Wellenreiter-Kolumne vom 8. Januar 2011
Konjunkturzyklus in 2011
Die übergreifende weltwirtschaftliche Situation kann durch eine
Zweiteilung beschrieben werden. Die alten Industrienationen befinden sich
auf der Stufe der Quasi- oder tatsächlichen Nullzinspolitik mit –
insbesondere in Europa – ausgeprägter Sparpolitik. Sparpolitik - oder
neudeutsch „Austerität“ - bedeutet konjunkturell nichts anderes als eine
Bremspolitik. Hingegen haben viele Emerging Markets-Länder seit Ende 2008
einen ausgeprägten Konjunktur-Aufwärts-Ritt hinter sich. Sie nähern sich
einem zyklischen Gipfel bzw. haben ihn bereits überschritten.
Exemplarisch stellen wir nachfolgend den konjunkturellen Status Chinas,
Australiens, Brasiliens, Deutschlands, und der USA dar.
Der chinesische Aktienmarkt leidet unter einem Minus von 15 Prozent in
2010. Damit trägt der chinesische Aktienmarkt die rote Laterne unter den
großen Volkswirtschaften. Er ist global einer der wenigen Aktienmärkte,
die in 2010 kein neues Bewegungshoch erzielen konnte. Die Inflationsraten
notieren bei über 5 Prozent und damit oberhalb der selbst gesetzten
Zielmarken. Die Preissteigerungsrate von Gemüsepreisen beträgt gegenüber
dem Vorjahresmonat etwa 60 Prozent. Zinserhöhungsschritte werden in China
behutsam gegangen. Im Laufe der vergangenen Monate wurde der Leitzins mit
kleinen Schritten von jeweils 25 Basispunkten von 5,31% auf aktuell 5,81%
erhöht, weitere Zinsschritte sind in 2011 zu erwarten. Daneben wurden
Maßnahmen wie die Erhöhung der Mindestreservesätze durchgeführt. Auch hier
nehmen wir aktuell eine Überschreitung des konjunkturellen Zyklenhochs an.
Dies bedeutet aber nicht, dass China ultimativ in eine Rezession fallen
muss. Schon eine Verlangsamung des Wachstumstempos auf 6 bis 7 Prozent
würde sich in China wie eine Rezession anfühlen.
Australien ist der Haupt-Rohstoffproduzent Chinas. Die
Aktienmarktperformance war in diesem Jahr flach, genauso wie die
Zinsstruktur bereits einen flachen Winkel aufweist. Zwischen den 2jährigen
und 10jährigen Zinsen besteht ein Unterschied von lediglich 40
Basispunkten. Sollte der Zinssatz für 10jährige Anleihen unter den
Zinssatz für 2 jährige Anleihen fallen, bestünde Rezessionsgefahr. Der
Leitzins wurde in Australien von 3% (April 2009) in Schritten auf
mittlerweile 4,75% (Nov. 2010) erhöht. Australien dürfte das zyklische
Hoch bereits überschritten haben.
Der brasilianische Aktienmarkt verlief in 2010 flach und beendete das Jahr
auf dem identischen Niveau wie zu Jahresbeginn. Aus Sentimentsicht
bemerkenswert ist die Verpflichtung der brasilianischen Fußballlegende
Pele Mitte September, der generell für Aktien wirbt. Der Einsatz
prominenter Personen hat zumindest in Deutschland den Unternehmen kein
Glück gebracht, da diese sich mittelfristig schwächer als der Gesamtmarkt
entwickelt haben.
In 2010 wurde der Leitzins in Schritten von 8,25% auf aktuell 10,75%
erhöht. Zudem wurden für ausländische Investoren Steuern beim Kauf von
festverzinslichen Wertpa-pieren erhoben, die in mehreren Schritten auf 6%
erhöht wurden. Diese Maßnahmen sollen den Zufluss ausländischen Kapitals
begrenzen, um die Aufwertung des brasil-ianischen Reals abzumildern. Die
brasilianische Inflationsrate befindet sich bei 5,6% und damit nur noch
leicht unterhalb des Niveaus vom Sommer 2008 (als sich der Ölpreis bei 145
Dollar bewegte). Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega sprach in
2010 von einem „Währungskrieg“. Dabei sind Kapitalzuflüsse in eine
expandierende Wirtschaft normal. Ein steigender brasilianischer Real ist
Ausdruck solcher Kapitalzuflüsse. Die deutliche Bremspolitik in Brasilien
dürfte das Erreichen des Gipfelpunktes des Konjunkturzyklus bedeuten.
Deutschland erlebte im Jahr 2010 seine stärkste Phase im Konjunkturzyklus.
Der DAX stieg um 17 Prozent. Angetrieben durch den starken Export konnten
Indikatoren wie der IFO-Index in neue Dimensionen vorstoßen.
Doch gab es in der Vergangenheit kein Muster, wonach sich der Index lange
in solchen Höhen halten konnte. Es ist zu vermuten, dass der
wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands knapp davor ist, seinen Höhepunkt
zu überschreiten. Für das Jahr 2011 sind eine Abschwächung der
wirtschaftlichen Dynamik und damit ein sinkender IFO-Index zu erwarten.
Ähnlich wie in 2006 und 2007 zeigt der deutsche Einkaufsmanagerindex
relative Stärke gegenüber dem industriellen Pendant aus den USA.
Allerdings kann sich der IFO-Index nicht komplett von der Entwicklung in
der größten Volkswirtschaft der Welt lösen, sondern tendiert in die
gleiche Richtung.
Generell gilt: Die Inflationsrate toppt erst im Nachgang des zyklischen
Hochs. Aus diesem Grund ist für Deutschland ein weiterer Anstieg der
Inflationsrate zu erwarten. Die Erzeugerpreis-Inflation erreichte im
November mit einem Zuwachs von +10,0% bereits ein Zehnjahreshoch und gibt
damit einen Vorgeschmack auf kommende Entwicklungen.
China hat in Bezug auf die Dynamik die USA als Konjunkturlokomotive der
Welt abgelöst. Während China führt, befinden sich die USA in einem
hinteren Waggon. Aber: Der hintere Waggon befindet sich in einem steilen
Anstiegswinkel. So kommt es, dass der S&P 500 im Jahr 2010 um 13 Prozent
zulegen konnte. Bei der Politik in den USA ist eine Bremspolitik nicht
erkennbar. Die Leitzinsen verharren seit zwei Jahren bei einer faktischen
Nullzinspolitik, die US-Notenbank agiert weiterhin historisch extrem
expansiv, indem sie weitere Staatsanleihen bis mindestens Ende Juni 2011
aufkauft. Global betrachtet nimmt die US-Politik damit eine
Außenseiterrolle ein, ein wirklicher „Exit“ aus der expansiven Strategie
wird momentan nicht diskutiert.
Fazit: Aus Sicht des Konjunkturzyklus erwarten wir für 2011 eine
Abschwächung der Wachstumsraten, angeführt durch China, Brasilien oder
auch Australien. Deutschlands Momentum bei der Wirtschaftsexpansion
notiert an einem zyklischen Hochpunkt und dürfte sich sukzessive
abschwächen, auch aufgrund der europäischen Sparmaßnahmen in vielen
Ländern. Während die Konjunkturlokomotiven etwas Dampf aus dem Kessel
nehmen, profitieren die USA als letzter Wagon des Zuges von ihrem Status
als Nachzügler sowie der weiterhin sehr expansiven Politik der
US-Notenbank.
Dies war ein Auszug aus unserem Jahresausblick 2011.
Der Ausblick ist über
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Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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