Wellenreiter-Kolumne vom 14. Mai 2011
Deflation wird bewusst herbeigeführt
„Was juckt es mich, wenn in
China ein Sack Reis umfällt?“ Dieses früher beliebte Sprichwort hat
ausgedient. Heute hängt das Schicksal der Weltkonjunktur vor allen Dingen
von China, aber auch von den weiteren BRIC-Staaten Brasilien, Russland und
Indien ab. Diese Staaten umfassen 40 Prozent der Weltbevölkerung und 25
Prozent der Welt-Landmassenfläche.
40 Prozent der
Weltwährungsreserven werden von den BRIC-Staaten gehalten. Der Anteil am
Welthandel beträgt 15 Prozent (1999: 7 Prozent). 30 Prozent des
Weltwirtschafts-wachstums seit dem Jahr 2000 geht auf das Konto der BRIC-Staaten. Sogar 45 Prozent sind es, wenn man allein die
wirtschaftliche Erholung nach der Finanzkrise ab Ende 2008/ Anfang 2009
berücksichtigt.
Ohne Zweifel lässt sich behaupten: Die Erholung der Welt-wirtschaft
nach der Finanzkrise 2007/2008 wäre ohne den „Antreiber“ BRIC-Staaten
nicht möglich gewesen.
Doch wie lange kann der
BRIC-Motor noch auf Hochtouren laufen? Die Politiker der BRIC-Staaten
zeigen einen eindeutigen politische Willen, der sich in der folgenden
Priorisierung äußert: Inflationsbekämpfung vor Wachstum. Mit aller Macht
versuchen sie, die Leistungskraft ihrer Wirtschaft herunter zu drosseln.
Ob Zinserhöhungen, erhöhte Eigenkapitalanforderungen, Aufrufe zum
Konsumverzicht, Beschränkung der Kreditvergabe für Immobilienkäufe,
Kapitalverkehrskontrollen oder hohe Gebühren für Ausländer: Der
Brems-Wille erscheint ungebrochen.
Die Marktteilnehmer an den
Leitbörsen der BRIC-Staaten beginnen, die Bemühungen zu „honorieren“.
Schaut man beispielsweise auf den brasilianischen Leitindex Bovespa, so
ist dort ein Überrollen mit niedrigeren Hoch genauso zu erkennen…..
…wie im indischen Sensex.
Der chinesische Leitindex
Shanghai Composite Index (nächster Chart) führte Ende 2008 zunächst die
Erholung an, markierte aber bereits im Sommer 2009 sein Verlaufshoch.
Die Schwankungsbreite des
chinesischen Leitindex wird immer geringer, was durch eine Dreiecksbildung
dokumentiert wird.
Insgesamt zeigen die
BRIC-Staaten relative Schwäche zum US-Leitindex S&P 500 (folgender Chart)
und auch zum DAX.
Noch verfügen die BRIC-Staaten über vergleichsweise hohe Wachstumsraten.
Doch die Aktienmärkte scheinen ein erfolgreiches Bremsmanöver
vorwegzunehmen. Die fallenden Rohstoffpreise und der steigende
US-Dollar-Index zeigen zudem an: Das globale Finanzkapital beginnt das
Risiko zu scheuen.
Falls die BRIC-Staaten als Wachstumsmotor ausfallen sollten, ist die Frage
zu stellen, ob diese Rolle von den alten Industrienationen übernommen
werden kann. Die klare Antwort lautet: Nein. Der europäische
Wachstumsmotor Deutschland läuft, weil die BRIC-Staaten recht hohe
Wachstumsraten aufweisen. Europa kann sich aus eigener Kraft nicht
antreiben, auch die USA dürften bei einer erfolgreichen Bremsaktion der
BRIC-Staaten in Mitleidenschaft gezogen werden.
Fazit: In Europa wurde der geldpolitische Antrieb durch die
Leitzinserhöhung der EZB gedrosselt, in den USA geschieht dies mit dem
Auslaufen von QE2 Ende Juni. Die BRIC-Staaten stehen bereits seit längerem
auf der Bremse. Fallende Rohstoffmärkte und ein steigender US-Dollar sind
ein Signal, dass die BRIC-Staaten erste Wirkungstreffer setzen konnten.
Ein kurzfristig wirksames Deflationsmuster wäre den BRIC-Politikern
hochwillkommen, während die alten Industrienationen ein solches Muster
fürchten.
Seit Jahresbeginn lassen wir in unserer handelstäglichen Ausgabe das
Verlaufsmuster 1er/Vorwahljahre mitlaufen. Mit Ausnahme des „Japan“-Einbruchs
Mitte März bot das Modell recht gute Anhaltspunkte für eine
Marktabschätzung.
Verfolgen Sie die Entwicklung
der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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