Wochenend-Wellenreiter vom 20. März 2010
Spekulation und
Wirtschaftsentwicklung
Wechselkurse spiegeln realwirtschaftliche Prozesse wider. Ein Land mit
einem starken Wirtschaftswachstum verfügt in der Regel über eine starke
Währung. Umgekehrt gilt dies ebenfalls. Währungen gelten als ein
Ausgleichsmechanismus gegen Extreme, die sich in die eine oder andere
Richtung ausbilden können. Man nehme die Entwicklung der deutschen Mark.
Die DM wertete beständig gegenüber Währungen wie der italienischen Lira
oder dem französischen Franc auf. Dies führte dazu, dass der deutschen
Exportstärke eine Art Ausgleichsmechanismus in Form steigender
Exportpreise entgegengestellt wurde. Deutsche Waren verteuerten sich in
Frankreich und Italien, so dass er Expansion über den Preis in den
jeweiligen Ländern Grenzen gesetzt wurden.
Seit der Einführung des Euro funktioniert dieses Ventil innerhalb
Eurolands nicht mehr. Da sich die Reallöhne in Deutschland im Gegensatz zu
vielen anderen EU-Ländern in den vergangenen 20 Jahren kaum erhöht haben,
können deutsche Unternehmer Qualitätswaren zu günstigen Preisen anbieten.
Früher haben sich Staaten in den Grenzen der heutigen Europäischen Union
nicht nur mit Abwertungen, sondern auch mit der Erhebung von Warenzöllen
und Importsteuern vor der überlegenen Konkurrenz geschützt. Der freie
Waren- und Handelsverkehr ist eine Errungenschaft, die insbesondere
exportstarken Ländern wie Deutschland zugute kommt.
Das Verhältnis zwischen China und den USA ist in dieser Hinsicht ähnlich
dem Verhältnis Frankreichs zu Deutschland. Auch zwischen den USA und China
besteht eine – wenn auch nur einseitig gewollte – Währungsunion, und auch
die USA beklagen sich über die chinesische Exportstärke. Doch anders als
Frankreich wird die Anwendung protektionistischer Mittel in den USA
diskutiert, solange das Mittel des Wechselkursmechanismus außer Kraft
gesetzt ist.
Wie aber funktioniert so ein Wechselkursmechanismus? Die Währungsbeziehung
zweier Staaten ist prinzipiell nichts anderes als eine Funktion der
Realzins-Differenz. Verfügt ein Land über einen hohen Realzins, so zeigt
seine Währung im Vergleich zu einem Land mit einem niedrigen oder gar
negativen Realzins relative Stärke. Der Vergleich zwischen den Realzinsen
in Euroland und den USA (nächster Chart) ist dafür ein gutes Beispiel.
Was ist der Realzins? Der Realzins ist die Differenz zwischen dem Zinssatz
auf 10jährige US-Anleihen und der Inflationsrate. In den USA beträgt die
Inflationsrate derzeit 2,2 Prozent. Der Zinssatz für 10jährige US-Anleihen
beträgt 3,7 Prozent. Das bedeutet, dass der Zinssatz real
(=inflationsbereinigt) 1,5 Prozent beträgt.
Die Festlegung eines Realzinses für Europa ist derzeit schwierig. Eine
gemeinsame Europa-Anleihe existiert ja nicht. In den vergangenen 10 Jahren
war das kein Problem, da die Anleihen im Euro-Raum nur gering
divergierten. Heute dürfte sich der Durchschnitt der 10jährigen Anleihen -
gewichtet nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Mitgliedsländer - bei
etwa 3,5 Prozent bewegen. Da sich die Inflationsrate in Europa bei etwa
1,6 Prozent befindet, dürfte der europäische Realzins angenähert im
Bereich von etwa 2 Prozent liegen.
Eine steigende Inflationsrate wirkt sich negativ auf den Realzins aus.
Länder mit hohen Inflationsraten haben Probleme mit ihrer Währung. Sollten
sich in Europa Inflations-tendenzen breit machen – die Benzinpreise an den
Tankstellen befinden sich auf dem Weg zu den Hochs vom Sommer 2008 – so
würde der Euro unter Druck bleiben.
Interessant ist auch der Blick auf Japan. Die Realzins-Differenz zwischen
Japan und den USA befindet sich derzeit auf einem Extremniveau. Durch die
hohe Deflation verfügt Japan – trotz eines wesentlich niedrigen Zinssatzes
– ein um zwei Prozent-Punkte besseres Realzinsniveau als die USA.
Die Differenz von zwei Prozentpunkten war in den vergangenen 20 Jahren
bereits zweimal ein Umkehrpunkt: Ende 1990 und Ende 2005. Wir halten es
deshalb für wahrscheinlich, dass die Realzinsdifferenz jetzt beginnt, sich
Richtung Nulllinie zu begeben (gestrichelte Linie obiger Chart). Das würde
eine Abnahme der Deflation in Japan bei nicht oder nur wenig zunehmender
Inflation in den USA bedeuten.
Wir hatten weiter oben geschrieben, dass die Wechselkursentwicklung der
Währungen zweier Staaten eine Funktion der Realzinsdifferenz ist. Dies mag
für „normale Zeiten“ gelten. Was aber, wenn – wie aktuell – ein extrem
spekulatives Momentum im Euro aktiv ist? In diesem Fall beeinflussen die
spekulativen Kräfte über den Wechselkurs den Realzins - und damit das
Zinsniveau und die Inflationsrate - eines Wirtschaftsraums.
Fazit: Wie in der Vorwoche bereits angesprochen erwarten wir für die
kommenden Monate einen stärker werdenden Dollar/Yen. Die wahrscheinliche
Entwicklung der Realzinsdifferenz bestärkt uns in dieser Haltung. Für den
Euroraum gilt es, Inflationstendenzen zu vermeiden. Die extreme
Spekulation gegen den Euro lässt das Aufkommen von Inflation im Euroraum –
über die Verteuerung der Rohstoffpreise - wahrscheinlicher werden.
Ich bin mir sicher, dass sich die Politik dies nicht gefallen lassen wird.
Wenn es darum geht, entweder einen in seiner Existenz gefährdeten Staat zu
retten oder Spekulanten zu Gewinnen zu verhelfen, ist klar, für welchen
Weg sich die Politik - unter Nutzung ihrer legislativen Gewalt -
entscheiden wird.
Verfolgen Sie das Geschehen an den Finanzmärkten in unserer handelstäglich
vor Marktbeginn erscheinenden Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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