Das
lange Oster-Wochenende ist ein guter Zeitpunkt, sich Gedanken über die
Zukunft technologischer Innovationen zu machen. Dieser
Wochenend-Wellenreiter knüpft an denjenigen vom 11. Februar dieses Jahres
mit dem Titel
„Innovationen" an. Damals stellten wir fest, dass die durch eine
Börsen-Manie ausgelöste Innovationskraft ihren Schatten bis weit in den
Kondratieff-Winter hinein erstreckt.
Doch
was genau sind diese Technologien, die sich uns jetzt erschließen? In einem
Interview mit dem Japan-Experten Professor Dr. Helmut Becker (Smart Investor
Magazin 4/2005) ist von der "zweiten digitalen Revolution“ die Rede. Becker
fügte hinzu, dass "Japan auf diesem Feld keinerlei Konkurrenz hätte".
„Interessant“, dachte ich, „ausgerechnet das angeblich jahrelang in
wirtschaftlicher Depression dahinsiechende Japan mit seiner überalterten
Bevölkerung soll konkurrenzloser Technologieführer sein?“ Das galt es näher
zu untersuchen.
Wenn
man an Japan denkt, kommen einem als erstes Computerspiele und Roboter in
den Sinn. In letzter Zeit hat man den Eindruck, dass in Japan versucht wird,
diese beiden Technologien miteinander zu verschmelzen. In einem Interview
mit „Spiegel Online“ wurde ein japanischer Forscher auf einem in Deutschland
stattfindenden VR-Kongress gefragt, was das Ziel seiner Arbeit sei. Er
antwortete, dass zukünftig nicht er persönlich, sondern sein persönlicher
Roboter an diesem Kongress teilnehmen sollte. Er selbst würde in Japan
sitzen und alles so mitbekommen, als ob er selber anwesend wäre.
http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,346895,00.html
Japan
ist mit weitem Abstand führend in der Robotertechnologie. Keine
Gewerkschaften hindern den Automatisierungsprozess. Zudem ist die
Bevölkerung solchen Veränderungen gegenüber positiv eingestellt. Japan ist
ein Inselstaat und setzt nicht wie Deutschland oder die USA auf
Einwanderung, um beispielsweise Arbeiten im Niedriglohn-Sektor durch
ausländische Arbeitskräfte ausführen zu lassen. Zudem leidet Japan unter der
Überalterung der Bevölkerung; beispielsweise könnte der Bedarf nach
Pflege-Robotern enorm sein.
Schaut man sich im Computerspiele-Bereich um, so geht der Trend ebenfalls in
Richtung virtuelle Realität. Ein führender Entwickler wird mit den Worten
zitiert: "Ich habe gerade den Prototyp einer Kamera gesehen, die den Spieler
und seine Bewegungen im Detail dreidimensional erfassen und dem Computer
übermitteln kann. Dann wird es Spiele geben, bei denen der Spieler wirklich
kriechen muss, wenn er kriechen will, und wirklich klettern, wenn er
klettern will. Dann erst wird virtuelle Realität wirklich spannend - wenn
man da auch seinen Körper einsetzen kann." (Der Spiegel 10/2005).
Im
Jahr 1990 schrieb Ray Kurzweil seinen Klassiker
„The Age of Spiritual Machines“. Darin prognostiziert er ultimativ eine
Verschmelzung von Mensch und Maschine. In der industriellen Revolution
hätten uns die Maschinen geholfen, unsere physische Leistungsfähigkeit zu
verbessern. Die jetzige Revolution hilft dagegen unseren mentalen
Fähigkeiten auf die Sprünge. Im Nachhinein muss man Kurzweils Werk zwar als
provokativ, aber doch als vorausschauend bezeichnen.
