17. März 2007
Versagen die Marktstruktur-Indikatoren?
Die Kurse an den Aktienmärkten fallen weltweit, obwohl wichtige
Indikatoren in eine Situation geraten sind, die historisch betrachtet
immer einen Boden an den Aktienmärkten vorbereitet haben. Oder haben wir es derzeit mit einer Situation zu tun, die
allen historischen Mustern widerspricht? Man müsste dann von einem
GENERALVERSAGEN der Marktstruktur-Indikatoren sprechen.
Die folgenden Auffälligkeiten sprechen für sich:
Die Put-Call-Ratio endete bis einschließlich Freitag an 18 Handelstagen
hintereinander oberhalb von eins. Die Serie begann am Tag nach dem Top im
Dow Jones Index (20.02.). Ein solches Verhalten der Put-Call-Ratio ist ein
absolutes Novum. Am 27.02. wurde mit einer Put-Call-Ratio von 1,70 der
höchste Wert zielt, der jemals erreicht wurde. Die Put-Call-Ratio ist
üblicherweise ein Kontra-Indikator, der in diesem Fall die absolute Angst
der Anleger widerspiegelt. Normalerweise folgen höhere Kurse. Versagt die
Put-Call-Ratio zum ersten Mal seit uns die Daten vorliegen (seit
1995) ihren Dienst?
Die Advance/Decline-Linie („AD-Linie“) der NYSE hat sich in den letzten 50
Jahren als ein Maßstab der inneren Stärke des breiten Marktes bewährt. Die
AD-Linie erhält man, wenn man täglich die Differenz zwischen der Zahl der
steigenden und der Zahl der fallenden Aktien misst und auf den
Vortageswert aufaddiert.
Die goldene Regel lautet: In steigenden (bullischen) Märkten zeigt auch
die AD-Linie Stärke. In Topping-Situationen markiert sie häufig negative
Divergenzen. Das wohl berühmteste Beispiel stellt der Crash von 1987 dar.
Damals markierte die AD-Linie bereits im März Ihr Jahreshoch, während der
S&P 500 erst im August austoppte. Hier war deutlich zu erkennen, dass die
Stärke des breiten Marktes nicht mehr gegeben war.
Das gleiche Spiel fand in den Jahren 1998 und 2000 statt. Auch damals
brach die AD-Linie vorzeitig weg. 1998 toppte die AD-Linie am 3. April,
2000 bereits am 10. Januar. Historisch betrachtet hat dieser Indikator in
den vergangenen 50 Jahren nur einmal versagt: Das war im ersten Halbjahr
Jahr 1977, als die AD-Linie anstieg, der Dow Jones sich jedoch abwärts
bewegte. In allen anderen Situationen zeigte die AD-Linie ein mittel- oder
langfristiges Top durch eine negative Divergenz an.
Jetzt der Blick auf die heutige Situation: Vor dem Top am 20. Februar gab
es keinerlei negative Divergenzen durch die AD-Linie.
Im Gegenteil: Die AD-Linie befindet sich aktuell auf dem Niveau von Anfang
Februar und ist kurz davor, ein neues Allzeithoch zu markieren. Ein bis
zwei positive Tage würden dafür ausreichen. Versagt die AD-Linie zum
zweiten Mal innerhalb von 50 Jahren ihren Dienst?
Vor 14 Tagen hatten wir über den 27. Februar als ganz besonderen Tag
berichtet. Mit einem Abwärtsvolumen von 99 Prozent wurde der dritthöchste
Wert seit 1960 an der New York Stock Exchange erreicht. Hier nochmals der
Chart von damals.
Wir hatten auch geschrieben, dass ein 99-Prozent-Abwärtstag die
Aktivierung des Bärenmarkt-Modus bedeutet. Ferner sagten wir, dass
Frühjahrspaniken in der Regel nicht so drastisch ausfallen wie
Herbstpaniken. Zudem behaupteten wir, dass der Bärenmarktmodus durch einen
Tag mit mehr als 90% Aufwärtsvolumen aufgehoben werden würde.
Am 6. März wurde an der NYSE ein Aufwärtsvolumen von 93,8 Prozent erzielt.
