Wellenreiter-Kolumne vom 12. Februar 2011
Zyklische Standortbestimmung
Der US-Präsidentschaftszyklus kann als einer der wenigen funktionierenden
regelmäßigen Zyklen in der Finanzwelt bezeichnet werden. Ist ein neuer
Präsident gewählt, lassen die Aktienmärkte üblicherweise zunächst Luft ab
oder gehen seitwärts. Diese Phase begleitet das gesamte Nachwahljahr und
hält bis zum Sommer des Zwischenwahljahres an. Von dort startet
üblicherweise seine starke, sich durch das Vorwahl- und Wahljahr hindurch
ziehende Aufwärtsphase an den Aktienmärkten. Wir haben den beschriebenen
Verlauf auf dem folgenden Chart abgebildet (blaue Linie). Das aktuelle
Verlaufsmuster (rote Linie) wird ebenfalls dargestellt.
Man erkennt, dass sich der Dow Jones Index ab der Wahl Obamas im November
2008 zunächst atypisch verhielt. Nach dem Tiefpunkt im März 2009 stieg der
Markt bis zum Mai 2010 deutlich an. Der Verlauf hätte flach sein müssen.
Der voraus gegangene tiefe Sturz der der Aktienmärkte im Herbst 2008 und
die anschließende unterstützende Reflationierung durch die Zentralbanken
bewirkte einen scharfen Anstieg im Nachwahljahr 2009 und in der ersten
Hälfte des Zwischenwahljahres 2010.
Gibt es Hinweise darauf, dass sich dieser vorgezogene Anstieg „rächt“?
Werden die üblicherweise starken Vorwahl- und Wahljahre diesmal schwächer
verlaufen als üblich? Auf dem ersten Blick muss man dies verneinen. Im
Gegenteil: Der Anstieg Ende August 2010 setzte genau zum - gemäß dem
Muster - zu erwartenden Zeitpunkt ein (grüne Linie obiger Chart). Schon am
2. Juli 2010 bildete sich das Jahrestief.
Der Dow Jones Index steigt seit seinem Tief vom 2. Juli 2010 mit einer
Geschwindigkeit von 0,12 Prozent pro Handelstag (26,7% in 155
Handelstagen). Ein solcher Anstieg befindet sich im Rahmen dessen, was man
aus Sicht des Präsidentschaftszyklus erwarten kann. Der folgende Chart
zeigt alle Anstiege des Dow Jones Index vom Zwischenwahljahr -Tief bis zum
Vorwahl- oder Wahljahreshoch.
Die blaue Linie repräsentiert den Durchschnittsanstieg aller
Präsidentschaftszyklen-Rallys seit 1962. Er beträgt 52 Prozent.
Überdurchschnittliche Ergebnisse wurden insbesondere im Bullenmarkt der
1980/90er Jahre erzielt, aber auch zu Beginn der 1970er Jahre. Seit dem
Milleniumswechsel befinden sich die Zuwachsraten auf weniger hohem Niveau.
In einem inflationären Umfeld langen die Zuwachsraten im Bereich von 30
bis 35 Prozent (ab 1966, 1978, 1998 und ab 2006; Ausnahme: ab 1974).
Ein Vergleich mit den entsprechenden Rallyes der vergangenen Jahre weist
auf einen interessanten Zeitraum hin. Die in den Zwischenwahljahren 1998,
2002 und 2006 begonnenen Aufwärtsbewegungen gingen 170 bis 180 Handelstage
nach ihrem Start in eine Seitwärtsbewegung über (schwarze Linie folgender
Chart).
Würde sich dieses Muster wiederholen, so müsste man im Rahmen des
kommenden Monats März einen vorläufigen Hochpunkt an den Aktienmärkten
erwarten. In unserem im Dezember erschienenen Jahresausblick bezeichneten
wir den Zeitraum von Mitte Januar bis Mitte Februar 2011 als „Turbobooster“
für die Aktienmärkte. In unserer handelstäglichen Ausgabe arbeiten wir mit
weiteren zyklischen Verlaufsmustern, von denen ein wichtiges Muster -
dasjenige des Verlaufs in 1er/Vorwahljahren - ein vorläufiges Hoch noch im
Februar signalisiert.
Fazit: Die US-Aktienmärkte bewegen sich seit Sommer 2010 im Einklang mit
dem Verlauf des US-Präsidentschaftszyklus. Der Anstieg des Dow Jones Index
bewegt sich - mit bisher 26,7 Prozent - im vergleichsweise moderaten
Bereich. In einem inflationären Umfeld tendiert der Dow Jones Index nach
Zwischenwahljahren eher zu moderaten Anstiegen im Bereich von 30 bis 35
Prozent, bevor erneute eine mittelfristige Abwärtsbewegung einsetzt. In
Zwischenwahljahren begonnene Anstiege tendieren dazu, nach etwa 8 Monaten
eine Pause einzulegen. Für die aktuelle Rallye würde dies einen Hochpunkt
im März 2011 bedeuten. Andere Zyklen verweisen auf ein vorläufiges Ende
des Anstiegs bereits im Februar.
Unsere zyklischen Muster weisen darauf hin, dass ein Großteil des Pulvers
für 2011 und 2012 bereits in den Jahren 2009 und 2010 verschossen wurde.
Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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