30. Juni 2007
Fremdfinanzierung stockt
In den vergangenen 14 Tagen hat sich im Umfeld der
Fremdfinanzierungsmärkte so viel verändert wie in den vergangenen fünf
Jahren zusammengenommen nicht. Unternehmen haben Probleme, ihre Anleihen
zu den bisherigen Konditionen unterzubringen. Private-Equity-Deals
inklusive der Finanzierung von Übernahmen mit einem hohen
Fremdkapital-anteil lassen sich zunehmend schwieriger umsetzen und werden
verschoben. Wir wollen uns diese Veränderung am Beispiel des
Credit-Default-Swap-Marktes (CDS) anschauen.
Der Markt für Kreditderivate ist in den vergangenen Jahren enorm
gewachsen. Ein CDS nichts anderes als eine Versicherung gegen einen
Kreditausfall eines Unternehmens in Form eines Derivates. Häufig werden
CDS im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmensanleihen erworben.
Beispielsweise könnte ein Pensionsfonds, der Unternehmensanleihen von
General Motors erwirbt, sich gleichzeitig mit einem CDS gegen das
Kreditausfallrisiko (z.B. bei Insolvenz des Unternehmens) absichern. Auch
bei Leveraged-Buy-Outs (http://en.wikipedia.org/wiki/Leveraged_buyout),
an denen gewöhnlich Private Equity Firmen beteiligt sind, kommen CDS zum
Einsatz. Je höher der Spread eines solchen Derivates, je höher ist das
Ausfallrisiko. Nachfolgend betrachten wir den Index für „Junk“-Derivate
(„High Yield“).
High Yield CDS Index Spread
(CDX.NA.HY) (Quelle: Markit)
Man erkennt, dass der Index-Spread (rote Linie) Anfang Juni einen Boden
ausbildete. Der Spread war noch vor vier Wochen niedrig wie selten zuvor.
Ein Kreditausfallrisiko bestand praktisch nicht. Seit Mitte Juni steigt
der Index-Spread rasant an und der Index-Preis (schwarz) fällt
entsprechend. Das bedeutet, dass die Versicherungsprämie für das
Ausfallrisiko im Markt für Junk Bonds in den USA in den vergangenen beiden
Wochen geradezu explodiert ist. Es ist die größte Veränderung, die jemals
in so kurzer Zeit in diesem Marktsegment registriert worden ist. Wenn sich
eine Situation schlagartig ändert, kann dies wie eine große Welle sein, die sich
im Meer aufbaut und dabei viele Schiffe manövrierunfähig macht. Einige
gehen sogar unter.
Die Lage ist nicht so wie im Fall des gescheiterten Hedge-Fonds Amaranth.
Das Scheitern war ein Einzelfall in einem recht engen Marktsegment
(US-Erdgas). Dennoch lässt sich aus dem Amaranth-Fall lernen. Damals gab
es Gegenspieler, die wussten, dass Amaranth ein angeschlagener Boxer war
und aus seiner Ecke nicht mehr herauskam. Diese Hedge-Fonds profitierten
enorm, indem sie Gegenpositionen zu Amaranth bezogen.
Die aktuelle Situation ist breiter angelegt. Viele Fonds und Hedge-Fonds
tummeln sich im Immobiliengeschäft. Darüber hinaus ergeben sich bereits
Anzeichen eines Schneeball-Effekts. Viele Banker, Broker und andere
Anleger dürften gespannt auf die Halbjahresberichte von Fonds und
Hedge-Fonds warten, um zu sehen, ob dort irgendwelche Leichen versteckt
sind. Man sollte auch nicht vergessen, dass eine Vielzahl von Hedge-Fonds
direkt mit Credit-Default-Swaps (CDS) spekuliert. Die Gegenspieler werden
auch hier versuchen, Profite aus den Schwächen anderer zu ziehen und damit
den Effekt noch verstärken.
John Mauldin schreibt in seiner aktuellen Kolumne zum Thema ansteigende
Kreditrisiken: “There is obviously a whole lot more to say, but this is
one game that is going to take a long time to play out. It won't be like
breaking an egg. It will be more like watching ice cream melt.”
www.frontlinethoughts.com
John Mauldin feiert wie seine Mit-US-Bürger in dieser Woche die
Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Vorfeld sind die
US-Anleger und Wall Street meist milde gestimmt und blenden Risiken eher
aus. Doch wenn es tatsächlich so sein sollte – wie Bloomberg schreibt -,
dass die Rating Agenturen nach den geltenden Standards bereits jetzt
Hypothekenkredite im Wert von 200 Mrd. US-Dollar hätten herunterstufen
müssen, wäre dies eine Erkenntnis, die nicht eine langsame (wie Mauldin
schreibt), sondern eine schnelle Anpassung der Märkte an die neuen
Gegebenheiten erforderlich machen würde.
http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601109&sid=ag8P5Or55avc&refer=home
Fazit: Der Kapitalmarkt läuft gegenwärtig nicht mehr rund. Seit dem
Beinahe-Kollaps zweier Bear Stearns Immobilien-Hedge Fonds vor einigen
Wochen steigt der Preis für die Versicherung von Ausfallrisiken
explosionsartig an und geplante Deals werden verschoben. Die
Risikoaversion der Marktteilnehmer bezüglich des Kreditmarktes steigt. Die
Verlangsamung der Aufnahme von Fremdkapital bedeutet eine Verlangsamung
des Liquiditätswachstums. Wenn es stimmt, dass Liquidität der größte
Treiber des Bullenmarktes in Aktien und Rohstoffen gewesen ist, so muss
jetzt der Umkehrschluss erlaubt sein, dass eine Verlangsamung des
Liquiditätswachstums für beide Märkte zu einem Treiber in die umkehrte
Richtung werden dürfte.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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