02. Juni 2007
Gehebelt wird nur noch selten
Die Beurteilung der Marktstimmung lässt sich grundsätzlich in zwei
Hauptgruppen durchführen. Vorwiegend umfragebasierte Indikatoren wie
Investors Intelligence, AAII, Sentix, State Street Index oder Bullischer
Konsensus stehen „flow“-orientierten Indikatoren wie der Put-Call-Ratio,
dem ISEE-Index oder dem Short Interest gegenüber. Letztere haben
gemeinsam, dass sie auf tatsächlichen Geldflüssen basieren. Ich möchte an
dieser Stelle nicht werten wollen, welches die bessere Indikatorengruppe
ist. Natürlich könnte man sagen, dass das „Tun“ konstruktivere Hinweise
auf die Marktentwicklung wirft als eine Meinungsäußerung, die nicht
notwendigerweise mit einer tatsächlichen Positionierung verbunden ist. Auf
der anderen Seite leisten meinungsbasierte Indikatoren in
Extremsituationen gute Dienste. Unsere Philosophie ist es, eine Vielzahl
von Indikatoren zu betrachten und markt-relevante Auffälligkeiten
herauszuarbeiten.
Zur Gruppe der kapitalfluss-orientierten Indikatoren zählen die
Statistiken des Deutschen Derivate Instituts (DDI) zu Zertifkaten und
Optionsscheinen, die beide in der Gruppe der Derivate zusammengefasst
werden. Der Anteil des Derivatehandels am Gesamtumsatz der deutschen
Börsen schwankte in den vergangenen 15 Monaten zwischen gut fünf und knapp
acht Prozent. Der Gesamtumsatz an den deutschen Börsen lässt sich der
Handels-statistik der Deutsche Börse AG entnehmen.
In einem schwierigen Marktumfeld wie im Mai und Juni 2006 ist der Anteil
des Handels in Derivaten eher geringer, in aufstrebenden Börsenzeiten wie
im Herbst 2006 gewinnen sie Marktanteile hinzu. Gegenwärtig befindet sich
der Marktanteil des Derivatehandels am Gesamtmarktumsatz zwar auf dem Weg
nach oben, hat aber die 8-Prozent-Marke noch nicht wieder erreicht.
Bei Derivaten werden grundsätzlich zwei Produktgruppen unterschieden:
Anlageprodukte und Hebelprodukte. Bei Anlageprodukten partizipiert der
Anleger in der Regel eins zu eins von der Entwicklung des Basiswerts. Aus
diesem Grund eignen sie sich besonders für konservative Anlagestrategien.
Als Anlageprodukte gelten zum Beispiel Discount-, Basket- und
Indexzertifikate, sowie Aktienanleihen.
Hebelprodukte (Optionsscheine und Knock-outs) hingegen sind für erfahrene
und eher spekulativ orientierte Anleger geeignet. Je nach individueller
Ausgestaltung werden die Knock-outs von den Emittenten z.B. als Turbo oder
Wave bezeichnet.
Eine gute Übersicht über die unterschiedlichen Anlageformen vermittelt das
DDI hier:
http://www.ddi.de/ddi/basiswissen.htm?u=0&k=0&seite=basiswissen
Interessant ist die Auswertung der Derivate-Statistik nach den
Marktanteilen der beiden großen Derivategruppierungen. Hebel- und
Anlageprodukte ergeben zusammen immer 100 Prozent, sodass nachfolgend nur
der Anteil der Hebelprodukte dargestellt ist.
Da Hebelprodukte die risikoreichere Gruppierung darstellen, sollte man
erwarten, dass sie in Aufwärtsphasen gegenüber den Anlageprodukten stärker
nachgefragt werden. Dies war auch bis zum Mai 2006 so, als der Marktanteil
der Hebelprodukte auf über 50 Prozent anstieg. Doch seitdem ist bei den
Hebelprodukten der Wurm drin. Erst seit März dieses Jahres gewinnen sie
wieder an Bedeutung.
Betrachtet man den Anlage-Zertifikate-Markt, so fällt ein Wachwechsel
zwischen Discount- und Bonuszertifikaten ins Auge.
Discount-Zertifikate sind mit einem Deckel nach oben ausgestattet, während
Bonuszertifikate bei steigenden Kursen vollständig (bis auf die Dividende)
an Preissteigerungen des zugrunde liegenden Basiswertes partizipieren.
Insofern sollten Bonuszertifikate in Aufwärtstrends stärker gefragt sein
als Discount-Zertifikate. Dies ist gegenwärtig der Fall: Der Abstand zum
Marktanteil der Discount-Zertifikate befindet sich mit 18,5 Prozentpunkten
auf Rekordniveau.
Marktteilnehmer, die sich gegen stark fallende Kurse absichern wollen,
würden eher zu Discount-Zertifikaten greifen: Bonus-Zertifikate bieten bei
deutlich fallenden Kursen keinen Schutz mehr. Insofern könnte der Trend zu
Bonus-Zertifikaten bei Verlusten in der Größenordnung von 20 bis 30
Prozent zu einem schmerzhaften Erwachen führen.
Die folgenden drei Entwicklungen lassen sich als Fazit skizzieren:
1. Der Marktanteil für Derivate am Gesamt-Marktvolumen stagniert
gegenwärtig.
2. Hebelprodukte sind für die Marktteilnehmer derzeit vergleichsweise
wenig attraktiv.
3. Bonuszertifikate laufen den Discount-Zertifikaten den Rang ab.
Die ersten beiden dieser drei Entwicklungen unterstützen die These, dass
die Marktteil-nehmer trotz der Aufwärtsphase der Märkte verhalten und
risikoarm agieren. Die dritte Entwicklung lässt darauf schließen, dass die
ganz große Angst vorbei zu sein scheint, aber das Thema Sicherheit noch
immer hoch gehandelt wird.
Alle diese Charts plus mehrere hundert weitere finden Sie in unserem neuen
Marktlabor, das wir testweise im Rahmen unseres Abonnements (auch Probeabo) freigegeben haben.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter
www.wellenreiter-invest.de
|