Wie verhält sich das
internationale Kapital? Legt es sein Geld dort an, wo es die höchsten Zinsen
erhält? Nachfolgend gehen wir anhand der Korrelation Europa/ USA der Frage
nach, ob Wechselkurse und Zinsspread zueinander in Beziehung stehen.
Der „Zinsspread“ ist die fachliche Bezeichnung für die Differenz von
Zinssätzen. Beispielsweise beträgt der Leitzins in den USA gegenwärtig 3
Prozent, derjenige der EZB liegt bei 2 Prozent. Demnach beträgt der
Zinspread 1 Prozent zugunsten der USA. Die Währung der USA ist der
US-Dollar, und man sollte nun annehmen, dass sich Verhältnis Euro/Dollar
zugunsten des Dollar verschiebt. Aktuell sieht es so aus, denn der US-Dollar
befindet sich seit Jahresbeginn auf Bergfahrt.
Doch das ist eine Momentaufnahme. Man sollte schon eine längere Zeitreihe
betrachten, bevor man sich ein Urteil über die Wirksamkeit des Zinsspreads
bildet. Nachfolgender Chart zeigt den Verlauf von Zinsspread Europa/USA
sowie Euro/Dollar innerhalb der letzten 25 Jahre. Der Zinsspread ist links
abgetragen, der Euro/Dollar-Kurs rechts.
Der Chart offenbart eine langfristige Entwicklungstendenz: Sowohl der
Zinsspread als auch der Wechselkurs verbessern sich seit Beginn der 80er
Jahre zugunsten Europas bzw. des Euros (dieser Effekt wird auf dem obigen
Chart durch einen grünen Pfeil symbolisiert). D.h., für den Anleger gewinnt
Europa seit zweieinhalb Jahrzehnten an Attraktivität gegenüber den USA.
Daran ändert auch der derzeitige einprozentige Zinsvorteil der USA nichts.
Betrachtet man die Korrelation zwischen Zinsspread und Wechselkurs, so wird
eine Vorläuferfunktion des Zinspreads gegenüber der Wechselkurs ersichtlich.
Dies lässt sich für das Tief im Jahr 1984/85 feststellen, gilt aber auch das
Tief des Jahres 1989. Eine Verzögerung von fast 2 ½ Jahren stellte sich
Anfang der 90er Jahre ein. Während der Zinsspread bereits im Januar 1993
sein Hoch erreichte, erzielte der Euro erst im Mai 1995 sein Hoch
(Euro-Zeitreihe vor 1998 = Deutsche Mark). Ähnliches gilt für die
darauffolgende Bodenbildung: Dem Zinsspreadtief des Jahres 1998 folgte das
Eurotief der Jahre 2000/2001.
Aktuell lässt sich festhalten, dass der Zinsspread Europa/USA im November
2002 sein bisheriges Verlaufshoch erreichte, während der Euro zwei Jahre
später (im Dezember 2004) toppte.
Interpretation: Offensichtlich benötigt die Entwicklung von Zinsspreads
Zeit, um sich auf die Währungskorrelation durchzuschlagen. Dies gilt jedoch
nicht immer; in den 80er Jahren war die Verzögerung nur kurz. Dennoch: Der
Zinsspread läuft der Währung in der Regel voraus.
Die Besonderheit des Charts liegt in der Anzeige der längerfristigen
Marktrichtung. Diese deutet sowohl für den Zinsspread Europa/ USA als auch
für den Euro/Dollar-Kurs nach oben, selbst wenn kurzfristig gegenläufige
Phasen auftreten.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest