Wellenreiter-Kolumne vom 17. September 2011
Frankreich - hier lauert die Gefahr für Europa
Eigentlich müsste Nicolas Sarkozy erneut eine kriegerische
Auseinandersetzung suchen, um seine Landsleute von binnenwirtschaftlichen
Problemen abzulenken. Doch das Thema Libyen ist weitgehend passé, und ein
neues napoleonisches Betätigungsfeld erscheint nicht in Sicht.
Der Blick auf den französischen Aktienleitindex CAC40 offeriert ein Bild
des Jammers. Der französische Aktien-Leitindex wird seit 14 Jahren von der
3.000-Punkte-Marke magisch angezogen.
Nach 1998, 2002/03 und 2008/09 ist aktuell die 3.000-Punkte-Marke erneut
erreicht. Im Gegensatz dazu schafft es der - in jüngerer Zeit so schwache
- DAX, eine Distanz von etwa 1.500 Punkten zu seinem März-2009-Tief zu
halten.
Der CAC 40 kommt dem spanischen Leitindex IBEX (nächster Chart) in seinem
Verlauf recht nahe.
Der Zins-Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen weitet
sich aus. Mit 0,75 Punkten befindet er sich auf dem höchsten Niveau der
vergangenen Jahre.
Zwar sind die Spreads zwischen den Renditen der Bundesanleihen und den
französischen Anleihen im Vergleich zu italienischen oder spanischen
Renditen vergleichweise gering.
Und tatsächlich ahmt die französische Rendite den Verlauf der Rendite
deutscher Bundesanleihen nach, wenn auch in letzter Zeit mit immer weniger
Erfolg.
Es fällt auf, dass die Rendite französischer Staatsanleihen (blaue Linie
obiger Chart) das Tief vom Sommer 2010 - im Gegensatz zur Rendite
deutscher Staatsanleihen - bisher nicht unterschritten hat. Dies könnte
man als ein erstes Anzeichen dafür deuten, dass die französischen Rendite
der spanischen und italienischen Rendite nachzueifern beginnt.
Deutschland und Frankreich sind die großen europäischen Kernstaaten.
Frankreich ist durch die höhere Arbeitslosenquote (9,9%), ein
vergleichsweise schwächeres Wirtschaftswachstum sowie durch den hohen
Bestand französischer Banken an Staatsanleihen der europäischen Peripherie
für das spekulative Geld einfacher anzugreifen als Deutschland.
Fiele der CAC40 unter die 3.000-Punkte-Marke und stiege gleichzeitig der
Spread zwischen der Rendite französischer und deutscher Staatsanleihen
weiter an, so würde Frankreich von einem Rettungsschirm-Geberland zu einem
Nehmerland mutieren. In diesem Fall wäre der Versuch, einen europäischen
Rettungsschirm aufzubauen, gescheitert.
Bliebe die Europäische Zentralbank als „Lender of last resort“. Sie kann -
theoretisch unbegrenzt - spanische, italienische und natürlich auch
französische Staatsanleihen kaufen. Papiere, die am Markt nicht mehr
losgeschlagen werden können, werden von der EZB akzeptiert. Der „Moral
Hazard“ ist mit dem Ankauf griechischer, portugiesischer, irischer,
spanischer und italienischer Staatsanleihen längst erfolgt.
Ein kleiner Abstecher in die USA: Die amerikanische FED haben eine
Zeitlang – während QE2 – nahezu die gesamte Neuverschuldung der USA Monat
für Monat aufgekauft. Die FED hat bisher auf diese Weise deutlich mehr
Geld gedruckt als die EZB. Und sie dürfte – sollte sich die
wirtschaftliche Lage in den USA weiter verschlechtern – neue Programme
installieren, durch die der Kauf von Staatsanleihen wieder forciert wird.
Der Inflationsdruck lässt – anders als 2008 – bisher nicht nach. Die
US-Geldmengen steigen deutlich (folgender Chart). Dies ist möglicherweise
bereits eine Folge der expansiven Geldpolitik.
Ich bin davon überzeugt, dass aus der Erfahrung dieser Finanzkrise heraus
eine „fiskalpolitische Monsterkraken-Behörde“ in Brüssel entstehen wird,
die umfangreiche Kontrollmechanismen installieren wird. Eine solche
Behörde wird ohne Zweifel die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten
beschneiden. Ähnlich wie in den USA dürfte der weitere Kauf von
europäischen Staatsanleihen den Hang zur Inflation stützen – und das trotz
deflationärer wirtschaftlicher Tendenzen. Als Folge dürfte der Realzins
negativ bleiben – was wiederum dem Goldpreis zu Gute kommt (siehe auch
vergangene Wochenend-Kolumne).
Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte
in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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