14. November 2009
Die Menetekel der
Gesellschaft
Massenarbeitslosigkeit und Inflation sind die wirtschaftlichen Menetekel
einer Gesellschaft. Während Arbeitslosigkeit den Einzelnen trifft (ähnlich
einer Krankheit), bedeutet Inflation eine Belastung jedes einzelnen
Bürgers. Inflation ist gleich Geldentwertung. Vormals gutes und häufig
hart verdientes Geld wird durch inflationiertes - und damit schlechtes -
Geld entwertet. Inflation wirkt wie eine zusätzliche Steuer auf Bargeld.
Doch im Vergleich zu welchen Gütern wird Geld abgewertet? Wenn jemand –
nur um mal eine Summe zu nennen - über 50.000 Euro Bargeld verfügt und
keinerlei Sachwerte besitzt, ergreift ihn die „Bargeldsteuer“ Inflation
mit voller Wucht. Hat er hingegen 40.000 der 50.000 Euro in Sachwerten
angelegt (z.B. Aktien, Edelmetalle, Immobilien etc.), so kann eine
weitgehende Werterhaltung die Folge sein. Beispiel Gold: Der Goldpreis
wurde zu Beginn dieser Dekade mit 285 Euro gehandelt. Aktuell müssen für
eine Unze Gold 750 Euro auf den Tisch geblättert werden. Laut offiziellen
Angaben des statistischen Bundesamtes betrug der Anstieg der
Verbraucherpreise in Deutschland seit Beginn dieser Dekade (Jahr 2000)
knapp 18 Prozent. Da der Goldpreis in Euro in diesem Zeitraum um 260
Prozent anstieg, wurde Gold seiner inflationsschützenden Eigenschaft mehr
als gerecht. Dies gilt im Übrigen für den gesamten Zeitraum der Aufgabe
der Goldpreisbindung seit Anfang der 70er Jahre. Während sich die
Verbraucherpreise in Deutschland seitdem verdreifacht haben, konnte sich
der Goldpreis in Euro mehr als verzehnfachen.
Inflation wirkt je nach Wohlfahrtssystem unterschiedlich. In Deutschland
beträgt der Anteil der Einkommen, die ohne direkte ökonomische
Gegenleistung gezahlt werden (Renten, Pensionen, Kindergeld, Sozialhilfe,
Arbeitslosengeld etc.) inzwischen mehr als 50 Prozent. Laut FAZ vom
7.10.2007 standen in den 70er Jahren in den westdeutschen Bundesländern
20,6 Millionen Lohnsteuerzahlern noch 11,2 Millionen Rentner, Arbeitslose
und Sozialhilfeempfänger gegenüber, die von staatlichen Transfers lebten,
mittlerweile stehen 30,8 Millionen Transferleistungsempfängern nur noch
25,7 Millionen Lohnsteuerzahler gegenüber. Das bedeutet: Der überwiegende
Teil des deutschen Volkseinkommens ist mittlerweise abhängig von
staatlichen Preisfestsetzungen (Stichwort „DDR light“). Das Einkommen ist
damit extrem unelastisch geworden. Eine leichte Deflation wie aktuell ist
für den Großteil unserer Gesellschaft deshalb keine Bedrohung (sondern
eher das Gegenteil), weil bei gleichbleibendem Nominaleinkommen und
fallenden Lebenshaltungskosten die Realeinkommen steigen.
Deutlich anziehende Preise sind hingegen für Wohlfahrtsgesellschaften wie
die unserige eine Horrorvision. Die Realeinkommen sinken, weil der Staat
nicht in der Lage sein wird, die Transfereinkommen entsprechend anzuheben.
Steigende Inflationsraten gehen für einen hochverschuldeten Staat wie
Deutschland mit steigenden Haushaltsbelastungen einher. In einer solchen
Situation ist eine Absenkung des Lebensstandards weiter Bevölkerungskreise
unvermeidlich.
