21. November 2009
Der letzte "Bail-out"
Wie wird das Endspiel der Finanzmärkte aussehen? Langsam aber sicher fügt
sich das Bild zusammen. Der „Ablaufplan“ wird von wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und nicht zuletzt politischen Veränderungen geprägt.
Einige Hinweise liefern die folgenden Zitate.
Den Untergang des römischen Reiches kommentierte der amerikanische
Historiker Bruce Bartlett mit den Worten: „Man sagt, dass die Römer die
„Barbaren“ als Retter begrüßten, die gekommen waren, sie von ihrer
Steuerlast zu befreien“.
Der deutsche Philosoph Spengler stellte sich folgendes vor: “Nur die
Hochfinanz ist ganz frei, ganz unangreifbar. Die Banken und die Börsen
haben sich seit 1789 am Kreditbedürfnis der ins Ungeheure wachsenden
Industrie zur eigenen Macht entwickelt und sie wollen – wie das Geld in
allen Zivilisationen – die einzige Macht sein. Die Diktatur des Geldes
schreitet vor und nähert sich einem natürlichen Höhepunkt. Und nun
geschieht etwas, das nur begreifen kann, wer in das Wesen des Geldes
eingedrungen ist: Wäre es etwas Greifbares, so wäre sein Dasein ewig; da
es eine Form des Denkens ist, so erlischt es, sobald es die
Wirtschaftswelt zu Ende gedacht hat, und zwar aus Mangel an Stoff.“ (Der
Untergang des Abendlandes, Seite 1192, Beck-Verlag 1917).
Spengler hat Recht: Unser Geld ist eine Form des Denkens. Wir sehen einen
Papierschein mit einer Zahl drauf und glauben, dass wir damit über einen
Wert verfügen. Da dies alle glauben, ist der Glaube allgemeingültig („eine
Konvention“). Der Wert des Papiers bemisst nur Teile eines Cents, wenn
überhaupt. Der Glaube an Papiergeld ist gleichzusetzen mit dem Glauben an
den Staat. Der Staat garantiert, dass der Papierschein dem Wert
entspricht, der draufsteht. Bei uns ist die Garantie in einem EU-Vertrag
festgeschrieben, bei den Amerikanern garantiert die US-Regierung für den
Dollar.
In einer repräsentativen Demokratie schicken die Bürger gewählte
Volksvertreter in die Parlamente. In den USA ist dies der amerikanische
Kongress (Senat und Repräsentanten-haus). Nur der Kongress ist in der
Lage, Veränderungen in der dem Dollar zugrunde liegenden Bewertung
herbeizuführen (sollte man meinen). In der Realität wird diese Macht („Monetary
Policy“ oder „Geldpolitik“) durch eine halb private und halb staatliche
Organisation namens Federal Reserve Bank ausgeübt, deren oberster
Vertreter nicht vom Volk gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt wird.
Diese Bank soll gleichzeitig den Banken und dem Volk dienen. Häufig
ergeben sich Interessenskonflikte, und im Zweifel wird zugunsten der
Banken gehandelt.
Jahrzehntelang hat das amerikanische Volk dieses Gebaren akzeptiert. Es
wurde fetter, es wurde reicher, die Fed galt als Garant der
wirtschaftspolitischen Macht Amerikas. Doch in den letzten Jahren ist
einiges schief gegangen. Die Rettung des Finanzsystems, das im
September/Oktober 2008 vor dem Kollaps stand, wurde teuer erkauft. Die
Rettung erzeugte extreme Ungleichgewichte. Das amerikanische Volk sieht,
dass sich nichts geändert hat: „Too big to fail“ bleibt das Mantra der Fed.
Während die Arbeitslosigkeit in den USA steigt – die Arbeitslosenquote
beträgt 17,5 Prozent (wenn man diejenigen einbezieht, die Vollzeit
arbeiten wollen, aber nur Teilzeit arbeiten dürfen), werden von den
Bankern Rekordboni (allein 16,7 Mrd. USD bei Goldman Sachs) ausgeschüttet.
