28. Juli 2007
Abstürze, Hindenburg-Omen und schwindelnde Höhen
Jede Börsenphase ist in ihr Umfeld eingebunden und weist einen einmaligen
Charakter auf. Exakte Wiederholungen gibt es nicht, wohl aber Muster aus
der Vergangenheit, die eine Orientierung bieten können. Zu diesen Mustern
zählen die Verläufe von Vorwahljahren und von Jahren, die mit der Zahl
Sieben enden. Eine weitere Weisheit: Das dritte Quartal eines Jahres kann
sich üblicherweise nicht mit Ruhm bekleckern.
So interessant diese Muster für die Vorhersage von Aktienmarktbewegungen
auch sind: Die Umstände, die die derzeitige Marktlage bedingen, sind in
vielerlei Hinsicht einmalig oder kommen zumindest selten vor.
Da ist zum einen das Phänomen des Hindenburg-Omens, auf dessen Bedeutung
wir in der Wochenend-Kolumne vom 16. Juni hingewiesen hatten.
http://www.wellenreiter-invest.de/WellenreiterWoche/Wellenreiter070616.htm
Mittlerweile summiert sich die Zahl der in den vergangenen sechs Wochen
aufgetretenen Hindenburg-Omen je nach Lesart auf mindestens acht und
maximal zehn.
Wie der Chart zeigt, wurde eine ähnliche Häufung dieser Omen auch vor dem
Rutsch im Mai/ Juni 2006 notiert. Sieben Hindenburg-Omen oder mehr kommen
selten vor. Ein Spruch wie „Je mehr Hindenburg-Omen, desto größer der
Crash“ ist zwar nicht haltbar, aber nach einem solchen Cluster beliefen
sich die Verluste im Dow Jones Index regelmäßig zwischen 5 und 15 Prozent
vom Top. Aktuell beträgt der Verlust im Dow Jones Index bereits 5 Prozent.
Eine der faszinierendsten Finanz-Relationen unserer Zeit ist die
Parallelität, mit der der Verlauf des DAX den Verlauf des Euro/Yen
widerspiegelt.
DAX und Euro/YEN
Die Bereitschaft, Kredite aufzunehmen und damit Risiken einzugehen, lässt
sich gut am Wechselkurs des Euro/Yen ablesen. Der Yen ist aufgrund der
niedrigen Zinsen in Japan die Verschuldungswährung par excellence. Ein
schwacher Yen (Euro/Yen steigt) zeigt eine wachsende Risikobereitschaft
der Anleger an, während ein starker Yen (Euro/Yen fällt) auf eine
Verringerung der Kreditgeschäfte (Stichwort „Yen-Carry-Trade“) und damit
auf eine Verringerung der Liquidität hinweist. Man kann das Gesagte auf
einen Nenner bringen: Steigt die Liquidität, steigt der DAX; fällt die
Liquidität, hat auch der deutsche Leitindex Probleme.
Auch die Marktstruktur bietet eine Auffälligkeit: Die Zahl der neuen
52-Wochen-Tiefs notierte am Donnerstag mit 743 neuen Tiefs in der Nähe
früherer Rekordniveaus. Wir haben Ihnen nachfolgend die früheren Daten von
Rekordtiefs aufgelistet.
Die meisten Daten sind recht prominent – wie der 21.09.2001 oder der
31.8.1998 – und signalisieren in der Regel wichtige Tiefs im Dow Jones
Index. Aus dieser Grafik ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder hat die
Zahl der neuen Tiefs bereits ein Maximum erreicht – was einer Bodenbildung
an den Aktienmärkten gleichkommen würde – oder wir erleben eine Situation
wie im Jahr 1998. Während Dow Jones Index damals am 17. Juli sein Top
markierte, wurde das aktuelle Hoch am 19. Juli erzielt. Damals erreichte
die Zahl der neuen Tiefs Anfang August mit Werten oberhalb von 500 einen
vorläufigen Höhepunkt und flaute dann ab, nur um am 31. August 1998 mit
1183 neuen Tiefs den Maximalwert zu erreichen. Dies bedeutete gleichzeitig
das Jahrestief am Aktienmarkt. Der Verlust vom Top zum Boden betrug knapp
20 Prozent im Dow Jones Index innerhalb von sechs Wochen.
Wir glauben nicht, dass sich bereits jetzt ein nachhaltiger Boden
ausbilden kann und favorisieren einen dem letztgenannten Szenario nahen
Verlauf. Man kann sich jedoch sicher sein, dass die Märkte frühere
Bewegungen nicht einfach nachäffen, sondern ihren eigenen Weg suchen
werden. Unserer Meinung nach ist die Dimension dessen, was derzeit an den
Märkten geschieht, von den meisten Marktteilnehmern noch nicht richtig
erfasst worden. So wie in den letzten Monaten positive Überraschungen an
den Märkten für Furore sorgten, dürften in der kommenden Phase
Zusammenhänge ans Tageslicht kommen, die zunächst ähnlich absurd klingen
wie der Bericht über die italienischen Banken, die italienischen
Kleinunternehmern massenweise Credit Default Swaps als Versicherung gegen
Zinssteigerungen angedreht haben.
http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601109&sid=aEFAV5L2_XU8&refer=home
Nach und nach dürfte sich aus diesen Berichten ein stimmiges Gesamtbild
formen und zeigen, dass die US-Hausbau- und Subprime-Krise die nationale
Dimension bereits überschritten hat.
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Am 19. August 2005 erschien die Kolumne „Babylon und Börsenboom“, in
der ich den Zusammenhang zwischen dem Erreichen neuer Weltrekordmarken im
Hochhausbau und dem Auftreten von Rezessionen darstellte. Dieser
Zusammenhang lässt sich recht konstant über die letzten 120 Jahre
zurückverfolgen.
http://www.wellenreiter-invest.de/WellenreiterWoche/Wellenreiter050819.htm
Interessanterweise wurde am 23.07.2007 gemeldet, dass der Burj Dubai den
Wolken-kratzer Taipeh 101 in Taiwan als höchstes Gebäude der Welt abgelöst
habe. Der Dow Jones Index erzielte sein aktuelles Hoch am 19.07.07.
Zufall? Eher nicht.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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