Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

28. Oktober 2006
100 Prozent auf sanfte Landung

Die steigenden Kurse an den Aktienmärkten vermitteln den Eindruck, dass im „Spielcasino Börse“ eine sanfte Landung zu 100 Prozent diskontiert wird. Man folgt dem Trend auch in dem Bewusstsein, dass der Aktienmarkt immer Recht hat. Das hat er in der Tat. Doch kann der Aktienmarkt noch mehr leisten? Kann er darüber hinaus die Zukunft der kommenden Monate erkennen? Weiß er schon jetzt, ob es zu einer sanften oder harten Landung in den USA kommen wird? Viele sagen, der Aktienmarkt blickt mindestens sechs Monate, wenn nicht sogar ein Jahr in die Zukunft.  

Was das Erkennen von harten Landungen angeht, so lässt sich mit diesem Mythos statistisch aufräumen: Wir haben alle markanten Topps untersucht, die sich jeweils kurz vor den Rezessionen der letzten 100 Jahre an den Aktienmärkten gebildet haben. Danach beträgt der durchschnittliche Vorlauf des Aktienmarktes 2,5 Monate. Interessanterweise gaben die Aktienmärkte vor den letzten beiden Rezessionen (1990/91 und 2001) keine Warnung: 1990 toppte der Aktienmarkt genau zu Beginn der Rezession; 2001 toppte der Aktienmarkt zwei Monate nach dem Beginn der Rezession.

Eine andere spannende Frage ist die, in welchen Jahren Rezessionen bevorzugt beginnen. Als Sieger gehen die 3er-Jahre hervor, in denen in den letzten 150 Jahren sechs Rezessionen begannen. Es folgen die 0er und die 7er-Jahre. In 6er-Jahren wurde bisher nur eine Rezession gezählt, und zwar die von 1926. Diese war kurz und fast schmerzlos.

Rezessionen in 7er-Jahren treten demnach verhältnismäßig häufig auf. Sie dauern im Schnitt etwas mehr als ein Jahr, was für eine Rezession im historischen Vergleich ein unterdurchschnittlicher Wert ist.

Nachfolgend ein Blick auf den Durchschnittsverlauf der Aktienmärkte in 7er-Rezessionen. Danach geht dem Dow Jones Index bereits sechs Monate vor Rezessionsbeginn die Kraft aus (blauer Pfeil), und drei Monate vor Rezessionsbeginn beginnt die Schwächephase (schwarzer Pfeil).

Rezessionen in 7er Jahren beginnen bevorzugt im Frühjahr (März bis Juni; 4 von 5 Rezessionen). Würde man einen typischen Rezessionsbeginn annehmen - sagen wir März 2007 -, würde die Abwärtsbewegung um den Jahreswechsel 06/07 beginnen.

Doch hat eine harte Landung überhaupt eine Chance auf Verwirklichung? Aus unserer Sicht schließt sich die Indizienkette nach und nach. Neben der immer inverser werdenden Zinsstrukturkurve und den schlechten Zahlen von der Hausbaufront deuten das schwache GDP-Wachstum sowie die wenig ermutigenden Zahlen von der Philly Fed und Richmond Fed auf eine harte Landung hin.

Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Rezession nimmt seit August kontinuierlich zu. Gestern erreichte sie nach dem Modell des Fed-Researchers Jonathan Wright erstmals die 50-Prozent-Marke.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit für eine harte Landung in den USA steigt seit Ende 2005 kontinuierlich an. Aktienmärkte sind nicht auf das Erkennen von Rezessionen spezialisiert. Wenn sie kommt, werden die Aktienmärkte davon meist überrumpelt. Im Umkehrschluss heißt dies auch, dass sich Aktienmärkte bis kurz vor Rezessionsbeginn aufwärts bewegen können. Und noch eins: Die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung steigt in der Regel so lange, bis die Fed den Leitzins senkt.

Das „Spielcasino Börse“ spielt ein riskantes Spiel, aber das ist das Wesen der Börse. Der Schwenk des Aktienmarktes vom Einpreisen einer weichen Landung bis zum vollständigen Diskontieren einer harten Landung dürfte mit einigen schmerzhaften Einschnitten verbunden sein.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
 

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Robert Rethfeld
 

 

 

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