Wellenreiter-Kolumne vom 11. Februar 2012
Die USA im Zugzwang
313 Millionen Menschen
bevölkern die Vereinigten Staaten von Amerika. Gemäß offizieller Prognosen
der US-Behörden und den UNO-Schätzungen soll die US-Bevölkerung bis zum
Jahr 2030 auf 365 Mio. anwachsen. Im Jahr 2050 sollen 422 Mio. Menschen
das weite Land bevölkern.
Der folgende Chart zeigt die
voraussichtliche Entwicklung. Der Pfeil weist auf die heutige
Einwohnerzahl hin.
Quelle: US-Census
Das bedeutet: Die Amerikaner
brauchen Wirtschaftswachstum, um den Lebensstandard pro Kopf aufrecht zu
erhalten. Und sie benötigen Arbeitsplätze. Während Deutschland und Japan
mit ihren sinkenden Bevölkerungszahlen netto kaum Arbeitsplätze schaffen
müssen, sind die US-Amerikaner auf einen monatlichen Zuwachs von etwa
100.000 Arbeitsplätzen angewiesen, nur um das Bevölkerungswachstum
auszugleichen.
Seit dem Jahr 2000 fand dieser
Ausgleich nicht mehr statt. Aktuell werden in den USA 132 Mio.
Beschäftigte (ohne Staatsbedienstete und Landwirte) gezählt. Die gleiche
Anzahl wurde bereit im Jahr 2000 erreicht (nächster Chart).
Wie der obige Chart zeigt, ist
der Nachkriegs-Aufwärtstrend gebrochen. Selbst im Bärenmarkt der 1970er
Jahre wurden Arbeitsplätze aufgebaut. Seit dem Jahr 2000 geschieht dies
nicht mehr.
Ihren vorläufigen Höhepunkt
erreichte die offizielle US-Arbeitslosenquote im Oktober 2009. Seither ist
sie von 10,0% auf 8,3% gefallen.
Im Jahr 2000 arbeiteten 65%
der US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 bis 64). Aktuell sind es
58,5%. Viele Arbeitnehmer haben zwischenzeitlich aufgegeben und werden von
den US-Arbeitsmarktstatistiken nicht mehr erfasst. Bei positiven
Wirtschaftsdaten erhalten Menschen, die sich in dieser „Reserve“
aufhalten, neue Hoffnung und strömen auf den Arbeitsmarkt, so dass der
Fall der Arbeitslosenquote durch diesen Effekt gebremst wird.
Zwischenfazit: Die
US-Wirtschaft hat keine andere Chance als zu Wachsen und damit
Arbeitsplätze zu schaffen. Die Verlagerung der Arbeitsplätze nach China
ist keine Option. Die Schaffung von Arbeitsplätzen gelingt nur mit einer
schwachen Währung, da sonst die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Genauso wie
Griechenland mit einer abgewerteten Drachme wettbewerbsfähiger werden
würde (wobei es gilt, überhaupt erst einmal eine vernünftige
Exportindustrie aufzubauen), würden die USA mit einem schwachen Dollar das
dringend benötigte Wirtschaftswachstum ankurbeln können.
Wie sehr die Finanzmärkte von
einem sich verbessernden Arbeitsmarktumfeld profitieren, zeigt die
nachfolgende Betrachtung. Die Zahl der Erstanträge auf
US-Arbeitslosenhilfe befindet sich seit dem Frühjahr
2009 in einem Abwärtstrend.
Betrachtet man die Erstanträge
verkehrt herum (invers) und legt sie in einen Chart mit dem Verlauf des
Dow Jones Index, so erhält man eine statistisch signifikante positive
Korrelation (folgender Chart).
Ein sich verbessernder
US-Arbeitsmarkt (die Zahl der Erstanträge sinkt) geht mit einem steigenden
Aktienmarkt einher.
Fazit: US-Präsident Obama
weiß, dass seine Wiederwahl dann so gut wie sicher ist, wenn sich der
Arbeitsmarkt positiv entwickelt. Er muss versuchen, die laufende
Entwicklung zu unterstützen. Die größte Gefahr für das Projekt Wiederwahl
wäre eine starker Dollar (= ein schwacher Euro). Denn dann würden sich die
ermutigenden Statistiken des US-Arbeitsmarktes wohl ins Negative
verkehren. Die Amerikaner werden alles in ihrer Hand liegende tun, um eine
Abwertung des Euro/Dollar zu verhindern. Bisher scheint dies zu gelingen.
Aus Sicht der Intermarket-Korrelationen bedeutet ein stabiler bis
steigender Euro einen steigenden Aktien- und Rohstoffmarkt. Die dabei in
den USA entstehende Inflation dürfte die US-Regierung in Kauf nehmen. Dies
ändert jedoch nichts daran, dass die USA in der Schaffung von
Arbeitsplätzen mächtig „hinter der Kurve“ liegen. Um die alte Trendlinie
zu erreichen, würde es eines mehrjährigen Wirtschaftswunders benötigen.
Danach sieht es derzeit nicht aus. Verfolgen Sie die Entwicklung der
Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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