01. September 2007
Der größte Widerspruch
Die aktuelle Situation an den Finanzmärkten wird durch einen fast grotesk
zu nennenden Widerspruch charakterisiert. Einerseits deuten einige
Faktoren (Zinsstruktur, Bewegungs-muster an den Anleihemärkten,
Liquiditätsmangel, Diskontsatzzinsenkung, das politische Eingreifen von
US-Präsident Bush mit Hilfeleistungen für notleidende US-Hausbesitzer)
darauf hin, dass die Krise an den Finanzmärkten von Fed und US-Regierung
ernst genommen wird und keinesfalls überwunden ist.
Andererseits liefern die technischen Indikatoren für die Aktienmärkte ein
Bild, wie man es sich für einen Boden perfekter nicht wünschen könnte. Am
Freitag wurde der zweite 90%-Aufwärtstag innerhalb von drei Tagen und der
dritte innerhalb von vierzehn Tagen registriert.
Eine derart kurzes Auftreten von drei 90%-Aufwärtstagen ist selten und
weist historisch betrachtet auf einen tragfähigen Boden hin. Hinzu kommt,
dass der Advance-Decline-Indikator ein stärkeres Kaufsignal als im Sommer
2006 und im März 2007 geliefert hat.
Martin Zweig beschreibt den Indikator in seinem Buch „Winning on Wall
Street“. Mit dem Advance/Decline Indikator bezeichnet Zweig den
10-Tages-GD der steigenden, geteilt durch die fallenden Aktien (NYSE).
Steigen an einem bestimmten Tag 2000 Aktien und 1000 Aktien fallen, so
beträgt die AD-Ratio zwei zu eins. Wiederholt sich dieser Vorgang 10 Tage
hintereinander, so erhält man einen 10-Tages-GD mit einem Wert von zwei.
Martin Zweig bezeichnet einen 10-Tages-GD der AD-Ratio von zwei oder mehr
als ein deutlich bullisches Ereignis.
Als ein weiteres positives technisches Ereignis muss man die relative
Stärke der Tech-Werte gegenüber dem S&P 500 bezeichnen.
Dies zeigt, dass das spekulative Element in die Märkte zurückgekehrt ist.
Konsequenterweise veränderten wir unsere Markteinschätzung nach den
Kaufsignalen am Mittwoch auf bullisch. Nachdem auch der DAX sein
technisches Bild am Freitag entschei-dend verbessern konnte (inverse
Schulter-Kopf-Schulter-Formation), gehen wir davon aus, dass die
Aktienmärkte in den kommenden Wochen über weiteres Aufwärtspotential
verfügen werden.
Das bedeutet aber nicht, dass die Stolpersteine aus dem Weg geräumt sind.
Ein Blick auf das Dekadenmuster verrät uns, dass der Dow Jones Index in
die schwächste Phase, die ein Jahrzehnt überhaupt bieten kann, eingetreten
ist. Das Dekadenmuster fasst alle 10-Jahres-Verläufe seit 1790 in einem
Durchschnittschart zusammen. Grundlage ist der (zurückgerechnete) Dow
Jones Index.
Man erkennt, dass ein Jahrzehnt üblicherweise schwach beginnt (man denke
an 2000 bis 2002 oder an 1990/91). Anschließend steigt der Index. Das
macht die Handelsjahre, die mit einer 3, 4 oder 5 enden, meist zum
Vergnügen. 6er-Jahre verlaufen häufig flach, während ein 7er-Jahr häufig
mit einem Abverkauf im zweiten Halbjahr aufwartet. Das 8er-Jahr weist
meist hohe Gewinne auf, und auch das letzte Jahr einer Dekade kann sich
sehen lassen.
Angesichts unseres Dekadenmusters lässt sich erkennen, dass die zweite
Hälfe eines 7er-Jahres durchschnittlich den volatilsten Zeitraum einer
Dekade darstellt. Üblicherweise beginnt gegen Jahresmitte eine
Schwächeperiode (grüner Pfeil), die erst zum Jahresende ausläuft (roter
Pfeil).
Vorstellbar ist eine Situation wie 1997, als die Märkte im Oktober
nochmals in eine kritische Situation gerieten (schwarzer Pfeil).
Fazit: Unsere technischen Indikatoren signalisieren, dass die Aktienmärkte
in den kommenden Wochen weiteres Aufwärtspotential besitzen. Man sollte
jedoch angesichts der Tatsache, dass sich die Märkte in einer saisonal
nicht überzeugenden Phase (August, September, Oktober) sowie im zweiten
Halbjahr eines 7er-Jahres befinden, nicht in Euphorie ausbrechen. Die
Gefahr eines Rückschlags ist für dieses Jahr noch nicht vorbei, genauso
wie die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA weiterhin hoch
bleibt.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
P.S.
Wir schauen hinter die Märkte und betrachten
diese mit exklusiven Charts.
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