In loser Folge vergleichen wir zeithistorische Phänomene mit den
jeweiligen Situationen an den Aktienmärkten. Zuletzt schrieben wir am
19. August 2005 über Börsenboomzeiten und der Jagd nach dem
Wolkenkratzer-Höhenweltrekord.
In dieser Wochenendkolumne nähern wir uns dem Thema Streiks.
Arbeitsniederlegungen gab es schon im alten Ägypten. Mit der beginnenden
Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts und der zunehmenden
Beschäftigung von Menschen in Fabriken gewannen die Streiks in der Neuzeit
an Bedeutung.
Streiks im öffentlichen Dienst sind diejenigen, die eine Bevölkerung
besonders zu spüren bekommt. Beispielsweise haben Mitarbeiter von
Müllabfuhren oder Verkehrsbetrieben (Bahn, Flugverkehr) die Möglichkeit,
weite Teile der Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit negativ zu
beeinträchtigen. Man denke nur an den Streik auf dem Flughafen London
Heathrow im vergangenen Jahr.
Gerade der öffentliche Nahverkehr ist anfällig für Arbeitskämpfe. Dennoch
sind Streiks nicht häufig. Da muss schon einiges Zusammenkommen, wenn die
in den Verhandlungen üblichen Streikandrohungen tatsächlich zu einem
Streik führen. Einer der größten Streiks in der Geschichte des
öffentlichen Nahverkehrs fand vor etwa einem Monat in New York statt. Die
Bediensteten der Metropolitan Transport Authority (MTA) legten für drei
Tage das gesamte U-Bahn- und Bus-Netz in der Weltmetropole lahm. Kurz vor
Weihnachten 2005 einigte man sich auf einen neuen Tarifvertrag. Es war der
dritte Streik gegen die New Yorker Personenbeförderungsgesellschaft. Der
erste fand im Januar 1966, der zweite im April 1980 statt. In beiden
Fällen wurde der Verkehr 11 bzw. 12 Tage lang lahm gelegt.
Die Besonderheit der drei New Yorker Arbeitskämpfe, die jedes Mal die
Lebensroutine von Millionen von Menschen beeinträchtigten, sind deren
Zeitpunkte. Im April 1980 ging ein lang andauernder Bärenmarkt dem Ende
entgegen, aber nur die wenigsten Analysten sahen dies. Geld verdient wurde
an der Wallstreet kaum noch, die Börsenmagazine beschworen den „Tod der
Aktien“. Die Inflationsrate befand sich bei 15 Prozent, die Rohstoffe für
Öl und Gold waren gerade dabei, ihren Zenit zu überschreiten. Der Dow
Jones Index befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einem markanten Tief und
zog dann an; 1982 begann der neue Bullenmarkt, der sich bis ins Jahr 2000
hinzog.
1980 einigten sich Gewerkschaften und die New Yorker Transport Authority
auf eine Gehaltserhöhung von 9 Prozent im ersten und 8 Prozent im zweiten
Jahr.
Im Januar 1966 war die Ausgangssituation für den Streik eine andere. Der
nachfolgende Chart zeigt, dass der Streik wiederum zu einem ganz markanten
Zeitpunkt stattfand: Der Nachkriegsbullenmarkt – und dort insbesondere die
Phase seit 1962 - erreichte just in diesem Moment den Höhepunkt. An der
Wall-Street wurden die fetten Jahre gefeiert, Investmentfonds erlebten
einen Boom. Die US-Inflationsrate lag bei 2 Prozent und die
US-Arbeitslosenquote bei 4 Prozent. Es ist kein Wunder, dass es tief im
New Yorker Untergrund grummelte und eine Verteilungsdiskussion in Gang
kam, die sich zugunsten der Streikenden auflöste (3,5 Prozent mehr
Gehalt).
