14. Juni 2008
Der Aktienmarkt im zweiten Halbjahr
2008
Wir
wollen mit der heutigen Veröffentlichung einige technische
Rahmenbedingungen abstecken. Die Analyse bezieht sich auf den Dow Jones
Index.
Der
Verlauf des Dow lässt sich recht klar strukturieren.
Im
März erfolgte der „perfekte Pullback“ auf die Marke von 11.740 Punkten
(rote Linie). Diese Linie bezeichnet gleichzeitig das alte Allzeithoch aus
dem Januar 2000.
Die
zweite klare Struktur des Dow Jones Index betrifft die
Schulter-Kopf-Schulter-Formation, die sich in der zweiten Jahreshälfte
2007 ausbilden konnte.
Der
Anstieg seit Mitte März wurde an die Nackenlinie (rot) Anfang Mai beendet
(siehe Pfeil). Die Nackenlinie offerierte und offeriert einen heftigen
Widerstand. Nach unten hin sichert die grüne Linie eine Handelsspanne ab.
Aus
dieser Konstellation ergeben sich für das zweite Halbjahr 2008 drei
Möglichkeiten:
1. Das
bullische Szenario: Ausbruch über die Nackenlinie (rot)
2. Das
bärische Szenario: Bruch der Unterstützung (grün)
3. Das
neutrale Szenario: Verbleib in der Handelsspanne
Für
alle drei Szenarien lassen sich ansprechende Gründe finden: Im bullischen
Szenario würde sich die relative Stärke der Nasdaq und der Transporttitel
fortsetzen. Der Ölpreis würde fallen oder stagnieren – genauso wie
Rohstoffpreise und Inflation - und die Zinsen würden in einer
Handelsspanne verbleiben. Die US-Rezession wäre kaum merklich und würde
keine globale Rezession triggern. Der Schwelbrand der Finanzkrise würde
von der Fed erfolgreich ausgetreten werden können, bevor es zu einem
Flächenbrand kommt. Der US-Leitzins verbliebe bei zwei Prozent.
Teil
eines bärischen Szenarios ist eine kräftige US-Rezession, die letztendlich
die Finanzkrise für die US-Fed nicht mehr beherrschbar macht. Die
Insolvenzkandidaten heißen in diesem Fall Bank of America, Wachovia,
Lehmann Brothers, Washington Mutual, MBIA und Ambac. Als problematisch
würde sich die Verzahnung der Finanzinstitute herausstellen, die eine
gegenseitige Abhängigkeit schafft. Ganz eindeutig würde das internationale
Finanzsystem in einem solchen Fall auf eine harte Systemtauglichkeitsprobe
gestellt werden. Die Fed und andere Zentralbanken wären zu weiteren
Zinssenkungen gezwungen.
Ein
neutrales Szenario würde eine Situation zwischen Hoffen und Bangen
darstellen. Für ein solches Verhalten des Dow Jones Index spricht der
Verlauf des Dow in den beiden letzten Wahljahren (2004 und 2000).
Üblicherweise sind Wahljahre gute Jahre für den Dow Jones Index. Dies war
allerdings zum letzten Mal im Jahr 1996 der Fall. Auf dem folgenden Chart
zeigen wir die Verläufe der Wahljahre 2000, 2004 und 2008.
Die
Gemeinsamkeiten sind auffällig: Alle drei Jahre starteten schwach und
bildeten im März ein wichtiges Tief aus. Einem Hoch im April/Mai folgte
ein wichtiges Tief im August, ein Hoch September und ein wichtiges Tief
Ende Oktober. Im November/ Dezember kam es jeweils zu einer mehr oder
weniger großen Jahresendrallye.
Seit
dem Jahr 1900 lassen sich 28 Wahljahre ausmachen. Von denen endeten acht
Jahre im Minus. Interessant ist, dass es der Dow Jones Index in der ersten
Jahreshälfte 2008 an keinem Tag geschafft hat, ein Plus gegenüber dem
Vorjahresschlussstand zu erreichen (850 Punkte wären bis Ende Juni
aufzuholen; das ist wenig realistisch). Eine derart negative Bilanz nach
dem ersten Halbjahr schafften bei den Wahljahren nach dem zweiten Weltkrieg lediglich die
Jahre 1960 und 1984. Beide Jahre endeten im – einstelligen – Minusbereich.
Für
den weiteren Verlauf des Aktienjahres 2008 erscheint zusätzlich der
folgende Vergleich mit dem Jahr 1998 hilfreich.
Damals
erfuhr der Dow Jones Index von Mitte Juni bis Mitte Juli eine
Aufwärtsbewegung, die in einen bis Oktober anhaltenden Abverkauf mündete.
Auch hier kam es zu einer Jahresendrallye.
Fazit: Das neutrale Szenario
(Dow-Handelsspanne zwischen 11.800 und 13.000 Punkten) sollte der
Ausgangspunkt aller Überlegungen sein. Das Szenario dürfte im dritten
Quartal (Juli – September) einem Test am unteren Ende unterzogen werden.
Ein Durchbruch mit anschließender schneller Kapitulationsphase ist unserer
Ansicht nach wahrscheinlicher als eine Bewegung über die
13.000-Punkte-Marke, die einen neuen Bullenmarkt signalisieren würde. Ein
Fall unter die Marke von 11.800 Punkten würde voraussichtlich dann
eintreten, wenn sich die Finanzkrise nochmals entscheidend verschärfen
sollte. Das bullishe Szenario halten wir nur dann für wahrscheinlich, wenn
es im dritten Quartal zu einem lediglich milden Pullback und im vierten
Quartal zu einer kräftigen Rallye kommen sollte. Wichtige potentielle
Wendepunkte: Anfang August und Ende Oktober 2008.
Die Eintrittswahrscheinlichkeiten der
Szenarien schätzen wir aktuell wie folgt ein:
1. Bullisches Szenario: 20 Prozent
2. Bärisches Szenario: 40 Prozent
3. Neutrales Szenario: 40 Prozent
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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