Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

 

 Startseite

 Aboservice

 CoT-Daten

 Publikationen

 Profil

 Kontakt

 Klicktips

 Hilfe/Fragen

 

Impressum/
Datenschutz/
rechtl. Hinweise/
Haftung/
Disclaimer

 

 

Wellenreiter-Kolumne vom 9. April 2011
Sintflut in 2012?

Laut Altem Testament lebte Methusalem 969 Jahre. Er war der Großvater von Noah, der immerhin 950 Jahre alt wurde. Methusalem muss – wenn man die Angaben im Buch Genesis zugrunde legt - etwa zur Zeit der Sintflut gestorben sein. In biblischen Zeiten galt das Mantra der sieben fetten und sieben mageren Jahre. Methusalem hätte demnach 70 „Rezessionen“ miterlebt. Tatsächlich finden Rezessionen auch heutzutage in Abständen von 5 bis 10 Jahren statt. Ein heute 90jähriger US-Bürger hat 16 US-Rezessionen durchlebt, darunter die große Depression in den 1930ern, die Ölkrise in den 1970er Jahren sowie zuletzt die Finanzkrise. Rezessionen sind demnach nichts Besonderes. Sie gehören zum normalen Erfahrungswert jedes Menschen.

Auch Methusalem dürfte sich an diese Zyklen gewöhnt haben. Aber eine Sintflut war jenseits seines Erfahrungshorizonts. Heute weiß man, dass die Sintflut wahrscheinlich dem durch die nacheiszeitliche Gletscherschmelze geschuldeten Überlaufen des Mittelmeers in die Senke des Schwarzen Meeres zu verdanken ist. Wochen- oder monatelang  ergoss sich das Meer mit der doppelten Kraft der Niagara-Fälle über den Bosporus in die Tiefe.

Das charttechnische Gegenstück zur Sintflut wäre die Ausbildung einer Schulter-Kopf-Schulter-Formation in wichtigen Aktienindizes wie dem Dow Jones Index.

Die „Überspülung des Bosporus“ wäre dann perfekt, wenn die blaue eingezeichnete Nackenlinie im Bereich von 7.300 Punkten nach unten durchbrochen werden würde. Analysten mit Kurszielen von 1.000 Punkten (es gibt sie) kämen in diesem Fall wohl zu ihrem Recht.

Doch die moderne Welt hat ein probates Mittel gefunden, es nicht zu einem derartigen nominalen Kollaps kommen zu lassen: Die Inflation. Diese sorgt dafür, dass ein realer Fall der Aktienmärkte nominal als Seitwärtsbewegung empfunden wird. Eine solche Situation lag zuletzt in den 1970er Jahren vor. Real verlor der Dow Jones Index zwischen 1966 und 1982 etwa 70% seines Wertes (siehe Pfeil folgender Chart). Nominal lief der Index lediglich seitwärts.

Das bedeutet: Eine Entwertung der Märkte kann dann weitgehend problemlos durchgeführt werden, wenn die Zeitschiene ausreichend lang gewählt ist und die Inflation vergleichsweise hoch ist. Lassen sich die 1970er Jahre als eine Phase kontrollierter Kapital- und Schuldenvernichtung (die US-Staatsverschuldung fiel bis 1982 auf gut 30% vom BIP) bezeichnen, so bleibt die Frage, ob eine solche „Leistung“ in den kommenden Jahren wiederholt werden kann.

Es scheint so, als ob die Zeitschiene diesmal nicht mitspielt. Anders als in den 1970er Jahren fällt die Staatsverschuldung nicht, sondern steigt weiter an.

Zudem fürchtet man sich vor allen in den USA vor einer erneuten Rezession und tut alles, um diesbezügliche Ängste gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zweimal bereits griff man zum Mittel des „Quantitative Easing“. Doch was wird es letztendlich nutzen?

Die offizielle US-Inflationsrate für den Februar – letzter verfügbarer Wert - befindet sich bei 2,1 Prozent. Im Februar befand sich der Ölpreis durchschnittlich unterhalb von 90 US-Dollar. Im März lässt sich ein Durchschnittspreis von etwas über 100 US-Dollar ansetzen, im April dürften nochmals mindestens 10 Dollar draufgepackt werden, sollte sich die Entwicklung fortsetzen. Allein aus diesem Grund wird die offizielle US-Inflationsrate in den Monaten März und April weiter steigen, konservativ gerechnet in den Bereich von 3,1 bis 3,3 Prozent.

Wie der folgende Chart zeigt, befindet sich der Realzins für 10jährige US-Anleihen im Sinkflug. Der Realzins bezeichnet den Zinsertrag, der nach Abzug der Inflationsrate übrig bleibt. Einer Rendite von 3,55% steht eine angenommene offizielle US-Inflationsrate von 3,2% für den April gegenüber. Das bedeutet: Der US-Realzins bewegt sich aktuell mit 0,35% nur noch knapp über null.

Dem Realzins kann eine Frühindikator-Wirkung für die US-Wirtschaft zugestanden werden. Auf dem nächsten Chart haben wir beide Entwicklungen mit einem Vorlauf von einem Jahr für den Realzins eingezeichnet.

