Wellenreiter-Kolumne vom 9. Juli 2011
Die Schweiz obenauf
Scheinbar unaufhaltsam fällt
der Kurs des Euro gegenüber dem Schweizer Franken. Am Freitag notierte der
Wechselkurs bei 1,1885. Damit rückt die Parität EUR/CHF in den Bereich des
Möglichen.
Im Langfristchart zeigt sich,
dass die Ausgeglichenheit des Währungspaars der vergangenen 30 Jahre passé
ist. Die Schwankungsbreite betrug in der Regel zwischen 1,40 und 1,80.
Wenn man von einem Mittelkurs von 1,60 ausgeht, bedeutet dies eine
Abweichung von plus/minus 12 Prozent. Mittlerweile hat sich der Kurs etwa
25 Prozent von seinem Mittelkurs entfernt.
Die Gründe für diese
Entwicklung liegen nahe. Nachdem die Deutsche Mark als sicherer Hafen
nicht mehr existiert, hat der Schweizer Franken diese Rolle ausgebaut. Die
öffentliche Verschuldung der Schweiz beträgt etwa 209 Mrd. Franken (etwa
177 Mrd. Euro). Da die Schweiz über 1.040 Tonnen Gold im Wert von etwa 48
Mrd. Euro verfügt, ist die Schweizer Staatsverschuldung zu 27 Prozent mit
Gold gedeckt. Würde der Goldpreis auf 5.700 US-Dollar steigen, betrüge der
Golddeckungsgrad 100 Prozent.
Der hohe Golddeckungsgrad der
Verschuldung dürfte für die Flucht in den Schweizer Franken mit
verantwortlich sein.
Zum Vergleich: Die deutsche
Staatsverschuldung ist zu etwa 7 Prozent durch den Goldpreis gedeckt.
Man könnte sagen: Alles
perfekt in unserem südlichen Nachbarland. Wenn nicht ein
Titelblattindikator die Alarmglocken schrillen lassen würde. Das Schweizer
Wirtschaftsmagazin Bilanz macht seine Juli-2011-Ausgabe mit dem Titelblatt
„Super Schweiz“ (linkes Bild) auf.
Ähnliches hatten wir schon
mal, und zwar im Februar 1985. Damals zeigte der Spiegel den „Super
Dollar“ auf dem Titelbild (rechtes Bild).
Das Hoch vom Februar 1985
bedeutet ein Mehr-Dekaden-Hoch für den US-Dollar.
Auch wenn ein
Titelblatt-Indikator nicht immer ein perfektes „Contrarian“-Signal
liefert, so scheint klar, dass die Thematik „Fluchtpunkt Schweiz“ bereits
recht ausgereizt ist. Das Schweizer Wohlergehen hängt nicht zuletzt von
seinem nördlichen Nachbarn Deutschland ab. Sollte das Wirtschaftswachstum
im „großen Kanton“ ins Stocken geraten, würde die Schweiz darunter leiden.
Unabhängig davon führt der starke Franken zu steigenden Exportpreisen. Es
geht jetzt Richtung Schmerzgrenze für die Schweizer Unternehmen.
Charttechnisch ergibt sich an
dieser Stelle noch kein Umkehrsignal. Der Abwärtstrend des Euro gegenüber
dem Schweizer Franken bleibt intakt. Angesichts des explodierenden
Renditespreads der Renditen für 10jährige italienische Anleihen zu den
Bundesanleihen mag der Euro kurzfristig weiter unter Druck geraten.
Das Signal des Marktes an die
EZB lautet: Stoppt die Leitzinserhöhungen, oder die Renditen Italiens und
Spanien steigen weiter. Nachdem die Banken sich weitgehend aus den
griechischen Anleihen verabschiedet haben, scheinen sie jetzt die Anleihen
Italiens und Spaniens „wegdrücken“ zu wollen. Die Politik ist zunehmend
gefordert. Gerade im Sommer können sich unter dem Deckmantel der Ferien
Dinge zusammenbrauen, die frühzeitige Reaktionen erfordern. Das die
Politik gerade im Sommer kaum agiert, erscheinen im Herbst harsche und
hektische politische Dispositionen vorgezeichnet.
Sollte es so kommen, so könnte
sich die Stärke des Schweizer Franken gegenüber dem Euro kurzfristig noch
fortsetzen. Aber der Titelblattindikator ist ein ernst zu nehmendes
Anzeichen dafür, dass sich die Schweiz keine Insel der Seligen ist,
sondern im Falle des Falls in die Turbulenzen der Euro-Zone mit
hineingezogen werden würde.
Verfolgen Sie die Entwicklung
der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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