In der nächsten Woche wird Alan Greenspan – der im Januar 2006 als Fed-Chairman
zurücktreten wird – eine weitere Zinserhöhung verkünden, die voraussichtlich 25
Basispunkte betragen wird. Es wäre die fünfte Erhöhung in diesem Jahr; sie würde
den kurzfristigen Zinssatz („Fed-Funds-Target-Rate“) auf 2,25% festlegen.
Der Zinssatz der 10jährigen US-Staatsanleihen befindet sich aktuell bei 4,16%.
Die Differenz zwischen dem kurz- und langfristigen Zinssatz beträgt somit ab der
kommenden Woche voraussichtlich weniger als 2 Prozentpunkte.
Auf dem folgenden Chart lässt sich erkennen, warum diese Zinsdifferenz in der
Branche als wichtiger Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung
angesehen wird.
Befindet sich die Spanne unterhalb von null, so steigt die Gefahr einer
Rezession rapide. Man spricht in diesem Fall auch von einer „invertierten“
(umgedrehten) Zinskurve. Das bedeutet, dass der Zinssatz der
Fed-Funds-Target-Rate höher ist als derjenige der 10-jährigen Staatsanleihen. In
den letzten 15 Jahren folgte invertierten Zinskurven in zwei von drei Fällen
eine Rezession (1991 und 2001). Im Jahr 1998 reagierte Greenspan auf die
Asienkrise schnell und erfolgreich mit einer Zinssenkung und rettete damit auch
die Börsen.
Ein Kerngeschäft der Geschäftsbanken ist es, sich bei den Zentralbanken
kurzfristiges Geld zu besorgen und es langfristig an ihre Kunden auszuleihen. Je
höher die Spanne zwischen beiden Zinssätzen, desto profitabler das Geschäft.
Falls die Spanne null oder sogar mit einem Minuszeichen behaftet ist, verspüren
Banken wenig Lust, Kredite zu vergeben. Wenn die Banken dies nicht tun, stockt
die Wirtschaft und das hat negative Auswirkungen auf Unternehmensgewinne und
Aktienmärkte.
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Zinskurve in der nächsten Zeit
invertiert? Gegenwärtig scheint sich die Spanne noch komfortabel oberhalb von
Null zu bewegen. Dennoch: Mit einem Wert von unter 2 Basispunkten hat sie sich
seit Mitte des Jahres bereits halbiert.
Hebt die Fed die kurzfristigen Zinsen Anfang Februar um weitere 0,25
Prozent-punkte an – was die Fed Funds Futures signalisieren –, so würde sich die
Differenz bei angenommenem konstanten 10jährigen Zins nochmals verringern. Doch
für eine tatsächlich invertierte Yield-Kurve – also eine Spanne von unter null
Prozentpunkten – müssten die kurzfristigen Zinsen sehr viel deutlicher steigen,
wie der historische Verlauf der beiden Zinssätze auf dem folgenden Chart
verdeutlicht.
In der Regel ist es nicht der fallende Langfristzins, der zu einer invertierten
Zinskurve führt, sondern der „überfallartig“ steigende Kurzfristzins, der den
trägen Langfristzins überholt (siehe Pfeile).
Ein solches Szenario könnte dann eintreten, wenn der Ölpreis im nächsten Jahr an
Fahrt gewinnt und den Preisdruck erhöht. Ein Vergleich mit dem Jahr 1969 drängt
sich auf, als der Ölpreis einen Sprung machte und die Inflation von 2,5 auf 6
Prozent anstieg: Es folgte eine Rezession. Die Fed war damals gezwungen, die
kurzfristigen Zinsen zu erhöhen, um der Inflation die Schärfe zu nehmen.
Noch erscheint die aktuelle Differenz zwischen kurz- und langfristiger Rate
historisch betrachtet zu groß, um einen unmittelbaren Rezessionsalarm aufkommen
zu lassen. Die Entwicklung des Ölpreises wird auch im kommenden Jahr eine der
wichtigsten Rollen auf der Schaubühne der Ökonomie spielen.