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Wellenreiter-Kolumne vom 4. Dezember 2010
Euroland-Anleihe: Warum nicht?

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) führt eine Statistik über das Zinsniveau in Euroland. In den Topf geworfen werden die Renditen aller Länder, die den Euro als Währung nutzen. Gewichtet wird nach BIP und Emissionsvolumen. Berechnet wird eine Laufzeit von 10 Jahren. Bisher existiert keine von Euroland getragene gemeinsame Staatsanleihe. 

Die Rendite dieser theoretischen Euroland-Anleihe schwamm - aufgrund der homogenen Entwicklung der Eurozonen-Länder – bis 2007 auf der einheitlichen Zinswelle mit.

Seit Beginn der Finanzkrise änderte sich das Bild. Die Spreads zwischen den Renditen wichtiger europäischer Staaten vergrößerten sich. Da Deutschland und Frankreich in diesem Korb hoch gewichtet sind und deren Renditen bis in den Oktober hinein fielen, wies die theoretische Euroland-Anleihe im Oktober einen Wert von 3,44 Prozent auf. Erst im November - als die Renditen auch in Deutschland und Frankreich deutlich zu steigen begannen – zog die Euroland-Rendite nach oben. Aktuelle Zahlen für den November und Dezember liegen nicht vor. Wir schätzen die derzeitige Euroland-Rendite auf etwa 3,90 Prozent.

Damit liegt sie etwa 0,9 Prozentpunkte über der Rendite für 10jährige US-Staatsanleihen (folgender Chart).

Der Chart zeigt, dass die Euroland-Rendite bis zum Jahr 2007 meist unterhalb der US-Rendite lag. Mit der Finanzkrise änderte sich dies. Das agressive Quantitative Easing – der Kauf von langlaufenden Staatsanleihen – drückte die Renditen der US-Anleihen unter den „fairen Wert“. Es kommt hinzu: Die USA sind der liquideste Anleihen-Markt der Welt. Gerade in unsicheren Zeiten fließt das „vagabundierende Kaptial“ gern dorthin, wo man große Mengen handeln kann und den Markt notfalls schnell wieder verlassen kann.

Beobachter sagen, dass ein gemeinsamer europäischer Anleihenmarkt einen Markt schaffen würde, der aus Sicht der Liquidität einen Gegenpol zu den US-Märkten setzen würde. Ein liquider Markt lockt Kapital an. Die Spanne zwischen den Renditen des US-Marktes und eines möglichen europäischen Marktes dürfte sich allein schon deshalb verringern.

Wir Deutschen haben Angst vor einer gemeinsamen europäischen Staatsanleihe. Wir glauben, dass wir damit für das Verhalten der anderen Staaten bestraft werden würden. Schauen wir uns den Vergleich konkret an.

Wie weiter oben beschrieben beträgt die Differenz zwischen der 10jährigen Eurolandanleihe und der 10jährigen Bundesanleihe 0,9 Prozentpunkte. Wie viel von dieser Differenz ist dem Umstand geschuldet, dass es zu einer Fluchtbewegung in deutsche Staatsanleihen gekommen ist? 0,4 Prozent? 0,5 Prozent? Fest steht, dass Deutschland von der Flucht in den „sicheren Hafen“ in Form niedriger Zinsen profitiert. Das betrifft nicht nur den Bund. Auch Unternehmen können sich preiswert am Markt refinanzieren. Und Haushalte erhalten Hypotheken- oder Konsumentenkredite preiswerter.

Das Euroland-Zinsniveau von 3,9 Prozent ist historisch betrachtet auch im Vergleich zu früheren Niveaus einer Bundesanleihe gering. Zudem würde ein gemeinsamer Anleihenmarkt die Gesamtliquidität in Europa erhöhen, was mit einer Zinssenkung – um vielleicht 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte - einherginge. Der „Gap“ zu den USA würde sich weiter verringern, sobald Quantitative Easing in den USA ausläuft oder Europa ähnliches praktiziert (d.h. die Bondskäufe nicht mehr sterilisiert).

Die Vorteile einer Eurolandanleihe ergeben sich fast von selbst. Ein um vielleicht 0,5 Prozent höheres Niveau gegenüber der Bundesanleihe wäre für Deutschland verkraftbar. Dafür würde ganz Europa an Stabilität gewinnen. Wir sollten versuchen, die weitere Integration Europas als Chance zu begreifen. Schon rein geografisch ist Deutschland das Herz Europas. Auch sei darauf hingewiesen, dass die Verschuldungsituation Deutschlands ernst ist und durchaus mit der Situation Spaniens vergleichbar ist. Es gibt keinen Grund, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Der britische Historiker Toynbee untersuchte in den 1950er Jahre eine Vielzahl von Hochkulturen früherer Epochen. Er bemerkte eine Tendenz zum „Universalstaat“. Auch Europa dürfte sich auf einem langen Weg dorthin befinden. Die Integration erfolgt für uns mit Trippelschritten. In historischen Dimensionen gedacht kommt sie mit großen Schritten voran. Mehr als die Hälfe des Weges dürfte zurückgelegt sein.

Die Euro-Einführung war ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Die aktuelle Krise sollte als eine Chance für die Ausweitung der fiskalpolitischen Zusammenarbeit Europas begriffen werden.

Das Vereinigte Königreich schürt die Euroland-Schwäche nach Kräften. Die Londoner City würde sich an einem zerbrochenen Euro ergötzen, würde das Pfund doch an Bedeutung gewinnen. Aber: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen: Die offizielle Inflationsrate in Großbritannien beträgt bereits jetzt 3,2 Prozent. Setzen wir der Londoner City einen großen, liquiden europäischen Anleihemarkt entgegen. Je mehr Einigkeit in Europa herrscht, desto mehr wird London zur Peripherie. 

Auch wenn naturgemäß nicht jedes Detail stimmen kann: Das in meinem Buch „Weltsichten/Weitsichten“ (erschienen 2004, ausverkauft) beschriebene wirtschaftliche Szenario bis 2045 enthält Gedankenfäden, die helfen, die heutige Finanzkrise zu durchdenken und zu bewerten. Das in 2004 niedergelegte Szenario ist hier abrufbar http://tinyurl.com/newcho

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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Robert Rethfeld
 

 

 

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