Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

10. Februar 2007
Ein chinesischer Rentner als "Schmetterling"

Am Montag, den 6. März 2000 dachte sich der 61jährige deutsche Rentner Herbert Schulz, dass sich jetzt am Aktienmarkt eine gute Gelegenheit zum Kauf bieten würde. Schulz hatte lange gezögert. Einige seiner Kegelbrüder waren bereits in der T-Aktie investiert und hatten am Wochenende mit ihren Gewinnen geprahlt. Am Freitag war die T-Aktie über die Marke von 100 Euro gestiegen. Schultz wollte dabei sein und orderte am Montagmorgen bei seiner Bank 20 T-Aktien. In dem Moment, in dem seine Bank die Order aufgab, drückte Trader Joe Smith in London auf die Verkaufstaste. Er hatte die Deutsche Telekom am Freitag in New York bereits schwächeln sehen und entschieden, ein größeres Paket zu verkaufen. Ein kleiner Teil des Aktienpakets von Joe Smith ging in die Hände von Herbert Schulz über. Herbert Schultz kaufte an diesem Tag das Allzeithoch.

Am Mittwoch, den 3. Januar 2007 kaufte der 63jährige chinesische Rentner namens Du Shuzhan 40 Aktien von „China Life“, dem größten chinesischen Lebensversicherer. „Alle meine Freunde begannen im vergangenen Jahr, in den Aktienmarkt zu investieren“, sagte Du Shuzhan. „Meine Frau und ich entschieden uns, dem Trend zu folgen.“ Er gibt zu, dass er nicht weiß, warum er welche Aktie kaufen soll. „Ich weiß nicht viel über Aktien. Aber mit all dem vielen Geld im Markt kann ich nicht erkennen, wie die Märkte fallen könnten“, so Du Shuzhan. China Life (NYSE:LFC) verlor seit dem Allzeithoch am 3. Januar mehr 20 Prozent.

Datum und Aktienkurse sind nicht fiktiv, die handelnden Personen und deren Käufe bzw. Verkäufe hingegen schon. Den Rentner Du Shuzhan gibt es wirklich, er wird in dem folgenden Artikel zitiert: http://www.time.com/time/printout/0,8816,1584789,00.html 

Wird der chinesische Rentner namens Du Shuzhan im Nachhinein als der Schmetterling gelten, der einen weltweiten Abverkauf der Aktienmärkte ausgelöst hat? So wie laut Chaostheorie der Schmetterling im brasilianischen Urwald in Europa ein Orkantief entstehen lässt? 

Offensichtlich ist das Verhalten des chinesischen Rentners ein Grund, warum das smarte Geld in den USA sich aktuell so stark absichert wie zuletzt im Jahr 2000. Zu erkennen ist dies an der Put-Call-Ratio des S&P 100. Der 10-Tages-Durchschnitt der OEX-PCR befindet sich mit einem Wert von 2,00 auf dem höchsten Niveau seit Januar 2000 (siehe Chart).

Im S&P 100 (OEX) tummelt sich das große Geld, und das nicht ohne Grund: Der S&P 100 ist aufgrund der hohen Marktkapitalisierung der im Index enthaltenen Aktien äußerst liquide. Größere Verschiebungen können hier leichter kaschiert werden als z.B. im Russell 2000 oder anderen Small-Cap-Indizes. Werden die Absicherungen im S&P 100 hoch-gefahren, ist dies in der Regel kein Kontraindikator. Wenn das große Geld nicht mehr kauft oder überwiegend auf der Verkaufsseite steht, können Herbert Schulz und Du Shuzhan so viel Aktien kaufen wie sie möchten: Gegen das große Geld haben sie keine Chance.

Während in Europa und in den USA alle Welt auf die Euphorisierung der Massen wartet, ist sie in China schon längst Realität geworden. Doch genauso wie es im Jahr 2000 gedauert hat, bis die Kurse deutlich zu fallen begannen (der Nasdaq 100 überwand im August 2000 nochmals die 4.000-Punkte-Marke und der S&P 500 fast noch mal ein neues Allzeithoch), dürfte sich auch diesmal ein Top-Bildung zeitlich hinziehen.

Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, dass die Bären nach einer der längsten Durst-strecken aller Zeiten (seit Juli 2006 keine 2-Prozent-Korrektur mehr) endlich auf eine Tränke gestoßen sind, die ihnen für die nächsten Wochen genügend Wasser zur Verfügung stellen wird.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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Robert Rethfeld
 

 

 

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