06. Februar 2010
Blindes Staatsvertrauen
In zwei bis drei Jahren wird sich der Anleger rückwirkend fragen, wie er
den staatlichen Finanzorganen so dermaßen auf den Leim gehen konnte. Am
langen Ende können sich die Staaten mit 1,3 Prozent (Japan) oder 3,6
Prozent (USA) billig versorgen, am kurzen Ende entfällt die Zinszahlung
nahezu. Fazit: Man leiht einer hochverschuldeten Staatengemein-schaft Geld
zu einem „Witz-Zins“. Der Titel eines Films mit dem Kult-Schauspieler der
50er Jahre (James Dean) hieß: „Denn Sie wissen nicht, was sie tun“. Ein
Blick auf die folgende Grafik legt den Schluss nahe, dass der Film-Titel
in der heutigen Zeit hoch aktuell ist.
Laut Umfrage der „American Association of Individual Investors (AAII)“
bewegt sich der Anteil der Anleihen an den Gesamtinvestments mit etwa 25
Prozent auf einem 20-Jahres-Hoch (grüne Linie folgender Chart).
Leider zeigt sich in der Historie der Finanzmärkte immer wieder, dass die
Masse auf dem Höhepunkt wichtiger Entwicklungen regelmäßig falsch liegt.
Vor Beginn der Finanzkrise war es sinnvoll, einen Teil seines Vermögens
zur Absicherung in Staatsanleihen zu stecken. Es war klar, dass der Staat
als „letzter Kreditgeber“ in die Bresche springen würde. Doch ebenso klar
ist, dass der finanzielle Kraftakt, den die Staatengemeinschaft zu stemmen
hatte und noch hat, nicht ohne Systembrüche vonstatten gehen kann.
Wir kennen es nicht anders: Staaten sind vertrauenswürdiger als
Unternehmen. Staatsanleihen verzinsen sich niedriger als
Unternehmensanleihen. Dies gilt für die Zeit von 1945 bis heute.
Der obige Chart zeigt die Entwicklung der Zinssätze auf US-Staats- und
Unternehmensanleihen seit 1920. Ein Blick auf die 1930er Jahre zeigt, dass
damals die Zinssätze auf Unternehmensanleihen bester Bonität (AAA)
unterhalb der Zinssätze für 30jährige US-Staatsanleihen notierten.
Man vertraute demnach den Unternehmen mehr als dem Staat. Wir gehen davon
aus, dass in den kommenden Monaten und Jahren zunehmend höhere
Risikoprämien für Staatsanleihen eingefordert werden. Dies könnte dazu
führen, dass die Zinssätze für Staatsanleihen über den Zinssätzen für
Unternehmensanleihen bester Bonität notieren werden. In beiden Fällen
dürfte jedoch die Tendenz in den kommenden Jahren nach oben gerichtet
sein.
Heute werden Staatsanleihen mehr denn je als „sicherer Hafen“ betrachtet.
Wie oben ausgeführt, dürfte eine solche Einstellung fatale Folgen für die
dort investierten Anleger haben. Dubai, Griechenland und Portugal waren
nur der Anfang.
Man sollte als Anleger jedoch beachten, dass auch solche Themen zyklisch
ablaufen. Zwischenzeitlich wird es Momente geben, in denen die
Öffentlichkeit glaubt, dass sich die Märkte für Staatsanleihen beruhigt
haben werden. So dürfte die erste Welle bald abebben. Die Zinssätze für
griechische Staatsanleihen erreichten bereits Ende Januar mit 7,16 Prozent
ein vorläufiges Hoch (derzeitiger Stand: 6,6 Prozent). Sobald diese
Beruhigung eintritt, werden auch der Euro und die Aktienmärkte Luft holen
können. Unserer Meinung nach stehen die Märkte kurz vor einer solchen
Erholung.
Aber eine zweite Welle wird sicher kommen, und dann geht es nicht mehr nur
um wirtschaftliche Leichtgewichte wie Griechenland oder Portugal, sondern
dann werden Japan und die USA am Pranger stehen. Verfolgen Sie die Märkte
mit uns in der handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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