21. März 2009
Führt Verschuldung zu Inflation?
Angesichts der steigenden US-Staatsverschuldung (Ende 2009 dürfte sich die
Verschuldung des öffentlichen Sektors bei mehr 12 Billionen US-Dollar
befinden) stellt sich die Frage, ob Verschuldung an sich automatisch
Inflation auslöst. Dabei sollte man seinen Blick nicht nur auf die
absolute Verschuldung oder auf die Verschuldung in Abhängigkeit vom BIP
richten. Wichtiger erscheint und die Verschuldungsdynamik zu sein. Diese
lässt sich – genauso – wie die Teuerungsdynamik am besten in der
Veränderungsrate gegen-über dem Vorjahr ausweisen.
Der Blick auf den folgenden Chart fördert einige Erkenntnisse zu Tage.
Erstens ist abzulesen, dass im vergangenen Jahrhundert zwei Perioden mit
extremer Ver-schuldungsdynamik existierten. Es waren die Zeiträume, in
denen die beiden Weltkriege stattfanden. Die Verschuldungsrate erreichte
1917 einen Spitzenwert von 155 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 1942 wurde
ein Anstieg von knapp 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt. Diese
beiden Spitzen sind auf dem obigen Chart gekappt.
Zweitens lässt sich insgesamt ein Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung
und Inflationsrate erkennen. In der Regel steigt mit zunehmender
Verschuldungsdynamik auch die Inflationsrate. Allerdings gibt es
Ausnahmen. So stieg die Verschuldung zwischen 1930 und 1932 deutlich an.
Dennoch fiel die Inflationsrate bis 1932 in den Bereich von minus 10
Prozent (grüner Doppelpfeil). Eine weitere Ausnahme stellt die Bewegung
Anfang der 80er Jahre dar (schwarzer Doppelpfeil). Damals schob Ronald
Reagan die Wirtschaft durch die Staatsverschuldung hochtreibende
Steuerentlastungen an („Reaganomics“). Dennoch fiel die Inflationsrate
damals von 15 auf 5 Prozent.
Aktuell befindet sich die Verschuldungsdynamik im Bereich von 20 Prozent,
während die Inflationsrate um null stagniert. Damit hat die
Verschuldungsdynamik diejenige des Jahres 1932 erreicht.
Wirft man einen Blick auf die Veränderung der Geldmenge M2 und die
US-Inflationsrate, so wird ebenfalls ein Zusammenhang deutlich.
Während die Geldmenge M2 zwischen 1930 und 1932 deutlich fiel (schwarzer
Pfeil) und damit die Deflation beschleunigte, ist aktuell ein Anstieg der
Geldmenge erkennbar. Eine Aufwärtsbewegung der Geldmenge lässt
normalerweise eine ausgedehnte Phase der Deflation nicht zu – jedenfalls
nicht in den vergangenen 110 Jahren in den USA.
Fazit: Die Verschuldungsdynamik hat diejenige des Jahres 1932 erreicht.
1932 war das Jahr, in dem die US-Inflationsrate einen wichtigen Tiefpunkt
markierte – übrigens auch die US-Aktienmärkte. Hinzu kommt, dass eine
Geldmengenausweitung wie aktuell üblicherweise kaum Deflation zulässt. Wir
schließen aus den oben genannten Charts, dass die aktuellen Maßnahmen von
US-Zentralbank und der US-Regierung durchaus das Potential haben, der
Deflation Einhalt zu gebieten. Verschuldung hat historisch betrachtet
einen positiven Einfluss auf die Inflationsrate.
Insgesamt wird die Steuerung jedoch schwieriger, die Gefahr einer
überschießenden Inflation bei zuviel Stimulus größer. Das Kernproblem:
Niemand weiß, wann zuviel zuviel ist. Bernanke nicht, Geithner nicht,
Obama nicht. Deshalb geben sie an dieser Stelle soviel Gas wie nur irgend
möglich. Bremsen kann man später immer noch, so lautet die Leitlinie. Die
Märkte sind und bleiben keine Einbahnstraße, sondern bewegen sich
zyklisch. Man muss sich die Auswirkungen der Austarierungsversuche der Fed
so vorstellen wie eine Brücke, die – z.B. durch im Gleichschritt
marschierende Soldaten - immer stärker in Schwingungen gerät. Die
Schwingungen werden stärker und stärker, die Brücke beginnt sich
aufzubäumen, und dann bricht sie. Hoffen wir, dass die Soldaten zu
marschieren aufhören, bevor die Brücke zusammenbricht.
Wir gehen davon aus, dass die Schwingfrequenz der Märkte in den kommenden
Monaten eher nachlassen wird, bevor sie sich wieder dynamisch negativ
verstärkt.
Verfolgen Sie das Marktgeschehen in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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