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Warum die US-Inflation so niedrig ist
Der Ölpreis hat sich in den vergangenen 1 ½ Jahren von 35 auf 70 Dollar
verdoppelt. Erdgas hat ebenfalls ein Allzeithoch erreicht, und auch das
Inflationsbarometer Kupfer befindet sich in nie gekannten Höhen. Warum ist
die Inflation in den USA nicht schon längst auf Raten weit jenseits der
5%-Marke gestiegen, wie es während der beiden Ölpreisschocks der 70er
Jahre der Fall war? Der folgende Chart macht das Auseinanderdriften von
Rohstoffpreisen (ausgedrückt durch den CRB-Index) und Inflationsrate
deutlich.
Häufig hört man als erste Antwort auf diese Diskrepanz den Vorwurf der
Manipulation. Der Eingriff der US-Administration in die Höhe der
Inflationsrate mit Hilfe der hedonistischen Preismessung ist durchaus
messbar. Ohne diese Art der Preisermittlung dürfte die Inflationsrate -
nach früheren Berechnungen von Bill Gross (www.pimco.com)
- um einen Prozentpunkt höher liegen.
Doch reicht diese Erklärung angesichts derart gestiegener Energiepreise
aus? Es müssen noch andere Gründe für die zahme Inflationsentwicklung
vorhanden sein. Einen Faktor glauben wir identifiziert zu haben: Die
höchst unterschiedliche Preisentwicklung einzelner Rohstoffarten.
Interessant wird es, wenn man den CRB-Index in seine beiden
Hauptbestandteile zerlegt, und zwar einerseits in Bodenschätze (Energie,
Edelmetalle, Industriemetalle) und andererseits in nachwachsende Rohstoffe
(Mais, Weizen, Sojabohnen, Magerschwein, Lebendrind, Kaffee, Kakao,
Zucker, Baumwolle und Orangensaft). Die Verteilung im CRB-Index ist
ungefähr pari: Die Bodenschätze haben einen Anteil von 47%, die
nachwachsenden Rohstoffe einen Anteil von 53%.
Anmerkung: Aus Gründen der historischen Vergleichbarkeit beziehen wir uns
auf den Original-CRB-Index mit dem Kürzel („CI“). Seit Sommer ist ein
weiterer CRB-Index („CR“) in Umlauf, der allerdings keine historische
Vergangenheit hat.
Betrachtet man beide Komponenten auf einem Chart, so wird deutlich, dass
sich nachwachsende Rohstoffe und Bodenschätze seit 2004 entgegengesetzt
entwickeln.
Dem Anstieg der Bodenschätze seit 2004 steht ein Preisverfall bei
nachwachsenden Rohstoffen entgegen. Bei inflationsbereinigter Betrachtung
(hier nicht darstellt) dürften sich die Preise für nachwachsende Rohstoffe
nahe einem historischen Tief befinden.
Nachwachsende Rohstoffe nehmen großen Einfluss auf die
Lebenshaltungskosten, insbesondere was die Preisgestaltung bei Gütern des
täglichen Bedarfs angeht. Und diese sind vergleichsweise preiswert. Unsere
Einschätzung: Inflation in größerem Ausmaß entsteht nicht, wenn nur die
Energie- oder Industriemetallpreise steigen. Und auch nicht, wenn
lediglich die Lebensmittelpreise zulegen. Nur wenn beides geschieht,
enthält die allgemeine Preisentwicklung die für eine größere Inflation
notwendige Dynamik.
Wie verhielten sich Bodenschätze und nachwachsende Rohstoffe während der
beiden Inflationswellen der 70er Jahre? Der folgende Chart macht deutlich,
dass die „große Zeit“ der nachwachsenden Rohstoffe erst begann, als die
Bodenschätze bereits ein erstes Topp geformt hatten.
Die Monate November 1974 und April 1980 bezeichnen die Höhepunkte der
beiden Inflationswellen der 70er Jahre. Das bedeutet, dass die erste
Inflationswelle ihr Topp gemeinsam mit demjenigen der nachwachsenden
Rohstoffe erzielte. Der Höhepunkt der zweiten Inflationswelle im Jahr 1980
wurde - zeitlich gesehen - zwischen den beiden Topps für Bodenschätze und
nachwachsende Rohstoffe notiert.
Fazit: Die US-Inflationrate ist u.a. deshalb gering, weil der Preisverfall
für nachwachsende Rohstoffe wie Weizen, Lebendrind oder Kaffee noch nicht
gestoppt ist. Erst wenn die nachwachsenden Rohstoffe in ihrer
Preisentwicklung dem Beispiel der 70er Jahre folgen, dürfte eine
Inflationswelle so richtig ins Rollen kommen.Robert Rethfeld
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Robert Rethfeld
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