22. September 2007
Hyperinflation oder Deflation?
In der vergangenen Woche wurden die US-Zahlen für die Verbraucher- und
Erzeuger-preisentwicklung für August bekannt gegeben. Die Erzeugerpreise (PPI)
stiegen offiziell um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, während die
Verbraucherpreise (CPI) um 1,9 Prozent zulegten.
Gleichzeitig stieg der Ölpreis in dieser Woche mit über 80 US-Dollar auf
ein neues Allzeithoch, während der Goldpreis mit 732 US-Dollar
(Oktober-Future) exakt sein Mehrjahreshoch vom Mai 2006 erreichte.
Dem geübten Beobachter wird auffallen, dass eine solche Konstellation
vollkommen abnormal ist. Öl- und Gold in Rekordhöhen zeigen üblicherweise
eine überbordende Inflationsrate an (siehe 70er Jahre). Die Inflationsrate
von 1,9% befindet sich jedoch gefährlich nahe am Deflationsabgrund. Viele
Beobachter gehen davon aus, dass die offiziellen US-Inflationsraten
manipuliert sind. Selbst wenn das stimmt und die Inflationsrate zwei bis
drei Prozent höher liegen sollte, wäre dies noch keine Erklärung für diese
signifikante Diskrepanz.
Was bedeuten diese Extrema? Wahrscheinlich ist dies eine Glaubensfrage.
Diejenigen, die den offiziellen Inflations-Zahlen massiv misstrauen,
werden in den ansteigenden Gold- und Ölpreisen den Beginn einer deutlichen
Inflationsentwicklung sehen, die sogar in eine Hyper-Inflation ausarten
kann. Der Fall des US-Dollar, der importierte Inflation nach sich zieht,
bestätigt in ihren Augen diese Annahme.
Das andere Lager spricht den offiziellen Inflationszahlen zumindest eine
gewisse Aussagekraft zu. Es werden Bedenken laut, dass die deflatorische
Entwicklung der US-Häuserpreise sich bis weit ins kommende Jahr hinein
verstärken könnte. Eine Hauspreisdeflation von 10 bis 15 Prozent wird für
möglich gehalten. Dieser Wertverlust dürfte sich auch im US-Konsum
niederschlagen. Da sich die offizielle US-Inflationsrate bei 1,9%
(Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat) befindet, hält dieses Lager die
Gefahr einer deflatorischen Entwicklung auch in der US-Realwirtschaft für
plausibel.
Egal, welches Lager der Wahrheit am nächsten kommt: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein
Verlassen des optimalen Inflationskorridors meist negative Auswirkungen
auf die Kaptialmärkte nach sich zieht. Der optimale Inflationskorridor
befindet sich zwischen 0 und 5%. Seit mehr als 20 Jahren ist dieser
Korridor offiziell nicht verlassen worden.
Meiner Meinung nach ist die Gefahr, dass dieser Korridor nach unten
verlassen wird, deutlich größer als ein offizieller Sprung über die
5%-Marke. Das saisonale Muster des Ölpreises zeigte in den vergangenen
Jahren eine bemerkenswerte Konstanz. Danach ist die Wahrscheinlichkeit
recht hoch, dass der Ölpreis in den kommenden Monaten in Richtung 70
US-Dollar oder sogar darunter zurückfällt.
Auch interessant: Während sich der Ölpreis auf einen neuen Allzeithoch
befindet, hat der US-Benzinpreis Mühe, sein Hoch vom September 2005
(Kathrina) zu erreichen.
US-Benzinpreis-Future (XRB) Wochenchart
Die US-Zentralbank hat sowohl die Fed
Funds Rate als auch den Diskontsatz um 50 Basispunkte gesenkt. Die
Entscheidung war einstimmig. Fed-Präsident Bernanke sieht deutliche
Risiken für die Realwirtschaft.
Wir finden, dass man seine Bedenken teilen
sollte. Der Ölpreis dürfte in den kommenden Monaten nach unten tendieren.
Die Häuserpreise dürften in den USA in den kommenden Monaten deutlich
fallen. Die offizielle US-Inflationsrate beträgt aktuell 1,9 Prozent.
Ben Bernanke hat die US-Depression der
30er Jahre in allen Details studiert. Genau deshalb dürfte er in der Lage
sein, eine länger andauernde Deflation in der US-Real-wirtschaft zu
vermeiden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass er eine kurze Phase der
Deflation schlucken muss. Das sich zwischen Hyperinflation und Deflation
befindene Pendel dürfte weiter in Richtung Deflation ausschlagen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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