Wellenreiter-Kolumne vom 10. September 2011
Goldpreisanstieg - wie lange noch?
„Ohne den Goldstandard gibt es keine Möglichkeit, Ersparnisse vor der
Enteignung durch Inflation zu schützen.“ Alan Greenspan schrieb dies im
Jahr 1966.
Diese Worte waren einerseits prophetisch, andererseits nicht ganz korrekt.
Prophetisch waren sie, weil im Jahr 1966 ein sechzehn Jahre andauernder
Enteignungsprozess begann. Die Enteignung der Aktionäre erreichte im Jahr
1982 ihren Höhepunkt. Der Dow Jones Index fiel bis dahin
inflationsbereinigt um etwa 75 Prozent.
Korrekt waren die Worte Greenspans deshalb nicht, weil es keinen
Goldstandard braucht, um sich vor Inflation zu schützen. Es reicht, wenn
Gold frei handelbar ist. Diejenigen, die von 1966 bis 1980 in Gold
investiert waren, konnten sich über eine Verzehnfachung ihres dort
investierten Vermögens freuen (inflationsbereinigt wohl gemerkt). Dann
allerdings wurde es Zeit, die Goldarena zu verlassen und in den Aktien-
oder Anleihenmarkt zu wechseln.
Die Zyklik wiederholt sich seit den Jahren 2000/2001. Die Aktienmärkte der
westlichen Industriestaaten befinden sich erneut in einem übergeordneten
Bärenmarkt. Dieser schröpfte die Aktionäre inflationsbereinigt um - bisher
- 30 Prozent. In der Spitze betrug der inflationsbereinigte Verlust gut 50
Prozent (im März 2009). Der Goldpreis verfünffachte sich real
(=inflationsbereinigt) seit 2001.
Zwischenfazit: Wer in den Zeiträumen 1966 bis 1982 und von 2001 bis heute
über ein Portfolio verfügte, das Gold angemessen berücksichtigte, konnte
es in den genannten Perioden eine Vermögensminderung vermeiden.
Prozentual recht wenige Teile der Bevölkerung sind Aktionäre, die meisten
sind Sparer. Nahezu jede Person verfügt über ein Girokonto und/oder über
ein Sparkonto. Sparkonten werden dann real geschröpft, wenn die
Inflationsrate höher ist als der Sparzins. Der Fachbegriff dafür lautet
„negativer Realzins“.
Wir zeigen nachfolgend den Realzins für kurzfristiges Geld
(US-3-Monats-Anleihen).
Die blauen Kreise weisen auf zwei Perioden mit ausgeprägtem negativem
Realzins hin. Unschwer zu erkennen sind die 1970er Jahre sowie der
Zeitraum seit 2000/2001. Für Deutschland gilt ähnliches: Der Euribor
notiert derzeit niedriger als die Inflationsrate.
Es dürfte klar sein, dass Inflation nicht als Einzelindikator betrachtet
werden sollte. Sie muss stets in Zusammenhang mit den Aktienmärkten und
den nominalen Zinssätzen gebracht werden. Steigen die Aktienmärkte stärker
als die Inflation oder liegen die Zinssätze oberhalb der Teuerungsrate, so
nimmt das Realvermögen der Anleger und Sparer zu. Das wäre auch dann der
Fall, wenn die Inflationsrate 10%, die Spar-Rendite hingegen 12% betragen
würde.
Übrigens: In einem Land wie Japan, in dem die Zinsen zwar sehr niedrig
sind, aber in den vergangenen Jahren überwiegend Deflation herrschte,
liegt ein positiver Realzins vor. Dort wird der Sparer nicht enteignet.
Allerdings leidet der Aktionär, denn der Nikkei-Index bewegt sich seit dem
Jahr 1990 in einem Bärenmarkt.
Die Zyklik der Ereignisse ist dem Leser hoffentlich bewusst geworden. Die
Frage, an welchem Punkt erneut einer längerfristige Marktverschiebung
eintritt, wird uns häufiger gestellt. Ein solcher Punkt dürfte durch
wieder steigende Realzinsen, einen Tiefpunkt an den Aktienmärkten und
einen Hochpunkt in Gold gekennzeichnet sein. Weiter oben zeigten wir, dass
die Übergänge durchaus schleichend sind. Als der Goldpreis 1980 sein Hoch
markierte und die Realzinsen bereits kräftig anzogen, dauerte es noch
zweieinhalb Jahre, bis die Aktienmärkte ein reales Tief markieren konnten
(August 1982). Allerdings kann man dem Tief vom März 1980 im Dow Jones
Index eine wichtige Bedeutung nicht absprechen. Denn dieses Tief war
nominal niedriger als das Tief vom August 1982. Also können wir das Jahr
1980 als den Zeitpunkt des Übergangs von einen sicherheitsorientierten zu
einer risikofreundlichen Periode kennzeichnen.
Das Ende des Goldpreisanstieges dürfte erneut den Übergang zu einer
bullishen Aktienmarktperiode kennzeichnen. Goldbugs müssen hoffen, dass
die Realzinsen negativ bleiben. Das Problem: Wenn die Weltwirtschaft
tatsächlich in ein deflationäres Umfeld geraten würde, würde der Realzins
automatisch ansteigen.
Die beste Entwicklung für Gold wären stabile bis steigende Rohstoffpreise
in Verbindung mit stabilen Niedrigzinsen. So würde sich die Enteignung der
Sparer und Aktionäre fortsetzen, die Goldbesitzer würden jedoch
profitieren. Alan Greenspans These vom Schutz der Sparer vor Enteignung
durch Gold gilt weiterhin.
Findet keine Enteignung mehr statt, sollte man Gold abstoßen.
Zum Timing: Unsere Indikatoren lassen uns für das Frühjahr 2012 ein Tief
an den Aktienmärkten erwarten. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass
sich der 30jährige Abwärtszyklus der nominalen Anleihezinsen einem
Tiefpunkt nähert. Unter diesen Umständen fällt es schwer, für Gold einen
weiteren, jahrelangen Anstieg zu prognostizieren. Käme es jetzt zu einer Beschleunigungsphase, so würde sich das Ende der
Aufwärtsphase für Gold in Monaten abzählen lassen.
Verfolgen Sie die Entwicklung
der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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