29. September 2007
Finanzstress und Aktienmarkt
Eine ganze Reihe von Finanzinstrumenten zeigten in den vergangenen beiden
Monaten Stress-Symptome. Dazu zählten der Subprime- und der Commercial
Paper-Markt, der Markt für Asset backed Securities (ABS) sowie der Markt
für Versicherungen gegen Unternehmens-Konkurse (Credit Default Spreads).
Auffällig war auch die verstärkte Schwankungsbreite der effektiven Fed
Funds Rate sowie des Libors.
Im Folgenden werfen wir einen näheren Blick auf die effektive Fed Funds
Rate und den Libor. Während der Libor („London Interbank offered Rate“)
die Rate ist, zu der sich Banken direkt gegenseitig Geld leihen, ist die
Fed Funds Rate (auch US-Leitzins genannt) der Zinssatz, zum dem eine Bank
bei der US-Zentralbank hinterlegte Gelder an eine andere Bank über Nacht
ausleihen kann.
Wenn die Zentralbank einen Leitzins festlegt, so glaubt der Volksmund,
dass diese Rate tatsächlich ein fixierter und genormter Zinssatz ist, von
dem niemals abgewichen wird. Dem ist aber nicht so. Schon in normalen
Zeiten sind Abweichungen im Bereich von fünf Basispunkten nach oben oder
unten normal. Das heißt, dass der Zinssatz bei einer Rate von 5,25%
effektiv zwischen 5,20% und 5,30% schwankt. Wie der folgende Chart zeigt,
wurde dieser enge Pfad seit Anfang August verlassen. Mitte August konnten
sich die Banken bei der Fed zu 4,6% refinanzieren (siehe Pfeil). Dieser
Wert befand sich sogar unter dem aktuell gültigen US-Leitzins von 4,75%.
Nicht zufälligerweise wurde in jenen Tagen auch das Sommertief an den
Aktienmärkten erreicht. Die Reihenfolge war:
14.08.: Fed Funds Rate Tief;
16.08.: Aktienmarkttief
17.08.: Diskontsatzsenkung 50 BP
Es war in den letzten Wochen viel davon die Rede, dass sich Banken
gegenseitig kein Geld ausleihen würden. Dieser Effekt lässt sich gut mit
dem Libor erfassen. Die Interbanken-Vertrauenskrise erreichte Ende
August/Anfang September ihren vorläufigen Höhepunkt, als für
US-Dollar-Geschäfte in der Spitze Zinssätze von 6,6% verlangt wurden.
Im Durchschnitt der letzten Jahre befindet sich der Libor 11 Basispunkte
oberhalb des US-Leitzinses. Durch die Kreditklemme und die Vertrauenskrise
zwischen den Banken vergrößerte sich dieser Spread jedoch deutlich (obiger
Chart). Es gilt zu betonen, dass der Spread auch nach der Senkung des
Leitzinses am 18. September von 5,25% auf 4,75% noch nicht die frühere
Stabilität erreicht hat. Gerade in den letzten beiden Tagen ist eine
unschöne Entwicklung zu erkennen. Sowohl die effektive Fed Funds Rate als
auch der Libor steigen wieder an, und das trotz Zinssenkung!
Auf dem nachfolgenden und abschließenden Chart haben wir den Spread
zwischen Libor und Fed Funds Rate sowie den Verlauf des S&P 500
eingezeichnet.
Das Ergebnis ist wenig überraschend: Ein sich normalisierender (d.h.
geringer) Spread ist positiv für den Aktienmarkt.
Man sollte in den kommenden Wochen auf die Entwicklung des Libors achten.
Im Gegen-satz zur Fed Funds Rate können die Zentralbanken den Libor nicht
direkt kontrollieren. Der Spread ist derzeit gering, aber dennoch
instabil. Sollte sich der Spread zwischen Libor und Fed Funds Rate wieder
vergrößern, wäre dies ein Zeichen dafür, dass die Vertrauenskrise der
Banken noch nicht vorüber ist.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
P.S.
Wir schauen hinter die Märkte und betrachten
diese mit exklusiven Charts.
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