Wochenend-Wellenreiter vom 10. April 2010
"Gier ist gut"
Am 11. Dezember 1987 wurde der
Film „Wall Street“ in den US-Kinos zum ersten Mal gezeigt. Die Rolle
brachte Michael Douglas einen Oscar ein. Zwei Monate zuvor – im Oktober
1987 – kam es an der Wall Street zu einem Aktienmarktcrash.
Im Sommer 2007 wurden erste
Meldungen über eine Fortsetzungsgeschichte über die Medien verbreitet.
Nachdem der Filmstart für den 23. April 2010 geplant war, wurde dieser auf
den 24. September 2010 verschoben. Die Möglichkeit, den Film auf dem
Festival in Cannes im Mai zeigen zu können, soll der Grund für diese
Maßnahme sein. Den Trailer zum Film "Wall Street - Money never sleeps"
findet man hier:
http://tinyurl.com/ycts3ox
Interessanterweise lief
bereits im Jahr 1929 ein Film namens „Wall Street“ in den amerikanischen
Kinos. Der Film startete dort am 1. Dezember 1929, also etwa zwei Monate
nach dem großen Crash von 1929.
Filme sind ein Ausdruck des
Zeitgeistes. In den 1930er Jahren erlebte das Kino eine seiner besten
Dekaden überhaupt. Die Zeiten waren schlecht („Große Depression“); man
wollte die heile Welt zumindest im Kino sehen. Gleiches gilt für die
Hochkonjunktur der Heimatfilme im Deutschland der 1950er Jahre: Die eigene
Welt war zerstört, aber in den Alpen blühten die Blumen, die Wiesen waren
saftig, die Welt war heil.
Hingegen wurden in kaum einem
Zeitraum so viele Horrorfilme gedreht wie von Ende der 1980er bis Ende der
1990er Jahre. Die Zeiten waren gut („Börsenhausse“), die Sehnsucht nach
„dem Bösen“ wurde im Kino befriedigt.
Legt man das Timing der
Filmstarts von 1929 und 1987 zugrunde, so müsste es etwa zwei Monate vor
dem Filmstart von „Wall Street – Money never sleeps“ zu einem Crash an den
Aktienmärkten kommen. Das wäre im Juli 2010. Doch anders als 1987 und 1929
befindet sich die „Main Street“ derzeit nicht in einer Phase der Euphorie.
Der Privatanleger ist kaum investiert; er hat die Aufwärtsbewegung seit
März 2009 verpasst.
Aber: Die Phase der
Niedergeschlagenheit ist definitiv vorbei, genauso wie die Rezession. Die
Ausblicke werden optimistischer. Das Anlegermagazin „Der Aktionär“ hätte
sich vor einigen Monaten nicht getraut, ein Titelbild zu bringen, auf dem
in großen Lettern der Hingucker „DAX 12.000“ zementiert ist.
Crash-Propheten waren noch im Februar en vogue. Jetzt aber ist die Zeit
der großen Auftritte der bullischen Analysten angebrochen. Dank der
V-förmigen Erholung fließen die Boni beinahe wie vor 2007. Die New York
Times berichtet über die „Rückkehr zum Geldausgeben“ der wohlhabenden
Bevölkerungschicht:
“People are fed up, and they want to have
a good time”
http://tinyurl.com/yb72jwf.
Das Geschäft für Luxusgüter erholt sich.
Es erscheint wie eine
Befreiung: Nach den miesen, bedrückenden und ernüchternden Zeiten von
Mitte 2007 bis Mitte 2009 kann endlich wieder unbelastet gelebt,
gearbeitet und gefeiert werden.
Doch wie genau stellt sich das
Sentiment derzeit dar? Das - seit den 1970er Jahren erhobene –
US-Börsenbrief-Sentiment befindet sich im Bezug auf den Anteil der Bären
bereits auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie 1987 (grüne Linie folgender
Chart).
Das bedeutet: Nur wenige
glauben derzeit an eine Abwärtsentwicklung an den Aktienmärkten.
Allerdings ist der Anteil derjenigen Börsenbriefschreiber, die eine
ausgeprägte Hausse erwarten, noch deutlich geringer als 1987 (hier nicht
gezeigt). Das liegt daran, dass sich viele potentielle Bullen derzeit im
neutralen Lager tummeln. Der Dow Jones Index schloss am Freitag bei 10.997
Punkten, der Nasdaq 100 bei 1.994 Punkten. Beide Indizes befinden sich
kurz vor dem Überschreiten wichtiger Marken. Sollte dies gelingen (was wir
erwarten), dann würde sich das Sentiment weiter zugunsten des bullishen
Lagers verändern.
Fazit: Das Sentiment sendet
interessante Rauchzeichen: Der Film „Wall Street“ kommt im September in
die Kinos, die Boni fließen, die Wohlhabenden beginnen wieder Geld
auszugeben und die „Nachlässigkeit“ beginnt die vormalige Angst an den
Märkten zu übertrumpfen. Noch ist das Sentiment nicht extrem, aber immer
mehr Anleger dürften sich nach der Überwindung der oben beschriebenen
wichtigen Marken die Frage stellen, was an „Gier“ so verwerflich sein
soll. Sentimenttechnisch wäre dies „der Einstieg in den Ausstieg“.
Gemäß unserem Jahresausblick 2010 erwarten wir zwischen April und Juni den
Beginn einer stärkeren Abwärtsbewegung.
Verfolgen Sie das Geschehen an den Finanzmärkten in unserer handelstäglich
vor Marktbeginn erscheinenden Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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