31. Mai 2008
Finanzmärkte: Aus welcher Ecke droht die Gefahr?
Licht am Ende des Tunnels, das Schlimmste ist vorbei, die Erholung steht
bevor: Solche Aussagen bezüglich der Finanzkrise waren Anfang Mai von
Joseph Ackermann (Deutsche Bank), Klaus-Peter Müller (Commerzbank), Hank
Paulson (US-Finanzminister), Jamie Dimon (JP Morgan Chase) sowie von der
Bank of England zu hören.
Auf dem nächsten Chart synchronisieren wir
diese Aussagen mit dem Marktgeschehen. Auf dem Chart ist die relative
Performance der US-Banken zum S&P 500 dargestellt.
Der schwarze Pfeil deutet auf den
Zeitpunkt, an diesem die oben zitierten Aussagen publiziert wurden.
Mittlerweile hat die Ratio der Banken zum S&P 500 ein neues Verlaufstief
erreicht. Muss man nicht annehmen, dass die Banken gegenüber dem Rest des
Marktes relative Stärke zeigen, sobald die Finanzkrise überwunden wird?
Die Märkte sprechen eine deutliche Sprache: Die Finanzkrise ist noch nicht
vorbei; es droht weitere Gefahr.
Aber warum? Die Bonitätsrisiken für
Unternehmenskredite haben sich doch in jüngster Zeit verringert. Und die
durch Libor und Euribor vorgegebenen Zinskonditionen für das
Verleihgeschäft der Banken untereinander haben sich stabilisiert. Man
könnte tatsächlich argumentieren, dass das Schlimmste vorbei sei.
Doch nicht alle Probleme der
Finanzinstitute gären an der Oberfläche. Trotz der Erholung an den Märken
seit März hängt das Damoklesschwert eines Zusammenbruchs von so genannten
„Anleihenversicherern“ weiter über den Märkten. Anleihenversicherer wie
die US-Unternehmen MBIA oder Ambac sind eine Art Rückversicherer für die
Finanzbranche. Bekommen sie selbst Probleme, schlägt dies auf den gesamten
Finanzmarkt durch. Insgesamt versichert die Branche laut Schätzungen
Anleihen im Wert von etwa 2,4 Billionen Dollar. Allein Branchenführer MBIA
steht für 670 Milliarden Dollar kommunaler Anleihen und von „Asset Backed
Securities“ (ABS) gerade. Die Branche hatte sich lange auf die relativ
risikoarme Garantie für Anleihen von Kommunen und Ländern konzentriert,
stieg in den letzten Jahren aber massiv in das Geschäft mit riskanten
Anleihen ein.
Ein Blick auf den Chart von Branchenführer
MBIA zeigt, dass das Panik-Niveau vom Januar bereits wieder getestet wird.
Am Freitag hatte die Rating-Agentur Fitch
einen Anleiheversicherer französischen Ursprungs, der auf dem US-Markt
aktiv ist (CIFG), auf „Junk“ herabgestuft und das Insolvenzrisiko
besonders betont. CIFG versichert laut Bloomberg Anleihen im Wert von 95
Mrd. US-Dollar.
Fazit: Die Schwäche der Finanzbranche im
Vergleich zum breiten Markt ist auffällig. Die Ecke, aus der Gefahr droht,
ist diejenige der Anleihenversicherer. Die US-Zentralbank ist in die
Aktivitäten zur Rettung der Anleihenversicherer involviert. Genauso wie
eine Insolvenz des US-Brokers Bear Stearns aufgrund der Verquickung der
Finanzbranche untereinander ein systematisches Risiko aufgeworfen hätte
und deshalb unbedingt zu vermeiden war, würde die Insolvenz eines großen
Anleihenversicherers die Finanzbranche in ihren Grundfesten erzittern
lassen. Auch in diesem Fall wird die Fed viel Kreativität an den Tag legen
müssen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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