Fast genau 40 Jahre nach dem ersten Streik (Ende Dezember 2005) fand
Streik Nr. 3 der New Yorker ÖPNV-Bediensteten statt. Die Parallelen zu
1966 sind durchaus interessant: Die Rallybewegung befindet sich im vierten
Jahr, an der Wallstreet werden die üppigsten Boni seit Jahren ausgezahlt,
die offizielle Inflationsrate befindet sich bei 3,5 Prozent und die
Arbeitslosenquote mit 4,9 Prozent auf sehr niedrigem Niveau. Das sind
Bedingungen, die denjenigen des Jahres 1966 ähnlich sind.
Zur Erinnerung: Die beiden bisherigen Streiks fanden an markanten, auf
Jahre hinaus bedeutsamen Wendepunkten an den Aktienmärkten statt. Das mag
Zufall sein, aber es ist wohl eher so, dass die gesellschaftlichen
Bedingungen, die zu einem Streik bei der New Yorker ÖPNV-Bediensteten im
Jahre 1966 führten, durchaus mit denjenigen von heute vergleichbar sind
(Stichwort Neiddebatte). Hinzu kommt, dass das Jahr 1966 wie auch 2006 ein
6er-Jahr und ein Zwischenwahljahr war und damit auch für unseren
Jahresausblick eine wichtige Bedeutung hatte. Auch war das Jahr 1965 das
schwächste 5er-Jahr der letzten 120 Jahre – mit Ausnahme des Jahres 2005.
Wir nehmen an, dass sich die Parallelen zwischen den 60er und 00er Jahren
weiter fortsetzen werden.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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Knapp 100 Seiten, mehr als 100 Abbildungen: unsere bisher umfangreichste
Jahresprognose ist erschienen. Als Sonderthema haben wir uns in diesem
Jahr für das Thema „Inflation“ entschieden. Wir versuchen die Treiber der
Inflation zu identifizieren und nennen Frühwarnindikatoren für einen
Inflationshöhepunkt. Wir betrachten neben dem Aktienmarkt die Rohstoffe
(inklusive Gold und Kupfer) sowie die Anleihen und die Währungen, weil
diese Märkte nicht unabhängig voneinander analysiert werden können. Nähere
Informationen zu Bezug, Inhalten und Abbildungsverzeichnis unter
http://www.wellenreiter-invest.de/ausblick2006.html
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Endspurt zum VTAD-Award: 1000 Euro sind ausgelobt
Die Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) vergibt erstmals
einen Preis für die beste Technische Analyse. Die VTAD möchte mit dieser
Auslobung Kreativität und analytisches Geschick im deutschsprachigen Raum
auf diesem Gebiet fördern. Der so genannte „VTAD-Award“ wird für eine
Leistung vergeben, die neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Technischen
Analyse vermittelt oder etablierte Techniken entscheidend weiterführt.
Praxisbezogene Analysen, die auf einer soliden Recherche beruhen und mit
einem Text versehen sind, der durch die Klarheit der Argumentation
besticht, werden von der Jury bevorzugt.
Die Jury besteht aus folgenden Personen:
- Dr. Gregor Bauer (1. Vorsitzender der VTAD)
- Klaus Deppermann (BHF-Bank)
- Ralf Flierl (Chefredakteur Smart Investor)
- Dr. Michael Lorenz (Regionalmanager Chemnitz)
- Marcel Mussler (Mussler-Briefe)
- Robert Rethfeld (Wellenreiter-Invest; Jury-Vorsitz; Non-Voting)
Bewerben können sich all diejenigen, die an dem Thema „Technische Analyse“
interessiert sind. Die Preisvergabe erfolgt anlässlich der Vorstellung des
VTAD-Frühjahrsgutachtens im Frühjahr 2006. Der Sieger erhält 1000 Euro.
Co-Sponsor ist das Smart Investor-Magazin.
Die Richtlinien für die Vergabe können hier abgerufen werden. Zusätzliche
Fragen beantwortet der Jury-Vorsitzende Robert Rethfeld unter
rrethfeld@wellenreiter-invest.de
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