04. November 2006
US-Wahlen: Schnee von gestern
Gewinnen die Demokraten den Senat? Behalten die Republikaner das
Repräsentanten-haus? Wie immer vor US-Wahlen verbreiten sich Ängste und
Unsicherheiten an den Märkten. Dabei dürften die großen Bewegungen schon
gelaufen sein. Und die Positionierung für die Zeit nach der Wahl hat
längst eingesetzt.
Der US-Präsident und seine Mitstreiter haben eine hohe Affinität zur
Erdölindustrie und sind durch ihre Kontakte sicherlich zu temporären
Ölpreisbeeinflussungen in der Lage. Saudi-Arabien hat sich erst spät zu
einer Verknappung der Ölproduktion bereit erklärt. Der fallende Ölpreis
hat sich positiv auf das Verbrauchervertrauen ausgewirkt und dazu
beigetragen, dass die Geschichte von der angeblichen Erholung des
US-Konsum-Marktes (auch US-Hausbaumarkt) gesponnen werden konnte. Nur
sieht es so aus, als sollte dies den Republikanern nichts nutzen: Die
Umfragewerte sprechen derzeit gegen sie.
Wer auch immer die Wahlen gewinnt: Die OPEC muss schon aus Eigeninteresse
an einer Stabilisierung des Ölpreises interessiert sein. Der
Saudi-Arabische Aktienmarkt ist am Freitag auf den tiefsten Stand des
Jahres gefallen. Er liegt in diesem Jahr bereits 44 Prozent hinten. Das
Risiko einer deutlichen Abschwächung der Konjunktur und damit auch des
Platzens des Baubooms im Nahen Osten steigt. Die Saudis werden nervös. Ich
kann mir gut vorstellen, wie die Telefondrähte zwischen Riad und
Washington heiß laufen. Die Petrodollars werden dringend zuhause
gebraucht! Schlussfolgerung: Egal wer die Wahlen in den USA gewinnt, der
Ölpreis kann nicht mehr lange auf diesem tiefen Niveau verharren, ohne die
Ölexportländer in Bedrängnis zu bringen. Wir gehen davon aus, dass dem
Ölpreis in den Wochen nach der Wahl ein moderates Comeback gelingen wird.
Die US-Aktienmärkte sind im Vorfeld der US-Wahlen hervorragend gelaufen.
Die Fed hält vor Wahlen traditionell still. Sie dürfte sich erst im neuen
Jahr ernsthaft mit dem Thema Leitzinsveränderungen beschäftigen. Wie es
derzeit aussieht, dürfte der nächste Schritt aufgrund der abschwächenden
Konjunktur eine Leitzinssenkung sein. Eine solche kommt nicht, wenn die
Aktienmärkte steigen, sondern wenn diese in die Bredouille geraten. Aus
Intermarketsicht wäre ein steigender Ölpreis Gift für die Aktienmärkte.
Das gleiche gilt für anziehende Zinsen.
In den letzten Wochen ließ sich bei den langfristigen Zinsen kein klarer
Trend feststellen. Es ging im Affentempo rauf und runter. Die
Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten am Freitag brachte einen wichtigen
Wendepunkt. Charttechnisch könnte sich eine “W“-Formation entwickeln, die
weiter steigende Zinsen erwarten ließe.
Unser Druck-Indikator – er misst den Intermarket-Druck auf die
Aktienmärkte - befindet sich aktuell im neutralen Bereich, würde aber bei
steigenden Zinsen und einem steigendem Ölpreis Druck aufbauen.
Die Positionierung der Händler für die US-Wahlen hat begonnen. Wie ein
Jockey versuchen sich die Fonds und Hedge Fonds die beste Ausgangsposition
zu sichern. Der Freitag mit seinen überraschenden Wendungen im Ölpreis
(steigend) und bei den Zinsen (steigend) dürfte den Ton für die weiteren
Wochen gesetzt haben. Für die Aktienmärkte wäre dies eine unbefriedigende
Situation.
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hinter die Märkte und nutzen dafür unsere exklusiven Charts.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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