Der selbsternannte „Diener Gottes“ steht als Unternehmen da, das seinen
„Bruder“ Lehman Brothers gemeuchelt hat. Rein zufälligerweise konnte es
dadurch seine Kundenbasis deutlich verbreitern. Dem steht eine Vielzahl
von Arbeitslosen gegenüber, denen der Ablasshandel von Goldman Sachs
(immerhin eine Spende von 500 Millionen Dollar für 10.000
Kleinunternehmen) dennoch wie Hohn in den Ohren klingen muss. Das Geld
reicht für die Beschäftigung von 10.000 Arbeitnehmern, die jeweils 50.000
US-Dollar verdienen. Das ist zwar besser als nichts, aber derzeit sind
über 20 Millionen US-Amerikaner arbeitslos bzw. arbeiten erzwungenermaßen
Teilzeit. Eine Gesellschaft zerreißt, wenn die Unterschiede abgründig groß
werden. Neid und Wut steigern sich.
Der US-Abgeordnete Ron Paul - seit Jahren einer der schärften Kritiker der
Fed – hat im September ein Buch mit dem Titel „End the Fed“
veröffentlicht. Er wird auf einmal ernst genommen und bei immer breiteren
Volksmassen als Held gefeiert. Jüngst durfte er auf CNBC ein zehn Minuten
langes Interview geben. Paul hat in den Kongress ein Gesetz eingebracht,
mit dessen Hilfe die Fed einem Audit unterworfen werden soll. Die
Geheim-niskrämerei der Fed soll ein Ende haben. Dieses Gesetz ist auf dem
Weg durch die Instanzen derart verwässert worden, dass von diesem Ziel
nicht viel übrig geblieben ist. Aber immerhin: Es hatte von Beginn an die
Unterstützung von mehr als 300 Abgeordneten.
Im Lichte dieser Stimmungslage muss man sich vorstellen, was im Falle
einer Double-Dip Rezession geschehen würde. Der US-Konsument kauft
weiterhin nicht, die Arbeits-losigkeit steigt nach einem leichten Rückgang
weiter an und die Banken geraten erneut in Schwierigkeiten. Der
US-Banken-Index zeigt übrigens seit Monaten relative Schwäche zum
Gesamtmarkt. Jetzt, da in den USA das „Cash for Clunkers“ („Bargeld für
Schrott-karren“) -Progamm beendet ist, beginnt das inoffzielle
Nachfolgeprogramm „Gold for Clunkers“ („Gold anstelle Schrott-Dollar)“:
Der Goldpreis steigt von Tag zu Tag, während der US-Dollar verbal und
wahrscheinlich auch per Intervention - gestützt werden muss, um nicht
weiter zu fallen.
Was passiert also in einer erneuten Rezessionssituation? Wird die Fed
wieder ihr „Bail out“ – Progamm in einer wahrscheinlich noch größeren
Dimension als aktuell fahren können? Wir erinnern uns: Schon Ende 2008,
als ein „Bail Out“-Programm vom Kongress verabschiedet wurde, geschah dies
mit einer äußerst knappen Mehrheit. Seither ist die Arbeitslosigkeit
deutlich gestiegen und die Stimmung weiter gekippt. Die Fed (und auch das
US-Finanzminsterium) tun alles, um den Kongress nicht mehr in
geldpolitische Dinge involvieren zu müssen. Die Expansion der
Fed-Bilanzsumme ist vielen im amerikanischen Kongress ein Dorn im Auge.
Der Druck des Volkes wird größer, auch auf die Institution namens „Federal
Reserve Bank“ selbst.
Ich behaupte, dass der amerikanische Kongress einen erneuten Bailout in
der Größen-ordnung von 2008 oder größer nicht mehr tolerieren wird. Das
Wort würde dann sein: „Let them fail!“
Dann haben wir Deflation, nicht Hyper-Inflation. Ron Paul bekäme seinen
Willen, genauso wie die Vertreter der österreichischen Schule. Die Welt
wäre dann eine andere, es würde einen - zunächst schmerzlichen – Neuanfang
geben. Dieser würde wahrscheinlich ohne die Fed, aber mit Hilfe eines
Rohstoff-Standards (Gold, Silber) durchgeführt werden. Warum die Bindung
einer Währung an Rohstoffe? Das Volk möchte einer Währung vertrauen
können. Das Vertrauen in den Staat als Währungsgarant hätte sich erledigt.
Die Beständigkeit und Werthaltigkeit von Gold und Silber würde hingegen
nicht in Zweifel gezogen. Spätere Generationen dürften ein Gefühl der
Dankbarkeit dafür empfinden, dass sie sich - durch die Erneuerung des
Finanzsystems - innerhalb eines insgesamt besser funktionierenden
Wirtschaftssystems bewegen können.
Unser Finanzmarktausblick für das Jahr 2010 erscheint zum Jahreswechsel.
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Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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