Die New York Stock Exchange sammelt von
ihren Mitgliedsfirmen Daten zur Höhe der Depotbeleihungen sowie der frei
verfügbaren Mittel von Kundenkonten und gibt diese monatlich bekannt.
Diese Daten sind repräsentativ, denn im Mitgliederverzeichnis der NYSE
findet sich alles, war Rang und Namen hat: Traditionelle Broker wie Merrill Lnych und Goldman Sachs, aber auch Discount Broker wie Etrade oder
Interactive Brokers.
Wir werden diese Zahlen nachfolgend vorstellen, weisen jedoch darauf hin,
dass sie mit Verzögerung von mindestens einem Monat veröffentlicht werden
und sich daher eher für die mittel- und langfristige Markteinschätzung
eignen.
Ein beleihungsfähiges Konto – in der Fachsprache „Margin Account“ genannt
- kann umso höher beliehen werden, je höher der Wert des dazu gehörenden
Aktiendepots ist. Dieser Kredit kann zum zusätzlichen Kauf von Aktien
genutzt werden. Steigt der Depotwert, gelangt der Kunde in den Genuss
einer Hebelwirkung, d.h. der Gesamtwert seines Kontos steigt
überproportional. Der umgekehrte Fall gilt allerdings genauso.
Der folgende Chart macht deutlich, dass die Beleihung von Brokerkonten in
den 90er Jahren stetig zunahm, der wirkliche Wahnsinn jedoch erst im
September 1999 begann, als der addierte Passivsaldo in den
beleihungsfähigen Konten bis Februar 2000 um 55 Prozent – von 180 auf 280
Mrd. Dollar - zunahm.
Anschließend ging die Verschuldung fast genauso schnell zurück, wie sie
gekommen war. Fairerweise muss man sagen, dass in den 90er Jahren nicht
nur die Schulden, sondern auch die andere Seite – die Guthaben – stiegen.
Schulden und Guthaben werden auf dem nächsten Bild gegenüber gestellt.
Es ist gut zu erkennen, dass sich im Frühjahr 2001 ein Richtungswechsel
vollzog: Die aggregierten Guthaben (grüne Linie) aller Konten überstiegen
die aggregierten Schulden (rote Linie). Noch deutlicher sieht man das auf
dem nächsten Chart, wo die Differenz zwischen Guthaben und Schulden mit
dem blauen Linienchart abgetragen ist.
Man erkennt, dass die Risikofreudigkeit der Brokerkunden in den Jahren
2001, 2002, 2003 und 2004 deutlich eingeschränkt war. In der Summe
scheuten die Anleger das Risiko, ihr Konto für Aktienkäufe zu überziehen,
was sie zum Ende der 90er Jahre noch lustvoll taten.
Setzt man eine Katze auf eine heiße Herdplatte, wird sie diesen Ort fortan
meiden, selbst wenn sich die Platte längst abgekühlt hat. Seit 2005
umschnurrt die Katze die Herdplatte wieder, ist aber noch nicht bereit,
sie mehr als am Rand zu berühren. Doch die Lockrufe der Medien beginnen
wieder zu schallen, und es werden große Belohnungen versprochen. Focus
Money verspricht auf der aktuellen Titelseite „100 Prozent“. Ob die Katze
sich ein zweites Mal verbrennen wird? Das ist anzunehmen, doch vorher
gibt’s noch das versprochene Leckerli.
Robert Rethfeld
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