4. Oktober 2008
66 Prozent Gewinn im Banken-Index
US-Rezessionen dauern im Durchschnitt etwa 14 Monate. Die Aktienmärkte
erreichen durchschnittlich nach 8 Monaten ihr Rezessionstief. Das letzte
Quartal 2007 war ein Quartal mit Minuswachstum. Wir halten es für
wahrscheinlich, dass das Datum des Beginns der aktuellen Rezession auf
November oder Dezember 2007 festgesetzt werden wird. Das bedeutet, dass
die aktuelle Rezession fast 12 Monate alt ist. Somit wird sie bald die
durchschnittliche Rezessionsdauer übertroffen haben.
Angesichts des Umstands, dass die Realwirtschaft erst jetzt verschärft die
Einflüsse der Kreditkrise zu spüren bekommt, gehen wir davon aus, dass
diese Rezession überdurch-schnittlich lang geraten wird. Solche Überlängen
gab es beispielsweise in den Jahren 1973/74, 1981/82 oder 1920/21. Diese
Rezessionen dauerten zwischen 16 und 18 Monaten. Nachfolgend stellen wir
den Ablauf dieser Rezessionen an den Aktienmärkten dar und fügen den
aktuellen Verlauf hinzu.
Danach befinden sich die Aktienmärkte in einer Phase, die einen letzten
Schub nach unten bringt (Kapitulationsphase). 1920/21 erfolgte das finale
Tief später (siehe schwarzen Pfeil) als in den beiden anderen Fällen. Doch
auch hier bedeutete der Zeitpunkt, an dem es in 1973/74 und 1981/82 zu
einem Tiefpunkt kam (rote Pfeile), ein für Monate gültiges Zwischentief.
Man sollte hinzufügen, dass die überlange Rezession von August 1929 bis
März 1933 („Große Depression“) hier nicht berücksichtigt wurde. Diese
dauerte dreieinhalb Jahre, brachte Armut und Hungersnöte sowie eine
Arbeitslosenquote von mehr als 25 Prozent.
Gestern überraschten die Erstanträge auf US-Arbeitslosenversicherung mit
knapp 500.000 die Konsensschätzungen negativ. Auf dem Chart ist zu
erkennen, dass die Niveaus der beiden letzten Rezessionen fast erreicht
worden sind.
Zu den Rezessionen von 1973/74 und 1981/82 besteht hingegen noch Luft.
Erfahrungs-gemäß verschlechtert sich die Arbeitsmarktstatistik bis in den
letzten Monat einer Rezes-sion hinein, das wäre bis weit ins kommende
Jahr. Geht man von einer Rezessionsdauer von 16 bis 18 Monaten aus, so
würde dies ein Anwachsen der Arbeitslosenzahlen bis zum Sommer 2009
bedeuten.
Herkunft und Fortgang dieser Rezession lassen sich gut anhand der
Hochpunkte diverser Märkte beschreiben. Zunächst toppten die Hausbauer
(Juli 2005), dann die Banken und der US-Einzelhandelsindex (Februar 2007),
dann der breite Markt (Oktober 2007), dann die Versorger (Dezember 2007)
und dann der Energiesektor (Mai 2008). Die Techno-logie-Werte (Nasdaq 100)
kamen im Juni 2008 fast noch einmal an ihre Hochs aus dem Jahr 2007 heran,
bevor auch sie deutlich nachgaben. Der Transport-Index erzielte im Juni
2008 sogar noch ein neues Allzeithoch, aber auch das ist passé.
Wir haben es mit einer roulierenden Rezession zu tun. Die Sektoren, die
anfangs schwach waren, zeigen bereits wieder relative Stärke und positive
Divergenzen. Während der breite Markt nahe seinem Jahrestief notiert,
befindet sich der US-Hausbau-Index ein gutes Stück über seinem Tief aus
dem Juli 2008. Das gleiche gilt für den US-Banken- und
US-Einzelhandelsindex. Die Versorger und der Energiesektor befinden sich
in freiem Fall, genauso wie die Techwerte, die Transporttitel und jetzt
auch die Nebenwerte (Russell 2000). Das, was sich bis zuletzt noch gut
hielt, agiert jetzt besonders schwach.
An der obigen Ablaufbeschreibung ist gut erkennbar, dass die
Sektor-Rotation in diesem Bärenmarkt bereits weit fortgeschritten ist. Es
existiert kein bedeutender Sektor mehr, der sich weiterhin dem Bärenmarkt
verweigert. Das heißt aber gleichzeitig, dass der Schlussakt des
Bärenmarktes bereits im vergangenen Monat begonnen hat. Die aktuelle Phase
ist eine Endphase, eine Kapitulationsphase. So hässlich sich die aktuelle
Phase auch ausnimmt: Der Bär kann mit seiner Tatze nicht mehr alle
Sektoren mit gleicher Wucht erreichen. Während er die Rohstoffwerte kurz
und klein schlägt, befinden sich die Hausbauer und auch die Banken bereits
ein Stück außerhalb der Reichweite der Bärenpranken. US-Investoren, die am
15. Juli in den US-Banken-Index eingestiegen sind, können sich derzeit
über ein Plus von 45 Prozent freuen. Investoren aus Europa liegen aufgrund
der Dollar-Stärke sogar mit 66 Prozent vorn. Und das trotz Pleiten, der
eingefrorenen Kreditsituation und „der größten Finanzkrise seit der großen
Depression“. Momentan verhält sich der US-Bankensektor genau so, wie er
sich in einer Rezession gemäß dem oben zitierten Prinzip der
Sektor-Rotation verhalten soll.
Fazit: Die aktuelle Rezession dürfte Überlänge haben. Dennoch erscheint
uns anhand der Normalverläufe überlanger Rezessionen und anhand des
Sektorrotationsverhaltens klar, dass sich die Aktienmärkte bereits in der
Schlussphase der Abwärtsbewegung befinden. Diese Schlussphase ist die
Kapitulationsphase. Sollte eine Stabilisierung der zyklischen Werte und
insbesondere der Tech-Werte eintreten, wäre dies als Zeichen dafür zu
sehen, dass ein Boden erreicht ist.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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