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Wochenend-Wellenreiter vom 22. Mai 2010
Hund-/Knochen-Relation

Erster Gedanke: Immer wieder hört man Sätze wie: „Erst wenn die Dow/Gold-Ratio einen Wert von 1 hat, ist der Markt bereinigt. Dieses Ziel würde beispielsweise dann erreicht werden, wenn der Dow Jones Index auf 5.000 Punkte fällt (aktuell bei 10.200 Punkten) und der Goldpreis auf 5.000 US-Dollar steigt (aktuell bei 1.180 Dollar).

Der Glaube, dass die Dow-/Gold-Ratio stets zwischen 1 und 10 schwankt und die Ratio daher wieder auf einen Wert von 1 fallen muss, ist weit verbreitet. Dieser Glaube leitet sich aus dem folgenden Chartbild ab.

Der Glaube wird entzaubert, wenn man die graue Fläche von dem Chart entfernt und eine Trendlinie hinzufügt (nächster Chart).

Es wird klar, dass sich die Dow-/Gold-Ratio seit mehr als 200 Jahren in einem Aufwärts-trend befindet. Das ist auch logisch: In der letzten Woche schrieben wir, dass Gold zwar Schutz vor Inflation erzielt, aber keine Realrendite gewährt. Die Aktienindizes schaffen hingegen eine solche Rendite, steigen also langfristig stärker als Gold.

Die oben eingezeichnete Aufwärtstrendlinie kann sich als bedeutsam erweisen, da sie eine langfristige Unterstützung der Ratio darstellt. Hält die Unterstützung, so würde sich von jetzt ab der Goldpreis schwächer als der Dow Jones Index entwickeln.

Zweiter Gedanke: Kommt der Hund nicht zum Knochen, muss der Knochen zum Hund. Normalerweise erhöhen die Zentralbanken im Verlauf einer wirtschaftlichen Erholung die Zinsen. Alan Greenspan hatte sich damit bereits im Laufe der letzten Erholung schwer getan, als der die Zinsen bis Mitte 2004 unten ließ und somit den Aufbau der Hausbaublase beschleunigte. Auch in der aktuellen Erholung ergeben sich keine Anzeichen einer Zinserhöhung. Die Zinsstruktur ist für das – bereits fortgeschrittene – Stadium einer wirtschaftlichen Erholung in den USA viel zu steil. Wenn die Zinsen am kurzen Ende künstlich niedrig gehalten werden, dann müssen sie eben am langen Ende fallen, um die Zinsstruktur zu normalisieren.

Für die USA kann ein Zinsspread zwischen 3-Monats- und 10-Jahres-Renditen zwischen ein und drei Prozentpunkten als normal gelten (obiger Chart). Man sieht die Annäherung des „Knochens“ (mittleres und langes Ende) zum „Hund“ (kurzes Ende) ganz gut auf dem folgenden Chart.

Eine inverse Zinsstrukturkurve - sie hat seit 1960 alle US-Rezessionen im Voraus angezeigt - kann sich nicht aufbauen, wenn die Fed die Zinsen bei null hält. Hier versucht der Markt, eine Zinserhöhung zu erzwingen, indem er den US-Drei-Monats-Libor nach oben zieht (siehe Wochenend-Kolumne vom 8. Mai). Auch hier gilt: Wenn die Fed den Leitzins nicht erhöht, dann erhöht sich eben der Libor. Er ist die Grundlage für Finanzierungen und Kredite im Wert von 360 Billionen US-Dollar (amerikanisch: „Trillions“) eben trotzdem. Was ist da noch der niedrige Leitzins wert? Auch hier gilt: Kommt der Hund nicht zum Knochen, muss der Knochen zum Hund.

Fazit: Die Dow-/Gold-Ratio bewegt sich nicht ständig zwischen 1 und 10 hin und her, sondern zeigt einen klaren Aufwärtstrend. Auch zukünftig dürften Aktien die Edelmetalle ausperformen. Und wenn sich die Fed mit ihrem Leitzins nicht bewegt, bewegt sich der Markt trotzdem so, wie er es für richtig hält. Der Anstieg des US-Dollar-3-Monats-Libor besitzt eine hohe potentielle Sprengkraft, da er deutlich ansteigenden Interbankenstress anzeigt. Die Bereitschaft, sich gegenseitig Geld zu leihen, sinkt. Damit steigen die Risiken für das Weltfinanzsystem weiter an.

Der Anstieg des US-3-Monats-Libor erfolgt unabhängig von europäischen Rettungsversuchen. Nachdem Angel Merkel kürzlich zwangsweise das Wort „Spread“ erlernen musste, folgt wahrscheinlich – und wiederum zwangsweise – ein zweiter Begriff: Derjenige des „LIBOR“ (London Interbank Offered Rate). Am schnellsten gelingt der Einstieg über den folgenden Link: http://tinyurl.com/39trxx4

Verfolgen Sie das Geschehen an den Finanzmärkten in unserer handelstäglich erscheinenden Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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