09. September 2006
Welches Rezessionssignal gilt als zuverlässig?
Nachdem wir uns im
Wochenend-Wellenreiter vom 26. August mit der Reaktion der Börsen auf
eine Rezession befasst haben, sind die nachfolgenden Zeilen der Bedeutung
konkreter Rezessionssignale gewidmet.
Doch zunächst einige Sätze zum Zusammenhang zwischen Zinsätzen und den
Preisen für Anleihen. Der Preis eines Verschuldungsinstruments bewegt sich
invers zu seinem Zinssatz. Der Grund für diese Beziehung kann anhand des
folgenden Beispiels demonstriert werden. Angenommen, man kauft ein
festverzinsliches Wertpapier in Form einer US-Staatsanleihe zu einem
Zinssatz von 4 Prozent. Einige Monate später sind die Zinsen auf 5 Prozent
gestiegen. Logischerweise würde man jetzt die Anleihe gern verkaufen und
eine Anleihe mit einem Zinssatz von 5 Prozent erwerben. Unglücklicherweise
haben alle Investoren den gleichen Gedanken. Die einzige Möglichkeit,
einen Käufer für die Anleihe zu finden, ist der Verkauf der Anleihe mit
einem Preisabschlag („man spricht von fallenden Bonds“). So wird der
Käufer für die Zinsdifferenz entschädigt. Doch die Preise für Anleihen
werden nicht nur durch steigende Zinsen, sondern auch durch die Laufzeit
gedrückt. Dieser Aspekt ergibt sich dadurch, dass die Zinsdifferenz (in
diesem Fall 1 Prozent) wie ein Hebel wirkt. Je länger die Laufzeit, desto
größer der Hebel und desto stärker fällt der Preis für die Anleihe.
Umgekehrt gilt dies genauso. Fallen die Zinsen von 4 auf 3 Prozent, würden
die zu 4 Prozent erworbene Anleihe im Wert steigen („steigende Bonds“).
Ein solcher Trend ergibt sich aktuell.
Lassen sie uns einen Blick auf die aktuelle US-Zinsstruktur werfen.
Erwartet der Markt zukünftig fallende Zinsen, so investieren die
Marktteilnehmer bevorzugt in längerfristige Instrumente. Sie sehen darin
ihre letzte Chance, sich die aktuell noch hohen Zinserträge auf lange
Sicht zu sichern. Dieses Verhalten drückt die Zinssätze am langen Ende und
folgerichtig steigen die Bonds. Werden gleichzeitig die Zinssätze am
kurzen Ende durch die Zentralbanken angehoben, weil z.B. dort
Inflationsängste überwiegen, entsteht – wie aktuell - eine inverse Zinsstrukturkurve.
Diese existiert mit kurzen Unterbrechungen seit acht Monaten und gilt
als eine erste Warnung vor einer bevorstehenden Rezession. Die Inversität
hat sich in den letzten Wochen beschleunigt, wie der obige Chart zeigt.
Eine Zinskurve ist dann invers zu nennen, wenn sich die Zinssätze für
kurzfristige US-Anleihen (z.B. Laufzeit zwei Jahre 4,80%) über denen der
langfristigen Anleihen (z.B. Laufzeit zehn Jahre 4,77%) befindet. Die
Zinsdifferenz zum aktuelle US-Leitzins von 5,25 Prozent ist gegenüber
allen Laufzeiten so hoch wie selten zuvor.
Doch welche dieser Zinsdifferenzen sagt eine Rezession zuverlässig
voraus? Kommt eine Rezession beispielsweise immer dann, wenn sich der
US-Leitzins (Fed Funds Rate) über dem Zinssatz für 10-jährige Anleihen
befindet? Der nächste Chart zeigt, dass ein solcher Vorgang zwar die
letzten beiden Rezessionen von 1990/91 und 2001 (graue Schattierungen)
deutlich vorhersagte, aber auch ein Fehlsignal lieferte: Ende 1998 kam es
nicht zu einer Rezession, obwohl die oben beschriebenen Voraussetzungen
gegeben waren (roter Pfeil).
Eine weitere gängige „Rezessions-Meßmethode“ ist die Differenz zwischen
dem Zinssatz für zweijährige und zehnjährige US-Anleihen. Wie man auf dem
nächsten Chart erkennt, lieferte diese seit 1985 kein Fehlsignal und ist
auch mit Blick auf die Zeit davor (hier nicht im Bild) ein recht
zuverlässiger Indikator.
Wer übrigens den Zeitraum von 1994/95 – sanfte Landung - mit der
heutigen Zeit vergleicht, muss sich bewusst sein, dass es damals – im
Gegensatz zu heute – kein Rezessionssignal gab. Das aktuelle
Rezessionssignal ist jedoch noch sehr dünn. Die Zinsspanne ist nur ganz
leicht invers und schwankt seit Jahresbeginn um die Null-Linie. Die
Eindeutigkeit der Interpretation ist deshalb noch nicht gegeben.
Ein weiterer
Rezessionsindikator – gemäß einer
Untersuchung der US-Federal Reserve Bank der zuverlässigste der hier
vorgestellten Indikatoren - ist die Zinsdifferenz zwischen den
3-Monats-US-T-Bills (Anleihen mit dreimonatiger Laufzeit) und den
10-jährigen US-Anleihen. Hier zeigt sich der Verlauf wie folgt:
Dieser Chart lässt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA
deutlich sichtbar erscheinen. Nach Angaben der FED betrug der Zinssatz für
die 3-Monats-T-Bills im August 5,09%, während sie für die 10-jährigen
Anleihen bei 4,88% notierte. Das ist eine Differenz von 21 Basispunkten.
In der Spitze (auf Tagesbasis) betrug diese Differenz 29 Basispunkte. Die
maximale Differenz vor der Rezession von 1990/91 betrug 15 Basispunkte,
also deutlich weniger. Vor der Rezession von 2001 betrug die maximale
Differenz 64 Basispunkte.
Bedenkt man diese Zahlen, so lassen sich daraus die folgenden
Erkenntnisse ableiten:
1. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden Monaten zu einer
Rezession in den USA kommt, hat sich im August deutlich erhöht.
2. Vom Ausmaß her scheint die kommende Rezession diejenige von 1990/91
übertreffen zu wollen, aber die Schärfe der Rezession von 2001 mit den
entsprechenden Folgen für die Aktienmärkte wird bisher nicht signalisiert.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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