24. Mai 2008
Ölpreishoch = Aktienmarkttief?
Als wir am 16. Februar 2008 unseren
Artikel „Ölpreis: Ziel 130 US-Dollar“ veröffentlichten (http://tinyurl.com/5s6zcj),
befand sich der Preis für Crude-Öl bei 95,50 US-Dollar.
Seitdem ist der Preis um 35 Prozent
gestiegen und befindet sich aktuell bei 132 Dollar. Damals erwarteten wir
nicht, dass der Ölpreis dieses Ziel noch im ersten Halbjahr 2008 erreichen
würde, sondern gingen von einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren aus.
Die Frage aller Fragen lautet derzeit:
Wann toppt der Ölpreis? Und die zweite Frage schließt sich gleich an: Wenn
der Ölpreis ein Hoch markiert, bedeutet dies nicht gleichzeitig ein Tief
an den Aktienmärkten?
Zur ersten Frage: Der Preis für Crude Öl
befindet sich weder aus Volatilitäts-Sicht noch aus Sicht der
Positionierung der US-Händler (COT) in einer Übertreibungsphase.
Charttechnisch verlief der Anstieg bisher treppenförmig und homogen. Ein
Anstieg der Volatilität, wie er häufig bei Rohstoffen an Tops auftritt,
ist nicht erkennbar. Die COT-Daten zeigen an, dass die Commercials ihre
Absicherungen trotz steigenden Ölpreises nicht zurückfahren. Das ist
ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass die US-Kleinspekulanten Crude Öl so
deutlich leer verkaufen wie in dieser Dekade noch nicht geschehen. Die
US-Kleinspekulanten liegen meist falsch. Wie soll auf diese Weise ein Hoch
zustande kommen?
Solange der Anstieg mit wenig Volatilität
verläuft, die US-Kleinspekulanten so bärisch bleiben und sich nicht
erkennbar eine Topping-Formation gebildet hat, dürfte eine Abwärtsbewegung
des Ölpreises ausbleiben.
Doch irgendwann wird es zu einem Hoch
kommen. Die Frage stellt sich, ob die Aktien-märkte von diesem Hoch
profitieren werden. Für die Beantwortung dieser Frage erscheint ein Blick
zurück in die 70er und 80er Jahre notwendig. Auf dem folgenden Chart sind
der Ölpreis und der Kursverlauf des S&P 500 von 1972 bis 1982 gemeinsam
abgetragen.
Die US-Wirtschaft befand sich von Ende
1973 bis Anfang
1975
in einer Rezession. Als der Ölpreis Anfang 1974 oben war (schwarzer
Pfeil), befand sich der Aktienmarkt bereits in einer Abwärtsbewegung und
behielt diese auch bis Ende 1974 bei. Der Ölpreis fiel in dieser Zeit
nicht, sondern stagnierte zwischen 10 und 11 US-Dollar.
Als der Ölpreis im April 1980 (roter
Pfeil) oben war, war die seit Anfang des Jahres laufende Rezession
praktisch beendet. Der S&P 500 konnte in einer kräftigen Rallye zwischen
April und Dezember 1980 um 35 Prozent zulegen. In diesem Zeitraum fiel der
Ölpreis von 40 auf 36 US-Dollar. In der ersten Phase der anschließenden
Rezession von Mitte 1981 bis Herbst 1982 fielen Aktien und Ölpreis
gemeinsam.
Weitere wichtige Punkte: 1987 toppte erst
der Ölpreis und dann crashte der Aktienmarkt. 1990 löste der Anstieg des
Ölpreises von 15 auf 40 US-Dollar eine Rezession und einen starken
Einbruch an den Aktienmärkten aus. Als der Ölpreis im Oktober 1990 toppte,
bedeutete dies zugleich das Tief an den Aktienmärkten.
Fazit: Diese Beispiele aus der
Vergangenheit zeigen, dass ein fallender Ölpreis die Aktienmärkte in der
Regel – wenn auch nicht immer - entlastet. Ein auf hohem Niveau
stagnierender Ölpreis bringt hingegen keinen Vorteil für die Aktienmärkte.
Im Gegenteil: 1974 krachte der Aktienmarkt bei einem stabilen Ölpreis weit
nach unten. In einer Rezession kann der Ölpreis einerseits mangelnde
Nachfrage reflektieren und fallen (wie 1981/82) oder aufgrund eines
externen Ereignisses (Einmarsch des Irak in Kuweit in 1990) stark steigen
und damit die Wirtschaft in die Rezession ziehen. Man sieht, die
Zusammenhänge sind vielfältig und in unterschiedlichen Situationen auch
nicht schubladenförmig zuzuordnen. Die Ansicht, bei einem fallenden
Ölpreis auf einen steigenden Aktienmarkt zu setzen, erscheint jedoch aus
dem Blickwinkel der Wahrscheinlichkeit richtig. Wann allerdings die
Aktienmärkte toppen, lässt sich kaum voraussehen: Der Trend ist intakt.
Die uns vorliegenden Indikatoren deuten nicht auf ein sofortiges Hoch hin.
Verfolgen Sie mit uns in unserer handelstäglichen Ausgabe die weitere
Entwicklung des Ölpreises und die sich daraus ergebenen
Marktkonstellationen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter
www.wellenreiter-invest.de
|