 

Danach bedeutet die gegenwärtige Annäherung des Realzinses an die Null-Linie eine negative Entwicklung der US-Wirtschaft im Rahmen der kommenden 12 Monate. Sollte der Realzins unter Null fallen (was bei steigenden Rohstoffpreisen - insbesondere des Ölpreises - bis zum Sommer zu erwarten wäre), so steigt die Gefahr der Entwicklung einer US-Rezession.

Es ist eine eiserne Regel für Gold- und Silber-Investments: Ein fallender oder gar negativer Realzins macht Edelmetalle attraktiv. Man beachte das Verhalten des Goldpreises bei fallenden Realzinsen u.a. in den 1970er Jahren (folgender Chart).

Unter saisonalen Gesichtspunkten ist der Silberpreis noch bis Mai unterstützt, dann allerdings ist mit einem zumindest temporären Rückgang zu rechnen.

Für Silber hatten wir im Sommer vergangenen Jahres bei einem Bruch des damaligen Widerstands von 20 US-Dollar eine Kursexplosion auf 50 US-Dollar vorhergesagt. Diese Aussage war einer sich aufbauenden Dreiecks-Ausbruchs-Situation geschuldet (siehe damalige Argumentation unter http://tinyurl.com/2vwaktq). Aktuell befindet sich der Silberpreis bei 41 US-Dollar. Im Gefolge der Gold- und Silber-Hausse 1979/80 kam es zu zwei US-Rezessionen 1980 und 1981/82.

Zeigen die Aktienmärkte – die ja als Frühwarnsystem für den Wirtschaftszyklus gelten – bereits Anzeichen einer Abkühlung? Zwei Dinge: Erstens ist das bearische Lager bei den US-Börsenbriefschreibern – gemessen durch Investors Intelligence - auf den zweitniedrigsten Stand der vergangenen 25 Jahre zusammengeschrumpft. Angst hat anscheinend niemand mehr. Zweitens fällt die merkliche Zurückhaltung des smarten Geldes auf. Unser Smart Money Flow Indikator weist eine negative Divergenz zum Dow Jones Index auf (folgender Chart).

Lediglich die gesunde Marktbreite bewahrt den Markt derzeit vor größeren Fallstricken.

Fazit: Die Anzeichen für eine US-Rezession im Jahr 2012 verdichten sich. Nur etwa drei Jahre nach einer Rezession würde das erneute Auftreten einer Rezession eine kurze Zeitspanne bedeuten. Der Spruch: „Dieses Mal ist alles anders“ war für Investoren, die bei jeder Rezession gleich an den Zusammenbruch der Welt dachten, schon häufiger eine kostspielige Angelegenheit. Andererseits: Selbst Methusalem machte in Form der Sintflut mit etwas Bekanntschaft, das anders war als alles, was er in seinen 969 Jahren erlebt hatte. Steht den Finanzmärkten im Jahr 2012 eine Sintflut bevor?

Im Nachhinein wird alles seinen Sinn gehabt haben. Der steigende Ölpreis, der fälschlicherweise noch immer mit den Ereignissen in Libyen erklärt wird; der seit der Ankündigung von QE 2 glatt verdoppelte Silberpreis (wer Geld druckt, wird Inflation ernten), der Fehlausbruch im Dollar/Yen und der fallende Außenwert des US-Dollar, der zwar die Wettbewerbssituation der USA um Arbeitskräfte verbessert, aber gleichzeitig zur Folge hat, dass Inflation importiert wird. Die Phase einer von der Fed gesteuerten Kapital- und Schuldenvernichtung – ähnlich wie in den 1970er Jahren hat begonnen. Es ist ein Experiment, vom dem man noch nicht weiß, ob es gelingen kann. Die britische Zentralbank beteiligt sich an diesem Experiment. Denn in Großbritannien ist die Inflationsrate so hoch, dass der Realzins bereits negativ ist. Einzig die EZB hat anderes im Sinn. Sie erhöht den Leitzins und lehnt sich damit gegen den „Inflationsdrachen“ auf.

Sollten die USA und Großbritannien erneut in eine Rezession rutschen, so stehen die alten Industrienationen vor einem Neuanfang, der ein tiefes politisches Eingreifen in die Selbstbestimmungsrechte der Bevölkerung erfordern dürfte. Das vermehrte Auftreten ruckartiger Bewegungen (Beispiele Euro/Yen, Silber, Ölpreis) ist kein Grund zum Jubeln. Vielmehr implizieren diese eine Destabilisierung der Finanzmärkte. Die Hoffung besteht darin, durch die aktive Inflationierung eine nominale Seitwärtsphase wie in den 1970er Jahren aufrecht erhalten zu können. Das Risiko ist das Misslingen der Streckung auf der Zeitebene, was aufgrund eines „sintflutartigen Drucks“ eine Neuordnung der Finanzmärkte bereits im Jahr 2012 zur Folge haben könnte. Zentralbanken sind – egal was sie tun – nicht in der Lage, Rezessionen zu verhindern. Ein Wirtschaftszyklus folgt einer eigenen Dynamik. Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter www.wellenreiter-invest.de

 

Kostenloses Abonnement des Wochenend-Wellenreiters: Bitte hier klicken, E-Mail-Adresse eintragen und absenden.

Alle Wochenend-Wellenreiter seit dem Jahr 2003 sind im Archiv verfügbar.


 

 

 



Robert Rethfeld
 

 

 

Impressum/
Datenschutz/
rechtl. Hinweise/
Haftung/
Disclaimer