22. November 2008
Kein Japan-Szenario
Eine lang anhaltende Deflation nach dem Beispiel Japans dürfte der
globalen Wirtschaft erspart bleiben. Dies zeigen sowohl die Entwicklung
des Goldpreises als auch die Entwicklung der US-Überschuss-Reserven an.
Per Gesetz müssen US-Banken bei der US-Zentralbank Minimum-Reserven
vorhalten. Diese Minimal-Anforderungen befinden sich seit Jahren bei etwa
40 bis 45 Mrd. US-Dollar. Da die Banken normalerweise ein hohes Interesse
daran haben, ihr Geld arbeiten zu lassen, versuchen sie,
Überschuss-Reserven zu vermeiden. Noch im August betrugen die bei der Fed
geparkten Überschuss-Reserven nur etwa 2 Mrd. US-Dollar. Per Ende Oktober
ist der Betrag auf 262 Mrd. US-Dollar angestiegen. Neue Zahlen (per 19.
November) zeigen an, dass die Überschuss-Reserve nochmals stark – auf
jetzt 604 Mrd. US-Dollar - angewachsen ist. Diese Zahl übertrifft den
Betrag des vom US-Kongress im September verabschiedeten Rettungspakets
(500 Mrd. US-Dollar). Dies zeigt, dass die Banken in der aktuellen
Situation lieber Cash zu ungünstigen Konditionen horten (effektiver
Zinssatz bei der Fed derzeit um 0,3%) als es zu verleihen. Die Angst, das
Geld im Wirtschaftskreislauf durch Insolvenzen oder Überschuldung zu
verlieren, scheint übermächtig zu sein.
Sobald die Banken glauben, dass die Luft rein ist, werden sie das
Überschusskapital nutzen und damit Geld verdienen wollen. Möglicherweise
ist der Betrag dann noch weiter gewachsen, vielleicht sogar auf eine
Billion US-Dollar. So schnell, wie sich die Überschussreserve aufgebaut
hat, kann sie dann wieder abgebaut sein. Sollte dieser Betrag – der kein
Pappenstiel ist - dann tatsächlich in komprimierter Form in die
Realwirtschaft fließen, dürfte dies zu einer monetären Überreaktion
führen, die sich in einer erhöhten Inflationsrate ausdrücken würde.
Gold gilt als Inflationsschutz, und das zu Recht. Deshalb sollte man zur
Kenntnis nehmen, dass sich der Goldpreis in Euro per gestern nahe des im
Jahr 1983 erzielten Allzeithochs befindet.
Das Allzeithoch notiert auf Schlusskursbasis bei 660 Euro. Am Freitag
schloss der Goldpreis bei 630 Euro. Ein Ausbruch auf ein neues Hoch kann
demnach jederzeit erfolgen. Wir gehen davon aus, dass die auf dem Chart
gezeigte Formation (Tasse-Henkel-Formation) das Potential hat, den
Goldpreis in Euro in den Bereich von 1.000 Euro zu treiben. Auch der
Goldpreis in US-Dollar befindet sich noch innerhalb seines langfristigen
Aufwärtstrends.
Fazit: Der Bogen für eine Reflation (d.h. Stoppen der Deflation und Aufbau
einer politisch gewollten neuen Phase der Inflation) spannt sich mehr und
mehr. Sowohl die dramatische Zunahme der Überschuss-Reserven als auch die
relative Stärke des Goldpreises zeigen eine solche Entwicklung an. Eine
solche Entwicklung dürfte – wegen Vermeidung des Japan-Szenarios - zu
einer Erleichterungsrallye an den Aktienmärkten führen. Die Gefahr eines
Überschiessens der Inflation - mit mittelfristig dann wieder negativen
Folgen für die Aktienmärkte – bleibt akut. Verfolgen Sie die
Marktentwicklungen in unserer handelstäglichen Ausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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