Sieben der zehn Rezessionen in den USA seit 1948
wurden durch einen Anstieg des Ölpreises ausgelöst. Das ist keine neue Wahrheit.
Mir geht es vielmehr darum zu zeigen, welche Größenordung Preisimpulse haben
müssen, um sich als Abkühlungstrigger betätigen zu können. Damit soll
letztendlich die Frage geklärt werden, ob der gegenwärtige Ölpreisanstieg
ebenfalls geradewegs in eine Rezession führt.
Die Wirkung des Ölpreises auf die
wirtschaftliche Situation der USA lässt sich dem folgenden Chart entnehmen.
Den sieben blau markierten Rezessionen ging jeweils ein Anstieg des
Ölpreises (grüne Linie) voraus, den drei grau markierten nicht. Andererseits
kann man der grau markierten Rezession von 1982 durchaus unterstellen, dass
auch diese durch den vorhergehenden sechsjährigen Ölpreisanstieg
hervorgerufen wurde.
Die Ölpreis-induzierten
Rezessionen wurden zusätzlich mit einem Pfeil versehen.
Quelle: www.nber.org; eigene Recherchen
Die folgende Tabelle
setzt die Grafik in Daten um. Lesebeispiel: Im Mai 1953 stieg der Ölpreis
abrupt um 10%, was seinen Teil dazu beitrug, dass im Juli 1953 eine
Rezession in den USA begann. Die jüngste Rezession begann im März 2001; ihr
vorausgegangen war ein 33%iger Ölpreisanstieg im Aug./Sept. 2000.
Initialer
Ölpreisanstieg |
Anstieg Öl-preis in % |
Rezessionsdauer |
Höhepunkt des
Ölpreisanstiegs |
Mai 1953 |
10 |
Juli 1953 – Mai 1954 |
Juni 1953 |
Jan. 1957 |
9 |
Aug. 1957 – Apr. 1958 |
Feb. 1957 |
Feb. 1969 |
9 |
Dez. 1969 – Nov. 1970 |
Mär. 1969 |
Juli 1973 |
21 |
Nov. 1973 – Mär. 1975 |
Okt. 1974 |
Apr. 1979 |
14 |
Jan. 1980 – Juli 1980 |
Apr. 1980 |
Juli 1990 |
50 |
Juli 1990 – Mär. 1991 |
Okt. 1990 |
Aug - Sep. 2000 |
33 |
Mär. 2001 – Nov. 2001 |
Nov. 2000 |
Jul.- Okt. 2004 |
47 |
? |
? |
Der Tabelle ist ebenfalls
zu entnehmen, dass eine Rezession zwischen einem und sieben Monate nach
einem initialen Ölpreisanstieg begann.
In den 50er und 60er
Jahren reichten Preisschübe von knapp 10% aus, um die Wirtschaft in eine
Rezession zu stürzen. Heute sind dafür Preisschocks von 30 bis 50 Prozent
nötig. Warum das so ist, wird durch den folgenden Chart deutlich.
Quelle: www.bea.gov; eigene Recherchen
In den 50er Jahren gaben
die US-Haushalte 5% ihres Konsumbudgets für die Versorgung mit Energie aus
(Heizung, Mobilität). Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg zu Beginn der
80er Jahre auf 6% verringerte sich der Energiebeitrag bis zum Jahr 1998 auf
2%. Der US-Bürger kam dem Wunschtraum der Menschheit nach „freier Energie“
sehr nahe. Gegenwärtig steigt der Energiebeitrag am Gesamtbudget und
befindet sich inzwischen bei 3%.
Offensichtlich genügen
bei einem Energiebeitrag von 5% kleine Preisschübe, um das Budget des
Konsumenten überzustrapazieren. Ist hingegen der Energiebeitrag
vernachlässigbar gering, machen sich 10 Prozent mehr oder weniger auf der
Tank- oder Stromrechnung kaum bemerkbar.
Der jüngste, 47prozentige
Preisschub zwischen Juli und Oktober ist ein anderes Kaliber. Und es ist ein
Irrtum zu glauben, dass ein solcher Schub von der Wirtschaft ohne weiteres
zu verkraften wäre. Eine Rezession setzt häufig erst dann ein, wenn sich der
Ölpreis schon längst wieder auf dem Rückzug befindet. Der hohe Ölpreis
braucht Zeit, sich wie ein Wurm durch die Wirtschaft zu „fressen“.
In der gegenwärtigen
Situation kommt hinzu, dass sich der Erdgaspreis innerhalb von 2 Monaten
verdoppelt hat. Nach dieser Analyse fällt es mir schwer, eine Begründung
dafür zu finden, dass es in den nächsten Monaten nicht zu einer Rezession
kommt. Und wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht, sind Aktienanlagen in
Rezessionen nicht gerade ein Hort der Sicherheit.
Historisch gesehen
beginnen Rezessionen zwischen 1 und 8 Monaten nach einem initialen
Ölpreisanstieg. Der 47prozentige Zuwachs von Juli bis Oktober 2004 ist
unserer Meinung nach groß genug, um als Abkühlungstrigger gelten zu können.
Wir gehen davon aus, dass diese Abkühlung irgendwann zwischen November 2004
und Mai 2005 zur Entfaltung gelangt. Dieser Denkansatz wird durch die
gegenwärtig fallenden Preise für Basismetalle (z.B. Kupfer) bestätigt.
Wir erwarten, dass die
Fed die sich anbahnende Rezession mit allen Mitteln bekämpfen wird. Und dies
wird der Auslöser einer galoppierenden Inflation sein, die ab Mitte/Ende
2005 zum Tragen kommen könnte. Die Instabilität der Weltwirtschaft verstärkt
sich, und damit auch deren Schwankungen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest