Wochenend-Wellenreiter vom 25. September 2010
Der weltweite Währungskrieg spitzt sich zu
Gewinnt ein Staat an Stärke
und Einfluss, legt auch dessen Währung zu. So ist der Aufstieg der
Deutschen Mark nach dem zweiten Weltkrieg zu erklären, oder auch die
Stärke des Britischen Pfundes in der Blütezeit des viktorianischen
Zeitalters (Queen Victoria lebte von 1819 bis 1901). Genauso geht der
Abstieg einer vormaligen Wirtschaftsmacht mit der Schwächung der Währung
einher. Als Beispiel mag der US-Dollar dienen, der sich seit den 1970er
Jahren ununterbrochen gegenüber anderen wichtigen Währungen in einem
Abwärtstrend befindet und so die Schwächung Amerikas dokumentiert.
Der folgende Chart
dokumentiert den Verlust des Außenwerts des US-Dollar gegenüber dem
Schweizer Franken.
Im Vergleich zu Anfang 1973
hat der US-Dollar lediglich 26% seines Außenwertes gegenüber dem Schweizer
Franken erhalten können. Auch gegenüber anderen wichtigen Weltwährungen
wie dem Euro und dem japanischen Yen kam es zu massiven Verlusten.
Gegenüber dem britischen Pfund zeigen sich hingegen kaum Veränderungen
(nächster Chart).
Dies dokumentiert, dass sich
das britische Pfund gemeinsam mit dem US-Dollar auf dem Abwärtspfad
befindet.
Schon im römischen Reich war
die Abwertung einer Währung eine wichtige Überlebensstrategie. Ein
nachlassender Außenwert erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich eigene
Produkte auf dem Weltmarkt besser verkaufen lassen. Damit ist die Hoffnung
auf den Erhalt und Aufbau von Arbeitsplätzen verbunden. US-Präsident Obama
hat vor einem Jahr die Maxime der Verdoppelung des US-Exports innerhalb
von fünf Jahren ausgegeben, um die US-Arbeitslosigkeit in den Griff zu
bekommen. Dazu benötigt er einen schwachen Dollar. Ein schwacher Dollar
ist demnach nicht nur als Schicksal einer im Abstieg begriffenen
Nation, sondern auch als politischer Wille Amerikas zu
interpretieren.
Amerika ist jedoch nicht das
einzige Land mit einer politischen Agenda. China hat sich jahrzehntelang
am Busen Amerikas genährt. Es hat die willig kaufenden US-Konsumenten mit
Billigprodukten überschüttet. Ein Prozess der Industrialisierung setzte
ein, Arbeitsplätze wurden geschaffen. Jetzt werden auch technologisch
anspruchsvollere Produkte vermarktet. Indem die chinesische Staatsführung
den Yuan fest an den US-Dollar koppelte, sorgte sie für weitgehende
Planungssicherheit. Die chinesische Führung läuft mittlerweile mit breiter
Brust durch die Gegend. Die Handhabung des Konflikts mit Japan um die
Aufbringung eines chinesischen Fischerbootes ist Ausdruck dessen. Der
politische Wille Chinas liegt in einer kontrollierten Handhabung
des Wechselkurses Dollar/Yuan. Damit ist ein stabiler US-Dollar
gemeint.
Während China vor
Selbstbewusstsein strotzt, haben 20 Jahre Depression die japanische
öffentliche Hand in eine ausweglose Situation geführt. 50 Prozent des
aktuellen japanischen Staatshaushalts ist schuldenfinanziert. Seit Mitte
der 1990er Jahre fährt Japan eine Nullzinspolitik. Diese erlaubte den
Marktteilnehmern, sich preiswert in Yen zu verschulden („short Yen“) und
das geborgte Kapital dort anzulegen, wo ordentlich Zinsen zu kassieren
waren (z.B. in US-Staatsanleihen). Da der Wechselkurs Dollar/Yen zwischen
Mitte der 1990er Jahre und dem Jahr 2007 relativ konstant blieb, konnte
der Carry Trade mehr als ein Jahrzehnt lang erfolgreich durchgezogen
werden. Ab dem Jahr 2007 begannen die Zinsen auch außerhalb Japans zu
fallen. Das Eis für den Carry Trade wurde dünner. Mehr und mehr
Marktteilnehmer erkannten dies. Yen-Kredite wurden nicht erneuert, sondern
zurückbezahlt. Man stieg aus dem Carry Trade aus.