In der großen Depression der 30er Jahre herrschte in vielen Ländern der
Welt Massen-arbeitslosigkeit. Allein in Deutschland wurden 6 Millionen
Arbeitslose gezählt, in den USA betrug die offizielle Arbeitslosenquote 25
Prozent. Seither hat sich die Situation beider Staaten grundlegend
verändert. Während die Bevölkerung Deutschlands bereits seit dem Jahr 2003
rückläufig ist (aktuell 82 Mio. Einwohner), wächst die Bevölkerung der USA
weiterhin deutlich. Die unterschiedliche Entwicklung der
Arbeitslosenstatistik in der Finanzkrise (USA stark steigende, Deutschland
kaum steigende Arbeitslosigkeit) dürfte auch darauf zurückzuführen sein,
dass in Deutschland nur ein begrenzter Pool von potentiellen Arbeitnehmern
zur Verfügung steht. Das Menetekel Arbeitslosigkeit ist offensichtlich in
dieser Krise hier nicht das große Problem, während in den USA die
Befürchtungen im Bezug auf Massenarbeitslosigkeit derart hoch sind, dass
Präsident Obama im Dezember Experten zu einem „Arbeitsmarktgipfel“
eingeladen hat.
In den dreißiger Jahren gewann Keynes gegen Hayek. Während der - neben
Mises renommierteste und später (sinnigerweise im Katastrophenjahr 1974)
mit einem Nobelpreis bedachte Vertreter der österreichischen Schule –
Friedrich August von Hayek eine scharfe Rezession mit
Massenarbeitslosigkeit in Kauf nehmen wollte, hatte John Maynard Keynes
anderes im Sinn. Die Lockerung der Geldpolitik (staatlich gelenkte
Reflation) sollte letztendlich der Massenarbeitslosigkeit den Garaus
machen. Doch erst der Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg sorgte für
Beschäftigung. Noch 1940 betrug die US-Arbeitslosenquote 15 Prozent.
Dennoch wurde die Geldpolitik a la Keynes von jetzt ab als das
Nonplusultra der Konjunktursteuerung dargestellt. Politik in einer
demokratisch organisierten Wohlfahrtsgesellschaft (besser:
„Wohlfühlgesellschaft“) richtet sich stets nach der Maxime des
Schmerzminimums. Das bedeutet: Ein Politiker hat dafür zu sorgen, dass
eine Gesellschaft in ihrer Gesamtheit möglichst schmerzfrei bleibt. Da ein
Konjunkturzyklus jedoch auch durch keynsianische Methoden nicht
ausgehebelt werden kann, versuchen US-Präsidenten schon lange, diese
Zyklen so zu steuern, dass die Konjuktureinbrüche wenigstens im Wahlkampf
nicht stören. Es gelingt ihnen – und der Fed - auch einigermaßen. Dafür
bezahlen sie regelmäßig mit Einbrüchen zur Mitte der Wahlperiode. Man
denke an die für die Aktienmärkte sehr schwierigen Jahre 1930, 1962, 1974,
1990, 1998 oder auch 2002. Auch das Jahr 2010 ist ein Jahr, das zu diesem
Zyklus gehört.
Fazit: Unterschiedliche demographische Entwicklungen werfen ihre Schatten
voraus. Inflationierung ist ein Spiel mit dem Feuer, das in Europa
angesichts der unelastischen Einkommenssituation wesentlich weniger
akzeptabel erscheint als beispielsweise in den USA. Massenarbeitslosigkeit
dürfte – im Vergleich zur Inflation – die geringere Bedrohung in
Deuschland sein. Europäische Zentralbanker sollten sich diesem Unterschied
zu den USA bewusst sein. Gold bietet seit dem Ende der Goldpreisbindung
Anfang der 70er Jahre für europäische Anleger einen zuverlässigen
Inflationsschutz (in den Jahrzehnten zuvor war dies aufgrund des
Goldpreisfixings nicht der Fall). Und der durch die geldpolitischen
Manipulationen der Fed gesteuerte Konjunkturzyklus erlebt in
Zwischenwahljahren (zweites Jahr einer Wahlperiode) regelmäßig Einbrüche,
so dass man sich für das Jahr 2010 anschnallen sollte. Unser
Finanzmarktausblick für das Jahr 2010 erscheint in etwa sechs Wochen.
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Euro). Für Abonnenten (kein Schnupperabo) ist der Ausblick im Abopreis
enthalten.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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