Wellenreiter-Kolumne vom 27. August 2011
Das Signal des stabilen Euro
Politiker in aller Welt sorgen sich um die Stabilität des Euro. Und mit
Ihnen die Bürger. Den Euro ficht dies nicht an. Die europäische
Gemeinschaftswährung stieg gegenüber dem Schweizer Franken innerhalb der
vergangenen 14 Handelstage um 16 Prozent (nach zuvor allerdings
dramatischem Fall). Der Euro/Dollar-Kurs stabilisierte sich am Freitag bei
knapp 1,45.
Wir meinen, dass diese - angesichts der Diskussion um ein
Auseinanderbrechen der Eurozone bemerkenswerte – Stabilität des Euro nicht
einfach ignoriert werden sollte. Der Markt unterbreitet ein Signal, das es zu
dechiffrieren gilt.
Der Euro/Dollar weist seit dem Ende der Goldpreisbindung Anfang der 1970er
Jahre eine positive Korrelation zur Entwicklung der offiziellen
US-Inflationsrate auf. Nachfolgend dargestellt ist der Chartverlauf seit
1998.
Ein steigender Euro/Dollar bedeutet in der Regel eine anziehende
US-Inflationsrate. Sollte der Ausbruch im Euro/Dollar gelingen – wofür die
Ausbildung einer charttechnischen Flagge (blaue Linien folgender Chart) in
den vergangenen Jahren sowie die Konsolidierungsformation der vergangenen
Monaten spricht – würde dies steigende US-Inflationsraten implizieren.
Angesichts der Diskussion um eine erneute weltweite Rezession erscheint
ein Anstieg der US-Inflationsrate geradezu schizophren, oder nicht? Doch
in den Jahren 1973 bis 1975 geschah Ähnliches. Damals fielen die
Aktienmärkte, während Inflation und Euro/Dollar anzogen.
Die Auswirkungen eines steigenden Euro/Dollar auf das weltwirtschaftliche
Handelsgleichgewicht werden derzeit kaum untersucht. Einfach deshalb
nicht, weil nur wenige Analysten eine solche Entwicklung überhaupt in
Betracht ziehen. Ein starker Euro wäre für europäische Exportnationen wie
Deutschland oder Holland von Nachteil. Die Exporte in den Dollar-Raum
würden sich verteuern. Gleichzeitig würde Deflation importiert werden. In
den bereits von wirtschaftlicher Schwäche gekennzeichneten PIIGS-Staaten
würde sich die Malaise durch die importierte Deflation verstärken.
Aus Sicht der US-Führung durchkreuzt die Diskussion um das
Auseinanderbrechen des Euro die eigenen Pläne. Der politische Wille in den
USA ist im Hinblick auf eine Abwertung des US-Dollar sehr ausgeprägt. Denn
dieser ist unbedingt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen im eigenen Land
ausgerichtet. Schließlich finden im November 2012 Wahlen statt. Eine
Wiederwahl Obamas bei einer Arbeitslosenquote von 9 Prozent erscheint
unwahrscheinlich.
Fazit: Der stabile Euro signalisiert, dass die Amerikaner ihren Willen
durchzusetzen beginnen. Der US-Dollar zeigt gegenüber Euro, Remnimbi und
Yen Schwäche. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen nimmt die US-Regierung
eine steigende Inflationsrate in Kauf. Bisher profitierte die Exportnation
Deutschland von einem schwachen Euro. Diese Zeit scheint abzulaufen. Die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beginnt zu wanken. Die relative Schwäche
des DAX zum US-Markt dürfte unter anderem einer solchen Veränderung
geschuldet sein. Wie sich in den 1970er Jahren zeigte, kann eine weltweite
Rezession bzw. wirtschaftliche Abschwächung auch unter solchen Bedingungen
gedeihen. Und: Wird der Euro stärker, ist ein Japan-Szenario wohl kaum in
den USA, wohl aber in Europa denkbar.
Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen
Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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