngste Rezession begann im März 2001; ihr vorausgegangen war ein 33%iger Ölpreisanstieg im Aug./Sept. 2000.

Initialer

Ölpreisanstieg

Anstieg Öl-preis in %

Rezessionsdauer

Höhepunkt des Ölpreisanstiegs

Mai 1953

10

Juli 1953 – Mai 1954

Juni 1953

Jan. 1957

9

Aug. 1957 – Apr. 1958

Feb. 1957

Feb. 1969

9

Dez. 1969 – Nov. 1970

Mär. 1969

Juli 1973

21

Nov. 1973 – Mär. 1975

Okt. 1974

Apr. 1979

14

Jan. 1980 – Juli 1980

Apr. 1980

Juli 1990

50

Juli 1990 – Mär. 1991

Okt. 1990

Aug - Sep. 2000

33

Mär. 2001 – Nov. 2001

Nov. 2000

Jul.- Okt. 2004

47

?

?

Der Tabelle ist ebenfalls zu entnehmen, dass eine Rezession zwischen einem und sieben Monate nach einem initialen Ölpreisanstieg begann.

In den 50er und 60er Jahren reichten Preisschübe von knapp 10% aus, um die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Heute sind dafür Preisschocks von 30 bis 50 Prozent nötig. Warum das so ist, wird durch den folgenden Chart deutlich.


Quelle: www.bea.gov; eigene Recherchen

In den 50er Jahren gaben die US-Haushalte 5% ihres Konsumbudgets für die Versorgung mit Energie aus (Heizung, Mobilität). Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg zu Beginn der 80er Jahre auf 6% verringerte sich der Energiebeitrag bis zum Jahr 1998 auf 2%. Der US-Bürger kam dem Wunschtraum der Menschheit  nach „freier Energie“ sehr nahe. Gegenwärtig steigt der Energiebeitrag am Gesamtbudget und befindet sich inzwischen bei 3%. 

Offensichtlich genügen bei einem Energiebeitrag von 5% kleine Preisschübe, um das Budget des Konsumenten überzustrapazieren. Ist hingegen der Energiebeitrag vernachlässigbar gering, machen sich 10 Prozent mehr oder weniger auf der Tank- oder Stromrechnung kaum bemerkbar.

Der jüngste, 47prozentige Preisschub zwischen Juli und Oktober ist ein anderes Kaliber. Und es ist ein Irrtum zu glauben, dass ein solcher Schub von der Wirtschaft ohne weiteres zu verkraften wäre. Eine Rezession setzt häufig erst dann ein, wenn sich der Ölpreis schon längst wieder auf dem Rückzug befindet. Der hohe Ölpreis braucht Zeit, sich wie ein Wurm durch die Wirtschaft zu „fressen“.

In der gegenwärtigen Situation kommt hinzu, dass sich der Erdgaspreis innerhalb von 2 Monaten verdoppelt hat. Nach dieser Analyse fällt es mir schwer, eine Begründung dafür zu finden, dass es in den nächsten Monaten nicht zu einer Rezession kommt. Und wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht, sind Aktienanlagen in Rezessionen nicht gerade ein Hort der Sicherheit.

Historisch gesehen beginnen Rezessionen zwischen 1 und 8 Monaten nach einem initialen Ölpreisanstieg. Der 47prozentige Zuwachs von Juli bis Oktober 2004 ist unserer Meinung nach groß genug, um als Abkühlungstrigger gelten zu können. Wir gehen davon aus, dass diese Abkühlung irgendwann zwischen November 2004 und Mai 2005 zur Entfaltung gelangt. Dieser Denkansatz wird durch die gegenwärtig fallenden Preise für Basismetalle (z.B. Kupfer) bestätigt.

Wir erwarten, dass die Fed die sich anbahnende Rezession mit allen Mitteln bekämpfen wird. Und dies wird der Auslöser einer galoppierenden Inflation sein, die ab Mitte/Ende 2005 zum Tragen kommen könnte. Die Instabilität der Weltwirtschaft verstärkt sich, und damit auch deren Schwankungen.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest


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Robert Rethfeld
 

 

 

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