Dieses Verhalten führte (und
führt weiterhin) zu einer erhöhten Yen-Nachfrage. Ein starker Yen ist
jedoch problematisch: Er schwächt die japanische Exportindustrie. Die
japanische Zentralbank reagiert mit Interventionen zugunsten des
US-Dollar. Als politischer Wille der japanischen Regierung gilt
demnach die Schwächung des Yen (=Stärkung des US-Dollar). Es kommt
hinzu: Ein schwächerer japanischer Yen dürfte China nicht gefallen, da
durch einen solchen Prozess die Exportkraft Japans in Konkurrenz zu China
gestärkt wird.
Zwischenfazit: Die USA möchten
einen schwachen Dollar, China möchte einen stabilen Wechselkurs und Japan
will einen stärkeren US-Dollar (=schwächeren Yen). Es stellt sich die
Frage nach den Zielen Europas im Hinblick auf die Entwicklung der eigenen
Währung.
Zunächst aber sollte man die
Frage stellen, wie sich die USA, China und Japan die weitere Entwicklung
des Euro vorstellen. Die Beantwortung dieser Frage ist angesichts der
obigen Ausführungen (die genannten Länder wollen eine schwache bzw.
zumindest stabile eigene Währung) einfach: Die Welt erwartet von Euroland
in der Tendenz eine Aufwertung des Euro. Die Griechenland-Krise und
die damit verbundene Abwertung des Euro war ein bitterer Schlag ins
Gesicht der USA, Chinas und Japans. Exportstarke europäische Nationen wie
Deutschland oder auch Holland profitierten direkt von der
Währungsabwertung und konnten sich so aus dem konjunkturellen Sumpf
ziehen. Die „Hetze“ des Nobelpreis-Trägers Paul Krugmann gegen die
abwartende Politik Angela Merkels ist einer Bewunderung der deutschen
Politik und Wirtschaftskraft gewichen. Mit dem weltweit beinahe einmaligen
Modell der Kurzarbeit ist es gelungen, Arbeiter und Angestellte in Lohn
und Brot zu halten.
Die europäische Zentralbank
müsste in der Tendenz mit einem Wechselkurs Euro/Dollar zwischen 1,30 und
1,40 zufrieden sein. Sollte der Wechselkurs in Richtung 1,50 steigen,
würden erneut aufkommende PIIGS-Ängste helfen, den Wechselkurs des Euro zu
drücken. Hülfe dies nichts, müsste man intervenieren. Die EZB kann kein
Interesse an einem deutlichen steigenden Außenwert des Euro haben.
Fazit: In Zeiten einer
unsicheren Wirtschaftsentwicklung und hoher Staatsverschuldung ist unter
den führenden Nationen der Welt ein Abwertungswettlauf im Gange.
Die Gefahr besteht, dass dieser Abwertungswettlauf den Euro nach oben
drückt. Damit ginge die Gefahr einer mangelnden außenwirtschaftlichen
Konkurrenzfähigkeit Europas einher. Wir gehen davon aus, dass das
Zeitalter freier Währungsrelationen zwischen den Staaten mehr und mehr
einem vorläufigen Ende entgegengeht. Eine Freigabe der Yuan-Bindung an den
US-Dollar dürfte nicht stattfinden, allenfalls eine kontrollierte
Lockerung. Japan dürfte weiterhin intervenieren. Es ist davon auszugehen,
dass auch die EZB ab etwa einem Wechselkurs von 1,50 im Euro/Dollar die
Interventionsplattform betreten wird.
Wie wird diese Angelegenheit
enden? Wie oben beschrieben verfügen - historisch betrachtet - im Abstieg
begriffene Staaten über schwache Währungen. Geht man davon aus, dass die
USA und Japan derzeit den Abstieg am deutlichsten repräsentieren, so
dürften deren Währungen längerfristig Schwachwährungen darstellen. Für
Japan gilt: Der Yen wird durch die Rückführung der Carry-Trades künstlich
hoch gehalten. Sind die meisten Carry-Trades rück abgewickelt, gibt es
keinen Grund mehr für einen starken Yen. Der chinesische Yuan wird
längerfristig die stärkste der genannten Währungen sein, während sich der
Euro irgendwo zwischen drin orientieren dürfte. Im Falle der Wiederauflage
eines „Wiener Kongresses“ (Neuordnung der Finanzsyteme der
Staatengemeinschaften) müsste diesen Entwicklungen Rechnung getragen
werden.
Verfolgen Sie die Entwicklung der
Finanzmärkte in unserer handelstäglich erscheinenden Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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