Damit war die Vorgabe erreicht. Nachfolgend zeigen wir ihnen den Chart mit
den 90%-Auf- und Abwärtsvolumina der jüngeren Vergangenheit.
Wir haben alle 90%-Aufwärts- und Abwärtstage seit 1960 untersucht. Wir
fanden keinen Fall, wo derart früh nach einem Bullenmarkthoch die
Reißleine mit einem 90%-Abwärtstag gezogen wurde. Erst Recht fanden wir
keinen Fall, wo so früh nach einem Bullenmarkt-Hoch ein 93,8%-Aufwärtstag
folgte. Wichtige Bullenmarkthochs entwickeln sich in der Regel ohne
90%-Aufwärts-oder Abwärtstage. Sie rollen einfach über, aber nicht mit
viel Geschwindigkeit und erst recht nicht mit Angst. Kaum jemand ahnt zum
Zeitpunkt des Bullenmarkthochs, dass es tatsächlich eines ist. Diesmal
scheinen es viele zu wissen. Meist ist auch die Ausbildung eines
niedrigeren Hochs erforderlich.
Kommt es zum ersten Mal seit 50 Jahren zu einem Bullenmarkt-Hoch,
obwohl kurz hinter dem vorgeblichen Top ein 90%-Aufwärtstag stattgefunden
hat?
Diese Indikatoren haben einen mächtigen Gegenspieler: Es ist das smarte
Geld. Das smarte Geld sieht aktuell keine Veranlassung, in den Markt
einzusteigen. Unser Smart Money Flow Indikator hat in den vergangenen
Tagen ein neues Tief erzielt, obwohl der zugrunde liegende Dow Jones Index
diesen Schritt bisher vermieden hat. Daraus ergibt sich eine negative
Divergenz.
Die Frage, warum sich das smarte Geld Zeit lässt, ist aus dem
fundamentalen Umfeld heraus („Hypothekenkrise“) durchaus zu beantworten.
Charttechnisch ist die Antwort jedoch noch einfacher: Warum sollte
irgendjemand in den Dow Jones Index einsteigen, bevor das alte Allzeithoch
aus dem Januar 2000 sowie das Hoch vom Mai 2006 nicht rückgetestet wurden?
Bisher ist die Abwärts-Bewegung des Dow Jones Index nichts anderes als
eine Pullback-Bewegung (siehe blaue Linie auf dem Chart).
Bis dahin müsste der Dow noch etwa 350 Punkte zurücklegen. Vom Hoch am 20.
Februar hätte er dann acht Prozent verloren. Würde die Unterstützung an
dieser Stelle halten, hätte er heftig korrigiert, aber noch keinen
Bärenmarkt eingeläutet. Ein Bärenmarkt ist nach aller Erfahrung dann als
offizieller Bärenmarkt anerkannt, wenn ein Verlust von 20 Prozent
eingetreten ist.
Fazit: An vielen Stellen wird aus Indikatorensicht derzeit Neuland
betreten. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass mit dem Jahr 2007 an den
Aktienmärkten ein völlig neues Kapitel der Aktienmarktgeschichte
aufgeschlagen wird. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir halten es
durchaus für wahrscheinlich, dass sich der seit dem Jahr 2002 anhaltende
Bullenmarkt in diesem Jahr erschöpfen wird. Wir sagen seit 14 Monaten,
dass eine Rezession in den USA bevorsteht.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir von einem Versagen der
Marktstrukturindikatoren ausgehen. Diese haben sich seit Jahrzehnten
bewährt und man wirft sie nicht so einfach über Bord. Die
Marktstrukturindikatoren signalisieren, dass sich die Aktienmärkte auf
einen Rebound vorbereiten. Wann das jedoch der Fall sein wird, muss dem
smarten Geld überlassen bleiben.
Es kann sein, dass
es sich erst bei 11.750 Punkten bemüßigt fühlt, den Wiedereintritt in den
Markt anzugehen. Wichtig ist, dass der Wiedereintritt mit einem Tag
erfolgt, der ein hohes Aufwärtsvolumen ausweist.
Achten Sie auf das Verhalten des smarten Geldes
und auf einen 90%-Aufwärtsvolumentag.
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Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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