Zum
Thema "digitale Revolution" ist noch zu ergänzen, das uns heute WLAN und
bald auch UMTS normal erscheinen; fast unbemerkt wurden bzw. werden diese
Technologien zu einem integralen Bestandteil unserer Kommunikation. Und eine
Technologie, die erst vor wenigen Jahren den Fotomarkt revolutionierte -
die Digitalkameras – ist in Japan bereits dem Untergang geweiht, wie die
scharfsinnige Beobachterin Molly Wood von Cnet.com
berichtet.
Doch
die Themen digitale Revolution und virtuelle Realität sind nicht die
einzigen Bereiche, in denen sich Neues tut.
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Einer
der besten Nebeneffekte eines durch Angebot und Nachfrage diktierten
Wirtschaftssystems ist die Erzeugung von Preisdruck. Nimmt das Angebot eines
bestimmten Produktes ab oder erhöht sich die Nachfrage oder geschieht gar
beides, entsteht Preisdruck. Der Mensch versucht sich diesem Preisdruck zu
entziehen, indem er alternative Produkte entwickelt oder auf bereits
entwickelte Produkte ausweicht. Man sieht dies ganz deutlich im Falle des
steigenden Ölpreises. Aus dem Nichts schießen Solar-Aktien in die Höhe und
werden zu Superstars. Und diese Aktien steigen nicht einfach so, sondern
können tatsächlich höhere Gewinnerwartungen erfüllen.
Ein
weiteres Feld mit guten Zukunftsaussichten ist die bereits von Toyota
eingesetzte Hybridtechnologie in Kraftfahrzeugen. Dabei wird der Benzinmotor
mit einem starken Elektromotor verknüpft. Letzterer entlastet den
Benzinmotor und sorgt so für geringen Kraftstoffverbrauch. Neuerdings wird
auch der Dieselmotor in der Hybridtechnologie getestet. Laut Wired Magazine
soll diese Technologie
zuerst in Europa Verbreitung finden, da der Dieselmotor in Europa breit
akzeptiert ist.
Man
möge mir verzeihen, dass ich auf Technologien wie WLAN, WiMAX, Media Center,
portable Spiele-Konsolen und HDTV nicht näher eingegangen bin. Dies alles
und noch viel mehr wird die Lebensgewohnheiten in den Industrieländern
sukzessive verändern.
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Doch
zurück zum Thema Japan. Ich unterstütze mit Nachdruck den eingangs erwähnten
Prof. Dr. Becker in seiner Meinung, dass das ostasiatische Inselreich auf
dem Feld der digitalen IT-Revolution gegenüber anderen Industrieländern in
Führung liegt. Doch es ist mehr; es ist nicht nur die digitale Revolution.
Während sich die Augen auf China, Taiwan, Thailand und Indien richteten und
richten, hat sich Japan – für viele unbemerkt – nach einer langen Zeit
wirtschaftlicher Depression Führungspositionen auch in anderen
Technologiebereichen erarbeitet. Die oben erwähnte Hybidtechnologie wurde
von Toyota erfunden, in der Solartechnik führt Japan vor Deutschland (das
japanische Unternehmen Sharp ist der weltweit größte Hersteller von
Photovoltaik-Zellen); und in der Robotertechnologie kann kein Land Japan
auch nur annähernd das Wasser reichen. Übrigens: Die drei letztgenannten
Technologien sind Schlüsseltechnologien und keine Gimmicks.
Die
technologische Revolution setzt sich fort, als ob es einen Börsencrash nicht
gegeben hätte, und das wird sie – trotz Kondratieff-Winter - auch weiterhin
tun. Und haben Sie ein Auge auf Japan.
Weitere Klicktips:
Intels Vision zum Thema Wi-fi und WiMax
http://www.intel.com/pressroom/archive/speeches/otellini20040225.htm
Top-Themen der Cebit
http://www.cebit.de/8045?x=1
Offizielle Website der
Expo 2005 in Japan
http://www-2.expo2005.or.jp/en/index.html
Interessant ist der
Einblick in den Entwicklungsstand japanischer Roboter; das ist ein echtes
Aha-Erlebnis
http://www-2.expo2005.or.jp/en/robot/index.html
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest